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Wahlen mit Zwahlen

Deshalb hat der Berner Jura einen garantierten Sitz in der Berner Regierung

Sieben Sitze zählt die Berner Regierung, einer davon gehört fix dem Berner Jura. Doch das war nicht immer so. Und das mathematische Verfahren, das dafür angewendet wird, ist speziell. Teil zwei der Serie “Wahlen mit Zwahlen”.

Bild: zvg/Telebielingue
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Wenn Ende März im Kanton Bern die neue Regierung gewählt wird, steht eines fest: Einer der sieben Sitze geht an einen Kandidaten, der die französischsprachige Minderheit im Kanton vertritt. Doch wie kam es zu diesem garantierten Sitz für den Berner Jura? 

 

Der Bieler Historiker und frühere Gemeinderat Pierre-Yves Moeschler kennt sich mit dem Jurakonflikt und der Geschichte der französischsprachigen Minderheit im Kanton gut aus. Er hält fest, dass es schon früher immer wieder Regierungsräte aus dem Berner Jura gab. Doch nach dem Krieg und der Möckli-Affäre sei die Forderung nach zugesicherten Sitzen für die Romands in der Berner Regierung aufgekommen.

 

Die Affäre Möckli ist als das Ereignis in der Geschichte bekannt, das den Jurakonflikt aufflammen liess und wie es das Historische Lexikon der Schweiz beschreibt, “eine Kette von Ereignissen auslöste, die später in der Gründung des Kantons Jura mündeten”. Es war 1947, als der bernische Grosse Rat dem jurassischen Regierungsrat Georges Möckli die Übernahme der Bau- und Eisenbahndirektion verweigerte. Dies mit der Begründung, dass man einem Romand keinen so wichtigen Posten anvertrauen könne. 

 

 

Das erzürnte die französischsprachige Bevölkerung. Im heutigen Kanton Jura, der damals noch zu Bern gehörte, brachen Proteste aus, die separatistische Bewegung formierte sich und das Komitee von Moutier wurde gegründet. Dieses Komitee stellte eben diese Forderung nach fest zugesicherten Sitzen für den Jura in der Berner Regierung. Und dem kam der Kanton nach, indem er die Sitzgarantie in seiner Verfassung festhielt. Damals wurden der französischsprachigen Bevölkerung zwei Sitze in der Regierung zugesprochen. Diese Sitze gingen jeweils an die zwei Personen mit den meisten Stimmen aus dem Jura.

 

Doch wie bekannt: Auch dieses Zugeständnis brachte keine Entspannung im Jurakonflikt. 1979 wurde der Kanton Jura gegründet und der Berner Jura verlor massiv an Grösse. Weil dadurch auch die Anzahl französischsprechender Menschen im Kanton abnahm, wie Historiker Moeschler sagt, wurde die Anzahl halbiert, blieb den Romands im Kanton nur noch ein garantierter Sitz in der Regierung. 

 

Damit ist die Geschichte aber noch nicht abgeschlossen. In den 90er-Jahren kam es noch einmal zu einer wesentlichen Anpassung. Seither geht der Romand-Regierungssitz nicht mehr einfach an die Kandidatin aus dem Berner Jura, welche im Kanton die meisten Stimmen holt, sondern an die Person, die im französischsprachigen Kantonsgebiet überzeugt. Durch die Einführung des geometrischen Mittels wurden die Stimmen aus dem Berner Jura nämlich aufgewertet. Geometrisches Mittel? Das funktioniert wie folgt: Die Stimmen aus dem Berner werden mit den Stimmen des ganzen Kantons multipliziert und daraus wird die Wurzel gezogen. So entsteht das geometrische Mittel. 

 

Doch wie kam es zu dieser neuen Berechnungsformel? Historiker Pierre-Yves Moeschler verweist auf die Regierungsratswahlen aus dem Jahr 1986. Damals ging der Romand-Sitz an Benjamin Hofstetter (Grüne Freie Liste). “Er lebte zwar im Berner Jura, war aber ein Deutschschweizer”, so Moeschler. Im Berner Jura holte eigentlich Geneviève Aubry (FDP) die meisten Stimmen, doch Hofstetter übertrumpfte sie im restlichen Kantonsteil. Die Romands fühlten sich dadurch nicht mehr vertreten. Also wurde entschieden, den Stimmen aus dem Berner Jura dank des geometrischen Mittels mehr Gewicht zu geben. 

 

Erstmals in der Geschichte der Berner Wahlen entschied das geometrische Mittel im Jahr 2014 über den Wahlausgang. Dies zu Gunsten von Philippe Perrenoud (SP). Dessen Herausforderer Manfred Bühler (SVP) holte im ganzen Kanton zwar über 8000 Stimmen mehr als Perrenoud, doch der SP-Mann hatte mehr Unterstützung aus dem Berner Jura und setzte sich damit durch.

 

Am 27. März kommt es nun wieder um eine Kampfwahl um den Sitz des Berner Juras. Der amtierende Regierungsrat Pierre Alain Schnegg (SVP) wird von Peter Gasser (PSA) herausgefordert. Raphael Zwahlen/Parzival Meister

 

Info: In der Serie “Wahlen mit Zwahlen” vertieft “Telebielingue”-Redaktionsleiter Raphaël Zwahlen in regelmässigen Abständen die elementaren Aspekte zu den Kantonalen Wahlen vom 27. März 2022. 

 

Der ganze Beitrag von Wahlen mit Zwahlen:

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