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Kafipause

Die bewusst verpasste Chance für eine Latrinenstory

Im persönlichen Blog berichten Bernhard Rentsch und Parzival Meister, Mitglied der publizistischen Leitung, abwechslungsweise wöchentlich über Erlebnisse im privaten wie im beruflichen und gesellschaftlichen Leben – immer mit einem Augenzwinkern. Heute: Die bewusst verpasste Chance für einen Latrinen-Story.

Bernhard Rentsch
  • Dossier

Eine Journalistin oder ein Journalist sucht jede Gelegenheit, um aus einer Mücke einen Elefant zu machen – je spektakulärer die Story, umso besser. Nein, diese «Welt des Boulevards» gilt längst nicht für alle in unserer Zunft. Die Themen richten sich nach Wichtigkeit, nach Relevanz und vor allem auch nach Wahrheit. Spektakuläre Schaumschlägerei gehört primär ins Medienverständnis von billigen Filmen. Gelegentlich wird einem trotzdem die eine oder andere vermeintlich unübertreffliche Geschichte offeriert oder angedreht, oft fällt der Entscheid zum Verzicht auf diese Nicht-Story dann dennoch sehr rasch.

Bekannte Gesichter, bisweilen sogar Prominenz, lösen manchmal kuriose Ideen für Aktivitäten aus. Dies nur, weil X oder Y gesichtet wurde – ohne Thema, ohne Neuigkeiten, ohne Botschaft. Dabei gilt: Die Story wird scheinbar umso exklusiver, je spezieller der Ort des Kontakts ist – dies zum Beispiel beim Anstehen vor einer Toilette.

So trug es sich vor Kurzem an einem Wochenendanlass im privaten Bereich zu: Weil der Event und das Mittagessen in einer Sporthalle vor allem männliche Besucher anzog, war die Schlange vor den wenigen Toiletten für einmal nicht vor der Damentoilette deutlich länger. Es bot sich die Gelegenheiten, mit anderen «Gedrängten» ins Gespräch zu kommen. Und weil sich gutschweizerisch auch bekannte Politiker ganz selbstverständlich in die Reihe stellten, war die Frage unter den Bekannten dann vorauszusehen: «Worüber schreibst du nach dem Gespräch mit X?»

Gar nicht (oder nur als «Kafipause»), war die logische und richtige Antwort. Zum einen, weil jede und jeder in meinen Augen über die nötige Privatsphäre verfügt und sich vor neugierigen Journalisten sicher fühlen soll. Zum andern, weil das Latrinengespräch schlicht nicht interessant war. Der in dieser Situation angebrachte eher belanglose Austausch verlief so, wie dies oft der Fall ist: Kurzes Resümee des Anlasses, eine oberflächliche Bewertung des Mittagessens, nette Worte zum Durchführungsort und zum Organisator, nötigenfalls eine Würdigung der aktuellen Wettersituation …

Ich bedauerte, meine mitgereisten Kollegen zu enttäuschen – ebenso bedauere ich, Sie, liebe Leserinnen und Leser ohne spektakuläre Schlüsselloch-Infos sitzen zu lassen. Denn ja, ein von Gerüchten und Vermutungen angetriebener Sensationsreporter werde ich wohl nie. Und wirklich Neues und Berichtenswertes habe ich während der beschriebenen Situation ohnehin nicht vernommen. Ehrlich.

bernhard.rentsch@gassmann.ch

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