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Bildung

Die «Filière bilingue» ist in Gefahr

Der Rektor des Bieler Gymnase français schlägt Alarm. Er befürchtet, dass Romands und Deutschschweizer nach der Einführung der Quarta am Gymnasium nicht mehr gleichberechtigt sind.

Rektor Aldo Dalla Piazza hofft, dass die Politiker vor Schulbeginn im Sommer 2017 handeln. Bild: BT/a

Seit der Grosse Rat das Quarta-System für die Deutschschweizer Schülerinnen und Schüler genehmigt hat, ist Aldo Dalla Piazza beunruhigt. Mit diesem System wird für Schüler, die das letzte Jahr der obligatorischen Schulzeit am Gymnasium absolvieren, ein vierjähriges Gymnasium - inklusive Schwerpunktfach - eingeführt. Auf Westschweizer Seite sind es hingegen nur drei Jahre. Der Rektor befürchtet, dass die «Filière bilingue» des Gymnase français in Gefahr ist. «Wenn die Romands mit der ‹Filière bilingue› beginnen, haben sie insbesondere im Schwerpunktfach einen einjährigen Rückstand zu verzeichnen», erklärt er.

Diese Reorganisation der Quarta tritt ab August 2017 in Kraft. Aldo Dalla Piazza hält es somit für dringend notwendig, die Öffentlichkeit auf die Diskrepanz aufmerksam zu machen, die schon bald zwischen den deutsch- und den französischsprachigen Gymnasien besteht. «Wenn sich keinerlei Beschlüsse oder Vorgehen abzeichnen, um das Problem zu beheben, wird es bei der ‹Filière bilingue› zu einem Bruch kommen.»

 

Lösung in Sicht

Der Rektor des Gymnase français befürchtet, dass das Bieler Modell verloren gehen könnte. Dieses beruht auf der Zweisprachigkeit, die durch die Integration von Schülern der beiden Sprachen in dieselben Klassen erreicht wird. In der Folge könnte es sich zu einem Zürcher Modell entwickeln, bei dem der Unterricht in separaten Klassen erteilt wird. Dabei wären für die jungen Deutschschweizer französischsprachige Lehrkräfte zuständig und umgekehrt.

Laut Dalla Piazza kann «man das Gesetz nicht ändern», um den Bruch zu verhindern, der sich ab Schulbeginn 2017 abzeichnet. Man könne aber «Vorkehrungen treffen». Er hat sich bereits überlegt, wie man das Bieler Modell erhalten könnte. Die einfachste Möglichkeit sieht er darin, dass französischsprachige Schüler, die sich für diesen Weg entschliessen, das ebenfalls ab dem elften Jahr Harmos (11H) tun könnten. In der Folge müssten die Betroffenen ihr Schwerpunktfach bereits in der 10H wählen. Zudem müssten die Gemeinden ihren Schülern Ausnahmen erlauben. «Die Gemeinden müssten mit dem Kanton einen Vertrag - eine Art Ausnahme - unterzeichnen, damit dieser solche Lösungen bewilligt», erklärt der Rektor. Da für den Deutschschweizer Teil schon lange entsprechende Verträge zwischen den Gemeinden und dem Kanton bestehen, sollte dies kein unüberwindbares Hindernis darstellen. Die Stadt Biel hat bereits solche Verträge unterzeichnet.

Dalla Piazza weist auch auf den Weg hin, den der Kanton Jura eingeschlagen hat, um seine «Filière bilingue» mit Pruntrut und Laufen zu organisieren.

 

Biel als Vorreiterin

Geht es nach Dalla Piazza, hat die Stadt Biel die Aufgabe, eine Vorreiterrolle zu spielen. Sie soll mit dem Kanton Bern einen neuen Vertrag abschliessen, um eine Kontinuität der «Filière bilingue» zu gewährleisten. «In Biel ist die Nachfrage nach der ‹Filière bilingue› natürlich am grössten. 35 Prozent unserer Schülerinnen und Schüler stammen aus Biel. Somit hat die Stadt mehr Gewicht als die übrigen Gemeinden in der Region. Wenn nur Courtelary oder Reconvilier beim Kanton einen Vorstoss wagen würden, hätte dies nicht dasselbe Gewicht.» Da in Biel auf Primarschulstufe bereits eine «Filière bilingue» besteht, scheint es nur logisch zu sein, dieses System auf der Sekundarstufe II weiterzuführen.

Dalla Piazza hofft, dass sich die Entscheidungsinstanzen - Städte, Kanton, RFB, BJR, Sekundarschulen - zu einem gemeinsamen Handeln zusammenschliessen. «Ende November ist ein Treffen zwischen sämtlichen Instanzen vorgesehen, um das Problem zu erörtern, einen Zeitplan für die Suche nach Lösungen zu erstellen und die Kontinuität nach 2017 zu gewährleisten», erklärt der Direktor.

 

Vorsichtiger Optimismus

Die Zeit drängt. Nachdem das Problem nun aber zur Kenntnis genommen wurde, werden bald konkrete Schritte folgen. Der Rektor des Gymnase français hofft, «für 2017 eine Übergangslösung gewährleisten zu können». Nach Ansicht von Dalla Piazza zeichnet sich am Horizont bereits ein leichter Hoffnungsschimmer ab. Damit spielt er auf die Abstimmung vom 24. November des vergangenen Jahres an, bei der der französischsprachige Teil des Kantons seine Absicht bekundete, dem Kanton Bern treu zu bleiben. «In der Region hat sich die Mentalität eindeutig gewandelt. Die Zweisprachigkeit wird von beiden Sprachgemeinschaften als Stärke betrachtet.»

Dalla Piazza betrachtet es als Chance, dass der Bieler Bildungsdirektor ein Romand ist. «Cédric Némitz ist in der Lage, für die Romands eine solche Änderung vorzuschlagen. Wenn er ein Deutschschweizer wäre, würde die Idee eines Quarta-Modells für die französischsprachigen Schülerinnen und Schüler als von aussen aufgezwungen betrachtet. Dies könnte für erhitzte Gemüter sorgen», meint er.

 

Némitz will abwarten

Cédric Némitz selber liegt das Problem ebenfalls am Herzen. «Ich möchte nicht, dass die Romands benachteiligt werden.» Bevor er nach allfälligen Lösungen sucht, möchte er aber das Treffen der Behörden mit den Schulvertretern abwarten. «Um einen gangbaren Weg zu finden, ist eine gemeinsame Vereinbarung erforderlich.» mas/rw

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