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Biel

Die Folgen bleiben unbekannt

Bei Bränden wie zuletzt in Biel und Brügg können unerwünschte Schadstoffe entstehen. Wie gefährlich diese im Einzelfall sind, ist jedoch schwierig abschätzbar. Für exakte Auskünfte wären jeweils aufwendige Abklärungen nötig.

Wie schädlich is dieser Rauch? Messungen nach dem Brand einer Lagerhalle in Biel gab es keine. Bild: Eva Lüdi Kuong/zvg

Carlo Schuler

Mitte Mai ist es in der Region fast gleichzeitig zu zwei Grossbränden gekommen: In Brügg stand ein Hochhaus in Flammen, 49 Personen mussten wegen Verdachts auf Rauchgasvergiftung evakuiert werden. Im zweiten Fall brannte eine Lagerhalle an der Mittelstrasse in Biel. In beiden Fällen kam es jeweils zu einer starken Rauchentwicklung.

Wenn sich bei solchen Bränden herausstellt, dass glücklicherweise keine Personen unmittelbar zu Schaden kamen, wird oftmals noch nach dem materiellen Schaden gefragt. Dieser lässt sich mittels einer Schätzung zumeist einigermassen genau ermitteln. Dabei hat es in aller Regel sein Bewenden.

Aber eigentlich könnte man auch noch ganz andere Fragen stellen: Nämlich jene nach den Auswirkungen eines solchen Brandes auf die Gesundheit der Personen, die sich in der Umgebung aufhielten. Oder jene nach den möglichen Folgen eines solches Ereignisses auf die Umwelt der näheren oder weiteren Umgebung.

 

Keine wesentlichen Mengen
Erste Hinweise können in solchen Fällen die in der Umgebung des Brandorts liegenden Messstationen liefern. Wobei diese ihre Überprüfung zumeist bloss auf einzelne Schadstoffe wie Feinstaub oder Stickstoffdioxid beschränken.

André Glauser, Leiter der Abteilung Öffentliche Sicherheit der Stadt Biel, erklärt, dass anlässlich dieser beiden Brände keine Messungen durchgeführt worden seien. Aufgrund des angetroffenen Brandguts und der Art des entstandenen Rauchs habe davon ausgegangen werden können, dass keine wesentlichen Mengen von schädlichen Substanzen in die Luft gelangt seien. In diesen Fällen bestehe aber für Personen, die sich im Bereich des Rauchs aufhalten, das Risiko einer Rauchgasvergiftung. In der Regel gelinge es jedoch den Einsatzkräften der Polizei und der Feuerwehr, gefährdete Personen in Sicherheit zu bringen.

Laut Glauser muss auch bei gewöhnlichen, alltäglichen Bränden ab einer gewissen Grösse davon ausgegangen werden, dass schädliche Substanzen in die Luft gelangen.

 

Giftige Dämpfe und Gase
Dies, weil es in jedem Haus oder auch in jedem Auto Materialien gebe, bei deren Verbrennung es zur Entstehung von giftigen Dämpfen oder Gasen kommen könne. «Ob dies für Mensch und Tier gefährlich wird, hängt von der Art der Substanz, der Konzentration in der Luft und der Distanz der betroffenen Menschen und Tiere zur Brandquelle ab.»

Und wie sieht es aus in Bezug auf die Böden in der Umgebung? Wird das Land von Bauern in der Umgebung durch einen solchen Brandfall kontaminiert? Und müssten Personen, die im eigenen Garten oder auf der Terrasse eigene Pflanzen aufziehen, diese allenfalls gar entsorgen? Müsste eventuell sogar die Erde in der Balkonkiste ersetzt werden? «Es wäre aus unserer Sicht denkbar, dass sich nach einem Brand solche Fragen allenfalls stellen könnten», sagt Glauser. «In diesem Fall müssten im betroffenen Bereich entsprechende Messungen vorgenommen werden.»

 

Gemüse gründlich waschen
Rolf Krebs, Leiter des Institutes für Umwelt und natürliche Ressourcen an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), erklärt, dass beispielsweise bei der unvollständigen Verbrennung von Kunststoffen unerwünschte Schadstoffe wie Polycyclische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) oder Dioxine und Furane entstehen können. Dioxine sind Umweltgifte und können entstehen, wenn chlorhaltiges Material (zum Beispiel PVC) verbrannt wird. Umweltwissenschafter Krebs rät Personen, die in der Umgebung eines Brandobjektes wohnen, dort gezogenes Gemüse oder sonstige Pflanzen vor dem Essen zumindest gut zu waschen. «Damit sollte nach meiner Einschätzung eine direkte Gefährdung für die meisten Fälle ausgeschlossen werden können.»

Falls aber eine grössere Menge an Asche oder Brandrückständen auf die für das Gärtnern verwendete Erde gelangte, so seien die dort gewachsenen Nahrungsmittel zu entsorgen und ein Austausch der betreffenden Erde zu empfehlen. Für eine detaillierte Abschätzung und für die Vornahme von differenzierteren Massnahmen müsste dann eine genauere Abklärung des jeweils betroffenen Standortes vorgenommen werden.

Bloss: Solch exakte Messungen werden in aller Regel kaum je durchgeführt. Rex FitzGerald vom Schweizerischen Zentrum für Angewandte Humantoxikologie an der Universität Basel geht davon aus, dass in der Schweiz auch bei grossen Brandfällen in der Regel die betroffenen Böden wohl kaum fundiert auf Kontaminierungen hin untersucht werden. Dies habe damit zu tun, dass solche Messungen mit grossem Aufwand verbunden wären.

So oder so blieben Risikoabschätzungen immer mit einer gewissen Unklarheit verbunden. Fazit: In den meisten Fällen erfährt die Bevölkerung auch bei grossen Brandfällen nicht, ob in Bezug auf die Kontaminierung der umliegenden Böden Grund zur Sorge besteht. Anke Schaefer vom Schweizerischen Oekotoxzentrum in Dübendorf meint lakonisch: «Wenn nicht gemessen wird, dann weiss man gar nichts.»

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