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Biel

«Die Frage, ob ich im Amt bleibe, war prominent»

Ein Gemeinderat auf der Anklagebank: Beat Feurer (SVP) musste sich gestern wegen Anstiftung zu Amtsgeheimnisverletzung vor Gericht verantworten. Stadtpräsident Erich Fehr (SP) war als Zeuge vorgeladen. Die Verhandlung drehte sich nicht nur um Rechtliches.

Beat Feurer (links) mit Verteidiger Enrico Dalla Bona gestern bei der Ankunft beim Amtsgebäude in Biel. Reto Probst

Lino Schaeren

Im Prozess um Anstiftung zu Amtsgeheimnisverletzung gegen den Bieler Gemeinderat Beat Feurer (SVP) hat dessen Verteidiger gestern am Regionalgericht Berner Jura-Seeland einen Freispruch gefordert. Feurer steht vor Gericht, weil ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft, im Oktober 2014 seinen damaligen Direktionssekretär damit beauftragt zu haben, den Entwurf des Berichts Hubacher zur Administrativuntersuchung in der Direktion Soziales an Dritte weiterzugeben (das BT berichtete). Feurer steht der Sozial- und Sicherheitsdirektion vor.

Feurer bestreitet nicht, seinem Angestellten den Auftrag erteilt zu haben – verneinte gestern aber, damit Anstiftung zu Amtsgeheimnisverletzung begangen zu haben, da er nicht davon ausgegangen sei, keine externen Berater für die Besprechung des Entwurfs beiziehen zu dürfen. «Im Gemeinderat haben wir vorgängig nicht diskutiert, wie mit dem Bericht umgegangen werden soll», sagte er. Sein Verteidiger machte in seinem Plädoyer zudem geltend, dass der Entwurf nicht als vertraulich gekennzeichnet gewesen sei.

Auch der Verteidiger des ehemaligen Direktionssekretärs verlangte einen Freispruch. Seinem Mandanten wird aufgrund der Weitergabe des Dokuments Amtsgeheimnisverletzung vorgeworfen.

Der Inhalt war ein Schock

Feurer erhielt den Entwurf des Berichts am Freitag, 10. Oktober 2014, von Fürsprecher und Verfasser Andreas Hubacher per Mail. Feurer beklagte gestern vor Gericht, dass die Mail an besagtem Freitag erst um 17.30 Uhr bei ihm eingetroffen und er von Hubacher aufgefordert worden sei, seine Rückmeldung bis zum darauffolgenden Montag einzureichen.

Das Recht, vor der endgültigen Fassung zum Entwurf Stellung nehmen zu können, wurde ihm im Auftrag des Gemeinderats an Hubacher zugesichert. «Dass ich aber dafür nur ein Wochenende Zeit erhalten würde, habe ich nicht erwartet», sagte Feurer.

Er erklärte der Einzelrichterin, dass er über den Inhalt des Entwurfs «erschrocken» sei. «Ich war völlig überrascht.» Die Administrativuntersuchung in der Direktion Soziales wurde vom Gesamtgemeinderat unter anderem eingeleitet, weil der Vorwurf im Raum stand, dass Mitarbeiter bedroht wurden. Feurer glaubte, dass ihn der Bericht Hubachers entlasten würde.

«Doch in dem Entwurf wurde kaum auf den Hauptvorwurf eingegangen, stattdessen wurde eine Reihe neue Themen aufgegriffen», sagte er. Der Bericht liess ihn und seine Arbeit in düsterem Licht dastehen. Feurer nannte die Schlüsse, zu denen Hubacher im Bericht kam, gestern «nicht belegt», «willkürlich» und «wirr». Er habe das Gefühl gehabt, gegen ihn laufe ein politisches Spiel.

Dass er aber an jenem Freitagabend nicht so richtig wusste, wie weiter, verschweigt Feurer nicht. Mehr noch: «Ich habe mich gefragt, ob meine Selbsteinschätzung dermassen schlecht ist, dass mich die Vorwürfe so überrumpeln konnten.» An jenem Abend sei die Frage, ob er aufgrund des Entwurf-Inhalts sein Amt als Gemeinderat überhaupt weiter ausführen könne, «prominent» gewesen.

Feurer hat sich offenbar ernsthafte Gedanken gemacht, zurückzutreten. Wenigstens kurzfristig. Deshalb hat er seinen Direktionssekretär damals auch beauftragt, das Dokument dem Vizepräsidenten der SVP Biel, Mathias Müller, zukommen zu lassen. «Will mich die Partei überhaupt noch im Amt?» Und: «Wie fallen weitere kritische Rückmeldungen zu meiner Person aus?» Solche Fragen stellte sich Feurer.

Um sie beantworten zu können haben sich Feurer und der damalige Direktionssekretär am Sonntag, 12. Oktober 2014, mit Müller und den Bieler Stadträten Peter Bohnenblust und Alain Pichard getroffen. Alle hatten den Entwurf zum Bericht Hubacher zu diesem Zeitpunkt gelesen.

Auch Fehr hatte den Entwurf

Dass der Inhalt des Dokuments sensibel gewesen sei, dessen sei er sich bewusst gewesen, so Feurer. Er habe den Entwurf mit der Weitergabe jedoch nicht öffentlich machen, sondern sich hinsichtlich seiner Stellungnahme beraten lassen wollen. Trotzdem landeten pikante Details aus dem Dokument wenig später in den Medien, worauf der Bieler Gemeinderat Anzeige gegen unbekannt wegen Amtsgeheimnisverletzung einreichte.

«Wäre uns zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen, was wirklich passiert ist, hätten wir wohl auf eine Anzeige verzichtet», sagte gestern Biels Stadtpräsident Erich Fehr (SP), der als Zeuge geladen war. Mit «uns» meinte er die Kollegialbehörde. «Dann hätten wir gewusst, dass wir nicht mehr die Kontrolle darüber haben, wer alles Einsicht in den Bericht erhält.» Nur sei man zum Zeitpunkt, als rechtliche Schritte eingeleitet wurden, eben nicht im Bild gewesen.

«Wir wollten mit der Anzeige niemanden strafen, sondern Indiskretionen beenden. Wir mussten zwar aufgrund der Medienberichte befürchten, dass der Bericht weitergereicht wurde, wussten aber nicht, wo die Lücke war.»

Fehr bestätigte, dass der Gemeinderat nie darüber geredet hat, dass der Bericht – und der Entwurf – vertraulich seien. Er verwies jedoch darauf, «dass ich davon ausging, dass der Gemeinderat als Auftraggeber das Dokument als erstes erhält». Schliesslich sei die Administrativuntersuchung deutlich sensibler gewesen als ein normales Gemeinderatsgeschäft.

Fehr hat den Entwurf zu Hubachers Bericht zeitgleich wie Feurer erhalten, ebenso wie Stadtschreiberin Barbara Labbé – und der damalige Direktionssekretär Feurers. Nicht aber der Gesamtgemeinderat. Der Stadtpräsident sagte, dass er mit Blick auf die öffentliche Aufregung, die um den Bericht Hubacher und um den darauf folgenden gutachterlichen bericht von Rainer J. Schweizer nach wie vor der Meinung sei, dass die Administrativuntersuchung im Sommer 2014 mit dem damaligen Kenntnisstand über die Zustände in der Sozialdirektion das richtige Instrument gewesen sei. Die Nachbearbeitung allerdings, so Fehr, sei nicht gut gewesen.

Das Urteil im «Fall Feurer» wird morgen eröffnet. Feurer drohen bei einem Schuldspruch eine bedingte Geldstrafe und eine Busse. Selbes gilt für seinen früheren Mitarbeiter.

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