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Mein Montag

«Die Hunde akzeptieren mich als Alphatier»

Für Regina Ritsch ist ein Leben ohne Hunde undenkbar. Mit dem eigenen Hundehort in Brügg hat sie sich vor bald zehn Jahren einen Traum erfüllt.

Regula Ritsch ist die Chefin im Hunderudel.Peter Samuel Jaggi
  • Dossier

Aufgezeichnet: Brigitte Jeckelmann
M ein erster Hund war Max, ein zweijähriger Jack-Russel-Terrier aus dem Tierheim. Damals war ich 32. Nun  bin ich seit über 20 Jahren auf den Hund gekommen. Ich wollte eigentlich schon immer einen Hund. Aber ich war jung, hatte einen Vollzeitjob und eine Beziehung. Da blieb keine Zeit mehr für einen Hund. Heute könnte ich nicht mehr leben ohne. Da geht es mir wie dem deutschen Humoristen Loriot. Der sagte einmal ein Leben ohne Hunde ist möglich, aber sinnlos .Nur hatte er Hunde der Rasse Mops – ich hingegen schwärme für Dackel, von denen ich vier besitze. Beruflich war ich viele Jahre in der Administration tätig, als ich anfing, im Hundehort einer Freundin in Bern zu arbeiten. 2009 zog ich nach Biel und gab den Job bei der Freundin auf. Plötzlich begann ich, regelmässig von Hunden zu träumen. So habe ich gemerkt, dass ich die Hunde vermisste. Ich vermisste sie so sehr, dass ich den Einfall hatte, selber eine Hundepension zu eröffnen. Angefangen habe ich in Räumlichkeiten an der Spärstrasse in Port und seit sieben Jahren bin ich nun hier an der Portstrasse im Industriegebiet in Brügg. Dort stört es niemanden, wenn die Hunde mal bellen. Um einen Hundehort betreiben zu können, habe ich bei der Schweizerischen Schäferhundeclub-Akademie einen Lehrgang absolviert.


Ich führe meine Tages- und Ferienhunde im Rudel, sie können sich in den Räumen und draussen frei bewegen. Jeder hat seinen eigenen Liegeplatz. Die Hunde akzeptieren mich als Alphatier, als Rudelführerin, sonst würde das nicht funktionieren. Im Rudel lassen sich Hunde mit gestörtem Sozialverhalten therapieren. Man sagt dem Resozialisieren. Die Hunde schauen sich bei anderen Hunden ab, wie diese sich verhalten. Unsichere Hunde werden so selbstbewusster. Freche Tiere dagegen lernen, sich unterzuordnen. Das hilft den Besitzern, mit den Hunden im Alltag besser klarzukommen. Die Hunde gewinnen dadurch an Lebensqualität. Zweimal täglich gehen ich und meine Praktikanten mit den Hunden hinaus. Ich arbeite mit jungen Leuten zusammen, die nach der Schule keine Anschlusslösung gefunden haben.
Kürzlich habe ich nun noch die Ausbildung zur Tierheilpraktikerin in Angriff genommen. Warum? Das kam so: Meinem ersten Hund folgte gleich darauf ein zweiter, ein Dackel, mein Puschel. Im September vor einem Jahr ist er im Alter von 20 Jahren gestorben. Er war mein Seelenhund. Auf einer Facebookseite für Hundesenioren bin ich dann auf einen Post einer Frau aufmerksam geworden, die schrieb, sie sei auf ihren Traumberuf Tierheilpraktikerin gestossen. Da hat es bei mir Klick gemacht. Also habe ich mich bei der Tierheilpraktikerschule in Freiburg im Breisgau angemeldet und bin jetzt im ersten Quartal der zweijährigen Ausbildung, die mich fasziniert. Sie dreht sich um alternative Heilmethoden: Mit Pflanzenzubereitungen, Homöopathie oder Bioresonanz lassen sich manche Leiden lindern.
Ich habe früher schon selber gute Erfahrungen damit gemacht, wenn meine Hunde gesundheitliche Probleme hatten. All diese Methoden haben gemein, dass sie die Selbstheilungskräfte des Tieres unterstützen.


Aus meiner Sicht hat sich die Beziehung zwischen Hund und Mensch in den letzten 20 Jahren sehr verändert. Meine Beobachtung: Viele Leute glauben, dass Hunde wie Menschen denken. Doch das ist grundfalsch. Der Hund ist immer noch ein Tier mit einer Sprache, die die meisten nicht verstehen. Zahlreiche Menschen sehen den Hund als Ersatz für Partner oder Familie. Das darf ja auch sein. Problematisch wird es dann, wenn sie dem Hund menschliche Eigenschaften zuschreiben. Das tut ihm nicht gut. Denn als Rudeltier ist er darauf angewiesen, dass ein Leittier ihn führt. Behandelt der Mensch seinen Hund wie ein Mensch, verliert das Tier die Orientierung. Denn es braucht Leitplanken. Fehlen ihm diese, äussert sich das unter Umständen in ängstlichem und unsicherem Verhalten, das bis zu Aggression führen kann. Bei Hunden, die ausser Kontrolle geraten, geht es bei manchen Besitzern so weit, dass sie morgens um vier hinausgehen, um einen entspannten Spaziergang mit ihrem Tier machen zu können. Wenn ich bei meinen Hütehunden problematisches Verhalten bemerke, sage ich das dem Halter direkt und verweise ihn an eine Hundetrainerin. Dann können die Besitzer selber entscheiden, ob sie etwas tun wollen oder nicht. Manche sind dankbar dafür, manche halt eher nicht. Ich war auch einmal Ersthundehalter und habe Fehler gemacht. Jetzt versuche ich, meine Kunden mit meiner Erfahrung zu unterstützen.


Ich wünsche für mich, dass ich meinen Hundehort noch lange führen kann, denn diese Arbeit macht mich glücklich. Es macht mich glücklich, wenn ich Tieren und Menschen helfen kann. So wie Ömi, der alten Dackelhündin. Tierschützer fanden sie in einem Tierheim in Ungarn – mit einem riesigen Tumor. Sie operierten den Hund und suchten für ihn einen Platz zum Sterben. Nun lebt Ömi schon seit einem Jahr bei mir im Hort und alle haben sie ins Herz geschlossen. Im Juli kam dann noch Twenty, die Rauhaardackeldame zu mir. Ihre betagte Besitzerin musste plötzlich ins Spital und anschliessend ins Pflegeheim. Twenty ist hier richtig aufgeblüht. Mit ihrer eigenständigen Persönlichkeit hat sie mich so um den Finger gewickelt, dass ich sie jetzt nicht mehr hergeben würde.
Nun wünsche ich allen, mit oder ohne Hund, ein gutes neues Jahr und dass auch sie das tun dürfen, was sie glücklich macht.


Alle Folgen der Serie finden Sie unterwww.bielertagblatt.ch/montag

Stichwörter: Hunde, Tierheim, Brügg

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