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Biel

«Die Jungen tun mir manchmal leid»

Elsa Keller Baur feiert heute ihren 100. Geburtstag. Die in Biel wohnhafte Rentnerin steht nach wie vor auf eigenen Beinen. Noch einmal jung sein möchte sie nicht – aber sie träumt von einer Schifffahrt über den Atlantik.

Elsa Keller Baur. copyright: reto probst/bieler tagblatt

Interview: Florin Rüdisühli

Elsa Keller, wie geht es Ihnen?

Elsa Keller: Ich kann nicht klagen. Es gibt Leute, denen geht es schlechter.

Wie fühlt man sich als 100-Jährige?

Ich will selbstständig bleiben, so lange ich kann. Ich gehe ins Altersheim, wenn ich Pipi in die Hosen mache. Aber nicht vorher!

Wie sieht ein ganz normaler Tag aus?

Wie bei anderen Leuten auch. Ich stehe auf und mache Frühstück. Ich bin froh, muss ich nicht pressieren. Das ist schön.

Haben Sie im Alter ein anderes Verhältnis zu der Zeit?

Ich kann nur eins sagen: Ich möchte nicht wieder jünger werden. Die Jungen tun mir manchmal Leid. Ich sehe, was kommt, aber sie sehen es nicht. Zum Glück. Ich bin ganz froh, dass ich so alt bin.

Womit verbringen Sie Ihre Zeit?

Wissen Sie, in meinem Alter braucht man für die kleinsten Sachen viel mehr Zeit. Alles dauert einfach länger.

Glauben Sie, dass es Ihnen besser geht als anderen 100-Jährigen?

Keine Ahnung. Ich kenne niemand anderen, der 100-jährig ist.

Haben Sie auf eine gesunde Lebensweise geachtet?

Ja, und ich schaue heute noch auf meine Gesundheit. Besonders beim Essen passe ich auf. Manchmal esse ich nur eine grosse Schüssel Salat.

Was essen Sie gerne?

Hie und da ein Entrecôte oder ein Kalbskotelett. Am Sonntagabend zum Beispiel.

Haben Sie früher Sport getrieben?

Ich musste immer zur Arbeit pressieren und den Haushalt schmeissen. Damit hatte ich genug. Ich musste gar keinen Sport mehr treiben.

Haben Sie noch Ziele und Pläne?

Nein. Ich kann wegen meinem Bein keine Pläne mehr machen.

Wurden Sie im Alter gelassener?

Ja natürlich. Warum sollte ich mich aufregen?

Spielt der Glaube für Sie eine Rolle?

Ja. Am Abend bete ich: «Danke lieber Gott für den Tag und dass es mir gut ergangen ist.» Und wenn es mir einmal nicht so gut geht: voilà.

Sind Sie zufrieden, wenn Sie auf Ihr Leben zurückblicken?

Heute bin ich zufrieden, ja.

Welches war die schönste Zeit Ihres Lebens?

Das Schönste war, als wir wegen einer Krise ein paar Monate lang am Freitag nicht arbeiten mussten. Da war ich 60 Jahre alt.

Was halten Sie für das Wichtigste im Leben?

Dass man zu sich schaut. Man muss sich bewusst sein, dass man für sich selbst verantwortlich ist! Das finde ich wichtig.

Haben Sie Angst vor dem Tod?

Nein, ich glaube nicht. Wenn er jetzt da mit einer Sense zur Tür herein käme – ich wüsste nicht was tun (lacht). Ich möchte einfach den Schirm zumachen. Am Abend ins Bett und einfach nicht mehr aufstehen. Ich glaube, das wünscht sich jeder.

Interessieren Sie sich für das politische Geschehen in der Schweiz?

Ich versuche, auf dem Laufenden zu bleiben. Zeitung lese ich selten. Aber Fernsehen schaue ich oft. Wir sind ein wenig eingeklemmt in der Schweiz. Aber es ist eine gute Klemme.

Interessiert es Sie, was auf der Welt passiert?

Ganz sicher. Wenn mir nach der Pension jemand eine Stelle auf einem Schiff auf dem Atlantik angeboten hätte, als Zimmermädchen zum Beispiel, dann hätte ich sofort zugesagt. Wohin die Reise ginge, wäre mir egal.

Was bekommen Sie von der modernen Welt mit?

Madonna! Die ist manchmal ein wenig verrückt!

Wie feiern Sie Ihren Geburtstag?

Am Morgen mit meiner Seniorengruppe in der Kirche und am Nachmittag zusammen mit einer Freundin und Bekannten. Es ist schön, nicht allein zu sein.

 

Elsa Keller Baur

  • Geboren am 21. Mai 1916, verbrachte Elsa Keller Baur ihre Kindheit im Zürcher Oberland.
  • Sie ist Tochter eines Malers und eines von acht Kindern.
  • Zur Schule ging sie in Wald (ZH), bevor sie mit 16 Jahren in einer Weberei zu arbeiten begann.
  • Elsa Keller hat zwei Kinder: einen Sohn aus erster Ehe (77 Jahre) und aus zweiter Ehe eine Tochter (64 Jahre).
  • Fast die Hälfte ihres Lebens verbrachte die 100-Jährige in der Westschweiz. Heute wohnt Elsa Keller Baur in Biel und wehrt sich strikt gegen einen Einzug ins Altersheim. rüf

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