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„Krawattenzwang“

Die kleinen Gewohnheiten

Im persönlichen Blog berichtet Bernhard Rentsch, Chefredaktor „Bieler Tagblatt“, wöchentlich über Erlebnisse im privaten wie im beruflichen/gesellschaftlichen Leben – dies immer mit einem Augenzwinkern. Heute: Die kleinen Gewohnheiten machen es aus.

Bernhard Rentsch: Krawattenzwang
  • Dossier

Was haben wir in den letzten Wochen gelitten, auf wie viel haben wir verzichtet. Die Corona-Krise hat das ganze Land, ja die ganze Welt in eine denkwürdige Haltung eines gewaltigen Marschhaltes versetzt. Damit verbunden sind ganz viele Herausforderungen, ganz viele Neuerungen und Entdeckungen und entsprechend auch ganz viele Chancen. Während vor einigen Wochen noch der Eindruck entstand «wir können nicht Krise», haben wir rasch dazugelernt und folgsam die wohl richtigen Massnahmen mitgetragen. Das Gegenteil wird nie bewiesen werden können.

Können wir aber auch wieder raus aus der Krise? Dies ist die künftige Herausforderung, die uns noch lange beschäftigen wird. Spontaner Eindruck: Nein, das können wir (noch) nicht. Aber genauso wie wir Krise lernten, werden wir das Zurück ausprobieren und entdecken.

Vieles ist neu und anders, an einiges werden wir uns gewöhnen müssen. Es sind jedoch genau die kleinen gewohnten Dinge, die uns dabei unterstützen. Das Hupen der Bielersee-Schiffe beim Verlassen und beim Einfahren in den Hafen zum Beispiel. Wie viele Anwohner bis weit ins bewohnte Gebiet hinein stören sich daran. Das erste «Horni» vor fast zwei Wochen wirkte aber irgendwie befreiend.

Und – wie schön: Die Schranke bei der Einfahrt ins Parkhaus des Einkaufscenters ist wieder in Betrieb. Es ist ja an sich komisch, wenn man sich freut, dass man wieder Parkgebühren entrichten muss. Aber zurückblickend hat das Zetteli-Ziehen bei der Einfahrt halt doch gefehlt.

Dass wir es noch nicht können, zeigt die unterschiedliche Anwendung der Schutzmassnahmen bei an sich vergleichbaren Tätigkeiten. Auch dazu ein Beispiel: Gehen Sie in verschiedene Restaurants und erleben Sie mit, wie variantenreich Sie willkommen geheissen und bedient werden. Die Regelungen sind zu unklar und die Interpretationen zu offen. Deutliche(re) Regeln müssen uns führen.

Zugegeben, der Weg zurück ist kompliziert und anspruchsvoll. Im Bewusstsein, dass eine zweite Corona-Welle unbedingt vermieden werden muss, ist das Zögern bei vielen Aktivitäten verständlich. Wir lernen aber sicher schnell dazu – und wir bleiben vernünftig. Und wir geniessen die kleinen Dinge wie akustische Schiffssignale oder Bezahlschranken bei Parkhäusern. So schlecht sind viele Gewohnheiten auch wieder nicht.


brentsch@bielertagblatt.ch

Twitter: @BernhardRentsch

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