Sie sind hier

Abo

Coronablog

Die lieben, nervigen Nachbarn

In Sachen Lockerungen spürt man zurzeit (noch) herzlich wenig. Es fühlt sich nach Stillstand an. Stillstand ist mühsam. Stillstand ist nichts. Nichts befriedigt nicht.

Hannah Frei, Redaktorin Region. Peter Samuel Jaggi
Hannah Frei
 
Deshalb habe ich mir, genauso wie die meisten in meinem Umfeld, kleine Inseln erschaffen, um aus dem getakteten Alltag auszubrechen. Wieder einmal Freunde zum Essen einladen, im Garten mit einer Arbeitskollegin einen Kaffee trinken, eine Joggingrunde mit meinen lieben Nachbarn starten. Doch immer schwingt sie mit, die Angst, jemanden anzustecken oder in Quarantäne zu müssen.
 
Meine Inseln haben sich wie von selbst hierarchisch eingeordnet. Da gibt es den innersten Kreis, zu dem gezwungenermassen meine Nachbarn gehören. Sie sind das Minimum, auf das ich meine Kontakte reduziere, wenn der Bundesrat wieder einmal schreit. Glücklicherweise sind die Nachbarn ganz nett, auch wenn sie regelmässig unangemeldet in Trainerhosen aufkreuzen, vermutlich weil sie denken, sie dürften sich bei mir wie zuhause fühlen.
 
Um das klarzustellen: Das hab ich nie gesagt. Trotzdem freue ich mich jedes Mal, wenn sie vor meiner Haustür stehen. Und sie haben zuhause eine Klimmzugstange. Eine von denen, an die man sich jedes Mal hängt, wenn man daran vorbeigeht. Ich kann mittlerweile fast zwei Klimmzüge machen, also richtige, nicht die mickrigen, wie sie von den Posern im Fitnessstudio gerne präsentiert werden. Das habe ich meinen Nachbarn zu verdanken.
 
Zum inneren Kreis gehört die Familie, ebenfalls gezwungenermassen. Mit ihr gehe ich etwas vorsichtiger um als mit den Nachbarn, etwa, indem ich Abstand wahre. Gut, dass ich auch sie mag. Dann kommen die besten Freundinnen und Freunde. Und dann kommen die guten Freunde, die man ohnehin nicht jede Woche sieht, aber umso mehr vermisst.
 
Und dann sind da noch diejenigen, die man praktisch nie sieht, vielleicht einmal pro Jahr, vielleicht sogar nur per Zufall, an die man in der Pandemie aber trotzdem regelmässig denkt. Die Herzensmenschen. Und zuletzt bleiben noch die, die man vor der Pandemie zwar regelmässig gesehen hat, in einer Bar, in einem Club, die einem aber kaum fehlen. Wer einem wirklich wichtig ist, zeigt sich in der Pandemie wie von selbst. Eine natürliche Selektion. An dieser Stelle: Danke, liebe Nachbarn, dass ihr immer da seid.
 

Nachrichten zu Biel »