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Biel

Die Party ist vorerst aus

Sascha D’Antonio hat seinen Duo Club in Biel am Samstag geschlossen. Die Öffnung der Clubs Anfang Juni nennt er «fahrlässig». D’Antonio will klarere Corona-Regeln, bevor er wieder öffnet.

Sascha D’Antonio, Copyright: Mattia Coda / Bieler Tagblatt

Lino Schaeren

Sascha D’Antonio hat genug: Der Betreiber des Bieler Duo Club hat seinen Betrieb am Samstag kurzerhand geschlossen. Ende der Party. D’Antonio hatte bereits am Freitagnachmittag im Gespräch mit dem BT angekündigt, die Türen freiwillig schliessen zu wollen. Dazu durchringen konnte er sich erst einen Tag später, nachdem sich die wissenschaftliche Corona-Taskforce zum Wochenendbeginn über die Sozialen Medien an die Bevölkerung gewandt hatte: Sie empfahl dringend, Veranstaltungen in geschlossenen Räumen wie Clubs und Bars zu meiden. Ein klares Warnsignal der Wissenschaftler, nachdem der Bundesrat als Reaktion auf sogenannte Superspreader-Events in Clubs noch auf die Verantwortung der Kantone verwies. Sascha D’Antonio ist konsterniert: «Der Bundesrat hat uns mit der schnellen Lockerung des Lockdowns zur Öffnung gedrängt und mit dem Auslaufenlassen der Kurzarbeitsentschädigung für KMU Druck aufgesetzt. Gleichzeitig ruft jetzt aber die nationale Taskforce auf, uns zu meiden. Die Betriebe sollen wirtschaftlich funktionieren, es soll aber niemand hingehen? Das ist doch verrückt!»

D’Antonio ist mit der Schliessung seines Betriebs dem Beispiel diverser Klubbetreiber aus Zürich gefolgt, die ebenfalls freiwillig die Schotten dichtgemacht haben. Um Eigenverantwortung zu demonstrieren. Wie sie hatte auch der Bieler Duo Club seit Anfang Juni wieder geöffnet. Dabei war für D’Antonio von Anfang an klar: Rein kommt nur, wer seine ID vorlegt. «Als sich einer mit seiner Versicherungskarte ausweisen wollte, habe ich ihm klar gemacht, dass wir nur amtliche Ausweise akzeptieren.» Überhaupt verlangt der Duo Club unabhängig von Corona beim Eintritt seit Jahren das Vorweisen eines Ausweises. Man wolle wissen, mit wem man es zu tun habe, sagt D’Antonio. Und mit dem Fragen nach einer ID komme das Sicherheitspersonal mit den Besuchenden ins Gespräch – und könne frühzeitig aggressives Auftreten oder übermässige Alkoholisierung feststellen. Neu wurden die Partygäste seit Juni zusätzlich in einer Liste eingetragen. «Donald Ducks», sagt Sascha D’Antonio, «gibt es auf unseren Listen keine.» Eingelassen hat er in seinen Club mit einer Kapazität für 1000 Personen aufgrund der Corona-Verordnung pro Abend noch maximal 300 Feiernde; an einem Samstag mussten auch mal mehrere hundert willige Partygänger abgewiesen werden. Bei einigen sei das strikte Umsetzen des Schutzkonzepts auf wenig Verständnis gestossen; es werde auch mal argumentiert, dass ja auf das Eintragen in die Präsenzliste verzichtet werden könne. D’Antonio appelliert auch an die Betreiber anderer Clubs, sich nicht auf solche Spielchen einzulassen.

 

«Das war fahrlässig»

So gewissenhaft wie im Bieler Duo Club wurde eben in der Club-Szene an den vergangenen Wochenenden nicht überall gearbeitet. Als im Zürcher Flamingo Club vor zwei Wochen ein Superspreader Party machte, hätten 300 Personen in Quarantäne gemusst. Das Contact-Tracing wurde aber für die Behörden zum Albtraum, weil ein Drittel der Club-Besucher einen Fake-Namen hinterlegt hatte: Donald Duck und Co. Diese Tatsache, und dass nach dem Lockdown in der Schweiz wie in anderen Ländern auch der erste Superspreader in einem Nachtclub auftrat, brachte das Partyvolk und die Clubbetreiber massiv in Verruf. Sascha D’Antonio findet das unfair: «Die Club-Szene muss als Sündenbock herhalten, weil sie als einzige überhaupt die Personendaten erfassen muss.» Komme es hingegen im Zug, in einer Bar oder im öffentlichen Raum zu Ansteckungen, könne nicht mit einem Finger auf jemanden gezeigt werden. D’Antonio sagt: «Ich habe ein gutes Gewissen, weil ich alles dafür tue, um Kunden und Mitarbeitende zu schützen.»

Gleichzeitig hadert er mit der Politik. Niemand habe Anfang Juni die Club-Betreiber gefragt, ob sie so schnell wieder öffnen wollten. «Wir wurden völlig überrumpelt.» Rückblickend nennt D’Antonio die rasche Öffnung «fahrlässig», weil keine klaren Rahmenbedingungen gesteckt worden seien. So wurden zwar Anwesenheitslisten angeordnet, die Clubs standen aber nicht in der Verantwortung, dass die Angaben auch stimmen. Klarere Regeln folgten erst jetzt nach den ersten Superspreader-Events. Die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (SVP) hat eine Ausweis- und Handynummer-Registrierungspflicht für Clubs angeordnet. Dass weitere Kantone mit denselben Vorgaben nachziehen, ist absehbar. Der Kanton Bern jedenfalls hat eine Ausweispflicht angekündigt, diese Woche will er darlegen, wie diese aussehen soll. D’Antonio sagt deshalb: Bis klar ist, was der Kanton von ihm erwarte, bleibe sein Club geschlossen. «Ich schliesse lieber jetzt freiwillig und setze ein Zeichen. Denn so, wie es zuletzt gelaufen ist, kann ich nicht mehr dahinter stehen.»

 

Ohne Perspektive

Die Gäste, sagt er, seien seit den Vorfällen in Zürich verunsichert. Hinzu kam der Fall aus Grenchen, wo eine Person im Wissen darum, positiv auf das Coronavirus getestet worden zu sein, zwei Partys besuchte. Die Folge auch hier: Knapp 300 Personen müssen in Quarantäne (siehe auch Zweittext). «Die Leute waren sich zuvor gar nicht richtig bewusst, was es bedeutet, sich beim Clubeingang in einer Liste einzutragen», glaubt D’Antonio. Erst durch die Berichterstattung über die Fälle seien die möglichen Konsequenzen realisiert worden: Eine Quarantäne, die nicht nur negative Auswirkungen auf das Privatleben, sondern auch auf den Job haben könnte. Und das, ohne persönlich etwas falsch gemacht zu haben. Weil die Nachtschwärmer das persönliche Risiko inzwischen besser begreifen würden und weil die Coronazahlen wieder steigen, habe die Lust, in einem Club zu feiern, seit zwei Wochen wieder massiv abgenommen. Im Duo Club verkehrten am Freitag gerade mal noch rund 100 Personen; dann hat Sascha D’Antonio kurzfristig die Notbremse gezogen. Er habe Verständnis für alle, die sich dem Risiko nicht mehr aussetzen wollen. Gleichzeitig sagt D’Antonio: «Die Anwesenheitslisten zerstören unser Geschäft, weil sie die Leute hemmen, in den Ausgang zu gehen.»

Was ist die Alternative? Eine erneute behördlich angeordnete Schliessung? Maskenpflicht im Club? D’Antonio hat selber keine Antwort darauf. Er spricht von einer Perspektivlosigkeit. «Eigentlich möchte ich unter diesen Umständen gar keinen Club betreiben. Auch zu unseren Events, die normalerweise gut laufen, werden jetzt keine 300 Personen mehr kommen.» Der Club-Betreiber sagt, dass es ihm langsam dämmere, wie weit weg die Normalität noch liege, die es brauchen würde, um sein Geschäft wieder rentabel zu betreiben. «Es sind die fehlenden Aussichten, die meinem Team und mir auf die Moral schlagen.» Mittelfristig wird das auch zum finanziellen Problem. Auch wenn D’Antonio seinen Duo Club öffnet, wirft der Betrieb wegen der Einschränkungen keinen Gewinn ab. Trotzdem ist der Mini-Betrieb besser als nichts. Gibt der Kanton Bern diese Woche klare Regeln vor, will Sascha D’Antonio deshalb allenfalls bereits an diesem Wochenende mit angepasstem Schutzkonzept wieder öffnen. Denn derzeit lebt er, wie viele andere Kleinunternehmer auch, von den Reserven, die in besseren Zeiten zurückgelegt werden konnten.

Stichwörter: Biel, Clubs, Ausgnag, Region

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