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Carte Blanche

Die unendliche Geschichte der Gartenstrasse

Wer kennt sie nicht aus der Kindheit, «Die unendliche Geschichte»? Antéju möchte Phantásien retten. Jedoch lässt ein geheimnisvolles «Nichts» alles langsam verschwinden, die Welt braucht ein Wunder! So ähnlich lässt sich die unendliche Geschichte der Gartenstrasse erzählen. Auch die Bieler Velofahrer warten nämlich auf ein Wunder – und das seit 25 Jahren.

Bild: Matthias Rutishauser

Matthias Rutishauser, 
Geschäftsleiter 
Pro Velo Biel

Im Mai hat die Stadt Biel mit der Gesamt-Mobilitäts-Strategie (GMS) 2018 bis 2040 ein ansehnlich illustriertes Papier publiziert. Viele Stunden Arbeit und schöne Worte beschreiben hehre Absichten: Mantramässig wird die Förderung des Veloverkehrs auf die Stadtfahne geschrieben.

Fakt ist aber: Gerade in der zentralen Nord-Süd-Achse warten wir seit 25 Jahren auf die Vollendung der Gartenstrasse – eine Verbindung aus dem Linde-Quartier ins Stadtzentrum, ein sicherer und direkter Veloweg für Familien anstatt der Odyssee über den Kreuzplatz. Als letztes Hindernis fehlt ein nicht eingeholtes Wegrecht, eine Brücke über die Madretsch-Schüss sowie die Signalisation.

Seit dem «Massnahmenplan Velo» aus dem Jahr 1998 sind unterdessen über 20 Jahre vergangen. Lange Jahre, in denen die Nordachse (Heilmannstrasse – Mühlebrücke – Seevorstadt) komplett für den Autoverkehr modernisiert wurde, inklusive diverser Einsprache-Verhandlungen mit Grundeigentümern! Um zu erfahren, warum die Geschichte der Gartenstrasse so unendlich ist, lohnt sich ein Blick in die Archive:

1986
Das Velo schafft es Mitte der 80er-Jahre in die Politik, der Rahmenkredit Velo wird 1986 verabschiedet.

1998
Aufbruchsstimmung vor der Expo.02: Im Massnahmenplan Velo des Planungsbüros Planum Biel AG werden die zentralen Verbindungen Ost-West (Oberer bis Unterer Quai) sowie Nord-Süd (Gartenstrasse) definiert und Planungsgrundlagen geschaffen.

Anfangs 2000er-Jahre
Baudirektor Ueli Haag setzt sich aktiv für eine rasche Realisierung ein, die erste Etappe der Gartenstrasse (Oberer Quai – Coupole) wird gebaut. Dies, obwohl die Esplanade noch nicht fertig geplant war. In der Überbauungsordnung für den Bahnweg/die Madretschstrasse 41 ist ein Durchfahrtrecht für Velos vorgesehen.

2004/05
Die Gebäude am Bahnweg/an der Madretschstrasse werden in den Jahren 2004 und 2005 neu gebaut. Das Problem dabei: Die Stadt versäumt es, beim Bau der Gebäude die Verbindlichkeit für einen Veloweg zu schaffen. Die Stadt tritt mit den acht Eigentümern in Verhandlungen.

2008
Aus dem Jahresbericht von Pro Velo Biel: «Dazu kommen weitere Massnahmen und Verbesserungen, die mit anstehenden Bauprojekten koordiniert werden. Zum Beispiel mit dem Umbau/Ausbau der Gartenstrasse und damit der Verwirklichung der Achse Zentrum bis Madretsch.»

Juni 2010
Auf Nachfrage bei der Stadt Biel: «Für die 3. Etappe muss im Abschnitt von der Mattenstrasse bis zur Madretsch-Schüss von Privaten Land erworben werden, bevor das Baugesuch eingereicht werden kann. Die Verhandlungen mit dem Grundeigentümer erweisen sich als mühsam und schwierig. Von acht Eigentümern haben bis heute zwei Eigentümer die Landerwerbsvereinbarung unterschrieben. Sobald alle unterschrieben haben, kann das Baugesuch eingereicht werden. Und das stellt dann die nächste Hürde dar: Mit Einsprachen ist zu rechnen. Wenn im Frühjahr 2011 gebaut werden kann, ist das ein Erfolg.»

2012
SP-Stadträtin Salome Strobel reicht einen Vorstoss ein, mit der Forderung, die Gartenstrassen-Verbindung mit der Eröffnung der Esplanade zu verbinden. Antwort: «Wir versuchen es.»

2013
Bis 2013 ist die Abteilung Stadtplanung der Baudirektion angegliedert. Im Rahmen der Reduktion der Gemeinderäte werden die Ressorts neu zugeteilt und die Stadtplanung gehört fortan zur Präsidialdirektion. Infolge dieser Umverteilung kommt es zu vielen Personalwechseln sowie Änderungen der Zuständigkeiten.

2014
Die seit über zehn Jahren hängige Realisierung der Nord-Süd-Verbindung vom Oberen Quai bis zur Madretschstrasse verzögert sich weiter: Die Veloroute ist bei den realisierten Neubauten zwar vertraglich gesichert worden. Weil aber die Besitzverhältnisse in der Zwischenzeit zu vielen Stockwerkeigentümern gewechselt haben, ist es der Stadt zu mühsam, die Verhandlungen weiter zu führen. Pro Velo interveniert bei der Stadtverwaltung.

2015 und 2019
Mehrfache Interpellationen im Stadtrat. Es werden diverse Gespräche mit der Abteilung Stadtplanung geführt.

Insider
Durch einen persönlichen Kontakt zu einem der Stockwerkeigentümer weiss Pro Velo Biel, dass es seit 2014 keine direkten Gespräche der Stadt Biel mit den Eigentümern gegeben hat. Dies, obwohl ein rasches Vorwärtsmachen mehrmals von der Stadt Biel versprochen wurde!

Nach der Aufbruchsstimmung der 2000er-Jahre war die Luft draussen in der Causa Gartenstrasse. Die Stadt hat es verpasst, das Durchfahrtsrecht aus der Überbauungsordnung verbindlich zu machen. Die Zuständigkeiten haben mehrmals gewechselt und Prioritäten sind anderswo gesetzt worden.

Fazit: Die unendliche Geschichte der Veloverbindung Gartenstrasse braucht sicher kein Wunder. Es stellt sich die Frage, ob die Stadt Biel nicht in höchster Priorität solche Problemstellen beseitigen sollte, bevor sie mit der Velo-Kristallkugel ins Jahr 2040 schaut.

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