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Biel/Sutz

Ein Fotogruss für die Liebsten

In Stiftungen für Menschen mit Behinderung sind Besuche seit Mitte März verboten. Seither dürfen die Bewohnerinnen und Bewohner an den Wochenenden auch nicht mehr nach Hause. Das fällt manchen schwer.

Fotogruss vom 
Spaziergang: Barbara Kappeler, Domenico Zaccheria und Anina Mendoza (von links).

Sarah Grandjean

«Die grösste Veränderung für die Bewohnenden war wohl, über Ostern nicht zu ihren Familien fahren zu können», sagt Francia Zeier Strahm, Leiterin der Stiftung Horizonte Sutz. Dort leben und arbeiten 14 Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung. Sie sind zwischen 24 und 68 Jahre alt, manche von ihnen zählen zur Corona-Risikogruppe. Wie für alle Behinderteninstitutionen im Kanton Bern gilt für die Stiftung Horizonte Sutz seit Mitte März ein Besuchsverbot. Zudem dürfen die Bewohnenden momentan die Wochenenden nicht ausserhalb der Stiftung verbringen. Für einzelne mache das keinen grossen Unterschied, da sie an den Wochenenden ohnehin meist in der Stiftung bleiben, so Zeier Strahm. Für solche, die für gewöhnlich jedes zweite Wochenende zum Beispiel zu ihren Familien fahren, seien die Massnahmen hingegen einschneidend.

Dass sie nicht mehr alleine im Dorf spazieren gehen, walken oder selbstständig einen Kaffee trinken gehen können, sei für viele Bewohnerinnen und Bewohner anfangs nur schwer zu verstehen gewesen, sagt Zeier Strahm. Die Stiftung hat als Ersatz in einem Pavillon ein «Notfall-Beizli» eingerichtet, das an den Wochenenden geöffnet ist. Laut Zeier Strahm bleiben die Bewohnerinnen und Bewohner aber trotz des Besuchsverbots mit ihren Angehörigen in Kontakt. Das sei für sie ebenso wichtig wie für ihre Nächsten. «Viele schreiben jetzt häufiger Briefe und Karten.» Ausserdem hat die Stiftung die App Skype eingerichtet, was von manchen rege genutzt werde. Andere wiederum würden lieber mal zum Telefon greifen.

Eingeschränkte Freiheit

Ähnlich geht die Stiftung Dammweg in der Bieler Seevorstadt mit dem Besuchsverbot um: Die Bewohnerinnen und Bewohner sind mit ihren Familien regelmässig in Kontakt. Jede Woche schicken sie ihnen per Mail oder Post einen Fotogruss nach Hause. Die Bilder zeigen sie etwa beim Arbeiten, beim Stricken in der Frühlingssonne oder bei einem Ausflug ans Seeufer. So können die Familien sehen, was ihre Angehörigen machen und wie es ihnen geht. Darauf habe man sehr positive Rückmeldungen erhalten, sagt Salomé Levy, Leiterin des Bereichs Wohnen der Stiftung Dammweg.

In der Stiftung wohnen 66 Menschen mit einer Behinderung. Sie leben in acht Wohngruppen, wo sie im Alltag begleitet werden. Zudem bieten die Wohnungen im Wyssgässli Menschen mit einer Behinderung die Möglichkeit, selbstbestimmt und eigenständig zu wohnen. Für die Bewohnenden sei es ein Lernprozess gewesen, zu verstehen, weshalb sie in der aktuellen Situation in ihren Freiheiten eingeschränkt sind, sagt Salomé Levy. Das Team der Stiftung Dammweg hat mit den Bewohnenden die Schutzmassnahmen auf spielerische, vereinfachte Weise geübt. Beispielsweise, indem sie sich mit ausgestreckten Armen um sich selbst gedreht haben. Wenn sie dabei niemanden berührten, entsprach dies den erforderlichen zwei Metern Abstand. Solche Übungen müsse man wiederholen, immer wieder erklären und dabei geduldig bleiben, so Levy. Die Teams in den Wohngruppen sind aufgestockt worden, sodass sich die Mitarbeitenden genügend Zeit für jeden Bewohner und seine Bedürfnisse nehmen können. «Inzwischen sind wir so weit, dass wir alle unsere Bewohner abholen konnten», sagt Levy.

Raum für Achtsamkeit

Die Stiftung Dammweg bietet zudem 110 angepasste Arbeitsplätze an. Dies zum Beispiel in den Bereichen Metallbearbeitung, Catering und Hauswirtschaft. Die Arbeitsplätze sind für Personen, die auch in der Stiftung wohnen, weiterhin geöffnet, unter Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsmassnahmen. «Wir haben die Tagesstruktur wo immer möglich beibehalten», sagt Levy. Es sei wichtig, Arbeit und Freizeit weiterhin voneinander zu trennen. Die Bewohnerinnen und Bewohner arbeiten morgens und nachmittags je zwei Stunden. Levy stellt fest: Der Alltag ist ruhiger geworden, die Stimmung in den Wohngruppen hat sich verbessert. «Es gibt sehr viel Raum für Achtsamkeit, wo vorher mehr Konfliktpotenzial war.»

Für externe Mitarbeitende hingegen sind die Arbeitsplätze momentan geschlossen. Derzeit arbeite man an einem Konzept, um ihnen die Rückkehr in den Arbeitsalltag zu ermöglichen, schreibt die Kommunikationsverantwortliche Stéphanie Logassi Kury. Das Team bleibe mit den Betroffenen telefonisch in Kontakt, zudem erhalten sie Aufgaben nach Hause geschickt. Beispielsweise den Osterhasenwettbewerb: Wie auch alle Bewohnenden und internen Mitarbeitenden haben sie einen Osterhasen als Malvorlage erhalten, diesen koloriert und fotografiert, dann wurde ein Gewinner prämiert. Es sei in dieser Zeit wichtig, positive Highlights zu setzen, ist Logassi Kury überzeugt. Deshalb sind genau solche Aktionen besonders wertvoll.

Der Alltag in der Stiftung Dammweg in Biel geht so normal wie möglich weiter, sei dies beim Sport, bei der Arbeit oder in der Freizeit. Etienne Köpfer, Thomas Mani und René Haller schicken ihren Angehörigen jede Woche ein Foto nach Hause:

 

 

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