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Biel

«Ein Meilenstein in der 
städtischen Klimapolitik»

Klimaneutral bis 2050: Zu diesem Ziel soll sich der Bieler Stadtrat mit der Verabschiedung des Klimareglements verpflichten. Rufe nach schärferen Vorgaben wurden im Stadtrat nicht gehört.

Protest hat nichts genützt: Biel wird sich nicht das Ziel setzen, 2030 klimaneutral zu sein. Bild: Tanja Lander

Lino Schaeren

Die Stadt Biel schreibt sich das Ziel Klimaneutralität gross auf die Fahne: Das Parlament hat gestern Abend ein Klimareglement diskutiert, das netto null Treibhausgasemissionen auf Stadtgebiet bis 2050 vorschreibt. Damit soll sichergestellt werden, dass das Pariser Klimaabkommen, von der Schweiz 2017 ratifiziert, in Biel umgesetzt wird. Die Stadtverwaltung soll als Vorbild bereits zehn Jahre früher soweit sein.

Das Klimareglement geht auf einen parlamentarischen Auftrag in Form einer überparteilichen Motion zurück, die vor knapp einem Jahr überwiesen wurde. Mit dem Reglement nimmt Biel in der städtischen Klimapolitik eine Vorreiterrolle ein. Keine andere Schweizer Gemeinde kennt bislang ein vergleichbares Papier. Damit ist Biel für einmal sogar der Stadt Bern voraus, wo ein entsprechendes Klimareglement noch hängig ist. «Ein Meilenstein in der städtischen Klimapolitik», sagte Stadtrat Julien Stocker (GLP).

Basiert auf Strategie

Das Bieler Klimareglement gibt nicht nur ein Ziel, vor, es zeigt auch den Weg dorthin auf. Das Reglement definiert einen klaren Absenkungspfad, schreibt vor, dass das Erreichen der verbindlichen Zwischenziele regelmässig überprüft wird und zeigt die Finanzierung möglicher Klimaschutzmassnahmen auf, die über das gesetzlich vorgeschriebene hinausgehen.

Das Klimareglement fusst auf einer deutlich umfassenderen Klimastrategie des Gemeinderats. Diese zeigt etwa den Ist-Zustand auf, dass 2017 auf Bieler Stadtgebiet 227 000 Tonnen CO-Äquivalente an Treibhausgasemissionen ausgestossen wurden, die grauen Emissionen nicht mit eingerechnet. Wenig überraschend tragen nebst der Wirtschaft die Haushalte und damit die Liegenschaften sowie der Verkehr zusammen mehr als 50Prozent zu den Emissionen bei.

Bis ins Jahr 2030 sollen die Emissionen auf unter 131 000 Tonnen gesenkt werden, 2050 muss laut Reglement eine schwarze Null resultieren. Um das zu erreichen, hat der Gemeinderat vier Handlungsfelder definiert:

  • Der Energieverbrauch der Gebäude soll gesenkt und erneuerbar gedeckt werden
  • Verkehr soll vermieden und verlagert werden
  • Der Verkehr soll erneuerbar abgewickelt werden
  • Die Emissionen des Konsums sollen verringert werden

Die Strategie bildet indes nur den Hintergrund für das Klimareglement, über das der Stadtrat gestern zu befinden hatte. Bereits bei der Eintrittsdebatte auf das Geschäft stellte sich dabei heraus, dass das Reglement letztlich eine klare Mehrheit finden würde. Mit Ausnahme der Fraktion SVP/Die Eidgenossen, die den Klimawandel lieber mit der Begrenzung der Zuwanderung bekämpfen möchte, stellten sich alle Gruppierungen hinter das Papier.

Schon fast schwärmerisch äusserte sich FDP-Fraktionschef Bernhard Leuenberger, der Bau-, Energie- und Umweltdirektorin Barbara Schwickert (Grüne) ein Kränzchen wand und von einem «würdigen Abschluss in ihrer Karriere» sprach: Schwickert tritt bekanntlich am 27. September nicht mehr zu den städtischen Wahlen an.

2030 statt 2050?

Weniger Einigkeit herrschte dann in der Detaildebatte. Verschiedenste Änderungsanträge sorgten für eine zähe Diskussion. Die Änderungswünsche waren indes grösstenteils von nicht allzu grosser Tragweite – mit einer Ausnahme. Die Juso forderte nämlich eine radikale Änderung des vorgelegten Reglements, dass die Klimaneutralität bis 2030 statt 2050 vorgeschrieben wird. Die beiden Juso-Parlamentarier Levin Koller und Miro Meyer trugen damit eine Forderung der Klimastreikbewegung ins Parlament, die gestern vor dem Ratssaal demonstrierte.

Die beiden Jungpolitiker stiessen mit ihrem Anliegen allerdings auf wenig Verständnis. Dies auch deshalb, weil der parlamentarische Vorstoss, der das Reglement forderte, massgeblich von der Juso ausgegangen war. Und gegen dessen massgebliche Zielsetzung, Klimaneutralität bis 2050, die Jungsozialisten plötzlich opponierten. Laut Levin Koller deshalb, weil sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse seither verändert hätten. Die Forderung wurde von verschiedenster Seite aber auch einfach als unrealistisch abgetan. So sagte etwa Urs Scheuss (Grüne), dass es zwar erstrebenswert, aber nicht ehrlich gewesen wäre, einfach ein neues Ziel ins Reglement zu schreiben, wenn das gesamte Paket doch auf 2050 ausgerichtet sei. «Damit würden wir auch die Klimajugend belügen. Wir brauchen nicht einfach ein Ziel, sondern eines, das wir auch erreichen können.» Der Juso-Antrag blieb denn auch chancenlos. Stattdessen schrieb der Rat auf Antrag von SP und Grüne ins Papier, dass der Gemeinderat regelmässig aufzeigen müsse, ob die Ziele verbessert werden könnten.

Zur Schlussabstimmung über das Reglement kam es dann gestern nicht mehr, die Sitzung wurde um 23 Uhr vertragt. Ein Entscheid über das Reglement fällt also erst im September.

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Grünes Licht für Schulplanung

Hoher Besuch gestern vor Beginn der Sitzung des Bieler Stadtrats: Das Büro des Ständerats rund um Präsident Hans Stöckli (SP) stattete dem Parlament einen Besuch ab. Der ehemalige Bieler Stadtpräsident Stöckli hatte zuvor bereits seinen Nachfolger in diesem Amt, Erich Fehr (SP), im Blöschhaus besucht. Stöckli freute sich sichtlich, nach vielen Jahren wieder einmal im Stadtrat zu stehen und erinnerte sich, vor genau 41 Jahren selber erstmals ins Bieler Parlament gewählt worden zu sein. Nach Stöcklis Kurzbesuch ging der Stadtrat zur Tagesordnung über. Und die hatte es auch nebst dem Klimareglement (siehe Haupttext) in sich: Die Parlamentsmitglieder hatten über die Projektierung für eine neue Schulanlage zu befinden.

Konkret geht es um die Erweiterung der Schulanlage Champagne. Diese soll ab 2025 drei ganze Klassenzüge beherbergen, also insgesamt 24 Klassen oder gut 500 Kinder und 100 Mitarbeitende. Die Kosten für das Vorhaben werden im jetzigen Stadium auf 49 Millionen Franken geschätzt – es handelt sich also um die mit Abstand höchste Investition der Stadt in Schulraum der letzten Jahrzehnten. Gestern musste der Stadtrat aber erst einmal ein Projektierungskredit von 4,2 Millionen Franken genehmigen. Dabei war die Notwendigkeit der erweiterten Schulanlage völlig unbestritten. Dies vor dem Hintergrund der steigenden Schülerzahlen und der Tatsache, dass auf der Gurzelen in einigen Jahren eine Grossüberbauung realisiert werden dürfte mit bis zu 400 neuen Wohnungen.

Zu reden gaben allerdings einmal mehr die Kosten. Die FDP verlangte zum einen die Kürzung der Projektierungskosten auf 3,6 Millionen Franken, da ihr die budgetierten Honorare unangebracht erschienen. Zum anderen verlangten die Freisinnigen ein Kostendach für das Projekt von 40 Millionen. Mit dem ersten Antrag scheiterte die FDP, den zweiten zog sie gleich selber wieder zurück, nachdem Baudirektorin Barbara Schwickert (Grüne) erklärt hatte, dass man mit einem Kostendach auf Feld eins zurückgeworfen werden würde. Und das unter anderem erneut ein Architekturwettbewerb durchgeführt werden müsste. Zum Schluss wurde der Kredit über 4,2 Millionen mit etlichen Enthaltungen im rechts-bürgerlichen Lager deutlich genehmigt. lsg

Stichwörter: Klimapolitik, Umwelt, Biel

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