Sie sind hier

Abo

Biel

Ein Projekt, wie es Denkmalschützer lieben

Die Wohnhäuser am Unteren Quai in Biel sind teilweise über 100 Jahre alt. Eines davon wurde nun umfassend saniert – ohne dabei die Spuren der Vergangenheit auszulöschen.

Bild: zvg /ETH-Bibliothek Zürich

Carmen Stalder

Die Wohnhäuser am Unteren Quai gehören zu den schönsten in der Bieler Innenstadt. Das sieht auch die bernische Denkmalpflege so: «Kanal und Quaianlagen bilden zusammen mit den anspruchsvollen Historismusfassaden und den Vorgärten eine noble grossstädtische Achse von grosser Bedeutung für das gesamte Stadtbild», heisst es im kantonalen Bauinventar. Ein Teil dieser «noblen Achse» ist die Häuserzeile nahe des Kaufhauses Manor, zu der das Restaurant Royal gehört.

Die Wohnhäuser wurden 1902 von einem Zusammenschluss von Handwerksbetrieben erbaut. Infolge krisenbedingt schwacher Auftragslage haben sie damals nach einer Möglichkeit gesucht, ihre Mitarbeiter weiter zu beschäftigen. Malermeister Külling sowie ein Dachdecker, ein Sanitärunternehmer und zwei weitere Meisterbetriebe erwarben je eine Parzelle und erstellten darauf Liegenschaften, die danach für den eigenen Bedarf oder als Mietobjekte dienten. Diese Erzählung entstammt der mündlichen Überlieferung durch Susanna Anderegg-Külling, Enkelin des am Bau beteiligten Malermeisters, und findet sich im Bildarchiv der ETH-Bibliothek Zürich.

Das ursprünglich einheitliche Ensemble hat im Laufe der Zeit einige Veränderungen erlebt. Insbesondere die Ladengeschäfte und Hauseingänge im Erdgeschoss wurden häufig umgebaut und den aktuellen Bedürfnissen angepasst; dazu wurden Dachgeschosse ausgebaut. Die mittlere Liegenschaft mit der Hausnummer 41 befindet sich als einzige noch mehr oder weniger im Originalzustand. «Erwähnenswert sind die originalen Jugendstil-Malereien im Treppenhaus», heisst es im Bildarchiv. Genau dieses Wohnhaus hat nun im vergangenen Jahr eine Rundumerneuerung erhalten. 2019 verkauften Nachfahren der Familie Külling das Haus an den gebürtigen Bieler Klaus Adam und seine Frau Franziska Schwarz.

 

Handwerker statt Banker

Klaus Adam war ursprünglich Primarlehrer. Er hat aber auch ein Sportlehrer- sowie ein Geografiestudium absolviert und zehn Jahre bei einer Bank gearbeitet. Eines Tages merkte er: So möchte er nicht bis zu seiner Pensionierung weiterarbeiten. Er kündigte den gut bezahlten Job – und kaufte zusammen mit seiner Frau in Bern ein Wohnhaus von 1898. Aus dem Angestellten in Anzug und Krawatte wurde quasi über Nacht ein Handwerker. In den kommenden Monaten sanierte er das Haus von Grund auf und erledigte dabei möglichst viele Arbeiten selbst. Mittlerweile wohnt er gemeinsam mit seiner Familie in einer der umgebauten Wohnungen, die restlichen sind vermietet.

Das Haus am Unteren Quai ist Adams’ zweites Umbauprojekt. Zwei Jahre Arbeit stecken darin, eine Zeit, in der die Tätigkeit als Bauleiter praktisch zu einem Vollzeitjob wurde. Die Denkmalpflege hat den Umbau eng begleitet. Da es sich um ein schützenswertes Objekt handelt, muss jede Änderung abgesprochen sein. Und auch die Stadt Biel hatte als Bewilligungsbehörde einiges mitzureden. Im Gegensatz zu anderen Bauherren sei er jedoch froh um die Denkmalpfleger, sagt Adam: «Sie helfen einem, aus alter Substanz Neues zu erschaffen. Ich sehe sie nicht als Verhinderer, sondern als kompetente Fachleute.» Er dagegen hat sich zum Ziel gesetzt, die Lebensweise von heute in die alten Räume zu bringen. Davon zeugen etwa die topmodernen Küchen, die in jeder Wohnung eingebaut wurden.

 

Parkett, Stuck und Faux-bois

Auf einer Führung durch das Wohnhaus, in das ab dem 1. November die neuen Mieterinnen und Mieter einziehen werden, wird klar, wie gross die Leidenschaft von Adam für sein Projekt ist. Er zeigt auf die Malereien im Treppenhaus, die selbstverständlich unangetastet geblieben sind. Er verweist auf die alten Holzböden, den Stuck an der Decke und die mit Faux-bois verkleideten Einbauschränke – die Schranktüren wurden auf der Aussenseite so bemalt, dass es den Schein macht, als wären sie aus edlem Nussbaum- statt einfachem Tannenholz. Eine Technik, die heute viel zu kostspielig wäre.

An den Decken befinden sich kunstvolle florale Verzierungen, die teils bereits vor Jahren übermalt wurden. Ein einzelnes Quadrat hat Adam wieder zum Vorschein holen lassen: Von einer Spezialistin, die dafür während zwei Wochen in mühsamer Handarbeit die Farbe von der Decke kratzte. Wieso nimmt ein Hauseigentümer für so etwas viel Geld in die Hand? «Ich habe einfach grosse Freude daran», erwidert Adam. Es gehe ihm auch darum, Respekt gegenüber der Arbeit von früher zu zeigen.

Entsprechend wünscht sich der Hausbesitzer, dass auch die künftigen Bewohnerinnen ihr besonderes Zuhause schätzen werden. Mühe, genügend Mieter zu finden, hat er jedenfalls keine: Nur acht Tage nachdem die Wohnungen ausgeschrieben waren, seien bereits alle vergeben gewesen. Adam vermutet, dass das auch daran liegt, dass es hier nicht viele vergleichbare Wohnungen gebe. Es gebe zwar alte Wohnhäuser, diese befänden sich jedoch nicht immer im allerbesten Zustand. «Biel ist nicht so gentrifiziert wie beispielsweise Bern.» Am liebsten würde er sich schon bald dem nächsten Umbauprojekt annehmen. Nun sei jedoch erstmal Sparen angesagt.

Stichwörter: Biel, Gebäude, Denkmal, Schutz, Region

Nachrichten zu Biel »