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Biel

Ein Scherzkeks mit Humor gewürzt

Die Humortrainerin Mariette Wüst hat einen Humorautomaten erfunden, der nun die Runde durch mehrere Altersheime im Seeland machen soll. Mit witzigen Sprüchen will die Bielerin das belastete Pflegepersonal zum Schmunzeln bringen.

Bei der Übergabe: Pflegedienstleisterin Cascilla Nusbaumer, Humortrainerin Mariette Wüst und Heimleiterin Patrizia Casablanca (von links). Bild: zvg

Sarah Grandjean

Der Humorautomat spuckt Sprüche aus wie: «Natürlich spreche ich mit mir selbst! Manchmal brauch’ ich eben kompetente Beratung!», «Eine Lösung hatte ich, aber sie passte nicht zum Problem» oder «Es kommt immer anders, wenn man denkt».

Der Humorautomat ist ein umfunktionierter Chupa-Chups-Automat, der momentan im Alters- und Pflegeheim Cristal in Biel steht. Die Mitarbeitenden des Heims können dort einen «Scherzkeks» ziehen, also eine jener faustgrossen Kugeln, in denen sich normalerweise Süssigkeiten verbergen. In diesem Fall sind sie aber gefüllt mit einem Guetzli und einem der eingangs erwähnten Sprüche. Manchmal beinhalten sie auch eine kleine Aufgabe. Zum Beispiel, man solle sich im Migros einen M-Budget-Artikel kaufen und diesen im Coop in ein Regal stellen.

Der Humorautomat ist eine Erfindung der Bieler Humortrainerin Mariette Wüst. Sie will damit den Mitarbeitenden von Altersheimen etwas Gutes tun. Denn: «Seit dem Klatschen im Frühling haben wir nichts mehr für das Pflegepersonal getan.»

Wüst arbeitet beim Verein Humorcare-Inhouse, dessen Ziel es ist, die Arbeitsatmosphäre in Pflegeeinrichtungen zu verbessern. Normalerweise gibt Wüst zu diesem Zweck Humortrainings für die Angestellten. Momentan seien ihre Kolleginnen und Kollegen und sie aber «mehr oder weniger zum Nichtstun verurteilt».

Aus diesem Grund haben sie sich online zusammengesetzt und Ideen gesammelt, wie sie auf eine andere Weise das Pflegepersonal aufmuntern könnten, das seit Beginn der Pandemie unter Druck stehe. «Jetzt wäre eine humorvolle Welt wichtiger denn je», ist Wüst überzeugt. So ist die Idee entstanden, Guetzli mit einem Humorspruch in den Heimen zu verteilen. «Ich fand aber, da fehlt irgendwie der Gag», sagt sie. Diesen hat sie schliesslich auf Ricardo gefunden: Dort war ein Chupa-Chups-Automat im Angebot, der einer Gelateria in Wettingen gehörte, die der Pandemie zum Opfer gefallen ist und die nun ihre Ausstattung verkauft. Die Kugeln hat Wüst mit den Scherzkeksen gefüllt.

 

Eine gelassene Haltung

Zum Humortraining ist Wüst durch Zufall gekommen. Sie hat als Jugendliche eine Servicelehre gemacht und später als Reiseleiterin und Fachfrau Betreuung gearbeitet, ehe sie eine Ausbildung zur Kommunikationstrainerin absolviert hat. Sie stamme aus einem «heiteren Elternhaus» und sei schon als Kind humorvoll gewesen. Humor sei nicht nur in der Pflege, sondern auch in anderen Berufsfeldern wichtig, so Wüst. Ihr Team konzentriere sich aber auf Schulungen für das Gesundheitspersonal, weil sie alle aus diesem Bereich stammten. In der Pflege erlebe man immer wieder schwierige und belastende Situationen. Etwa, wenn Patienten unter Schmerzen leiden oder sich in ihrer eigenen Welt verschliessen. In solchen Momenten sei es wichtig, ein Werkzeug zur Hand zu haben, um mit der Situation zurechtzukommen. Helfen könne etwa ein Perspektivenwechsel. Das gelte auch für die Pandemie per se: «Klar ist diese Zeit schwierig und sie dauert schon ewig. Aber man kann es ja auch von einer anderen Seite betrachten.» Dass viele Leute «heruntergefahren» sind und sich mehr mit sich selbst beschäftigen, weil zahlreiche Ablenkungen wegfallen, könne durchaus ein positiver Effekt sein.

Humor habe zwei Seiten, sagt Wüst. Die eine ist die Kommunikation, die andere die Haltung. Humorcare-Inhouse konzentriere sich vorwiegend auf den zweiten Bereich. «Humor heisst nicht, ständig Witze zu reissen und zu lachen.» Es gehe vielmehr um die Haltung den Bewohnerinnen und Bewohnern gegenüber. Das Ziel ist, eine heitere Gelassenheit zu finden, um besser mit schwierigen Situationen umgehen zu können.

 

Mit Humor gegen Stress

Letzte Woche hat Wüst den Humorautomaten ins Alters- und Pflegeheim Cristal gebracht, wo er noch einige Tage bleiben wird. Heimleiterin Patrizia Casablanca sagt, sie sei Feuer und Flamme gewesen, als Mariette Wüst sie angefragt hat, ob sie den Humorautomaten im Cristal aufstellen wolle. Er werde täglich gebraucht, sie selbst habe auch schon zwei Kugeln gezogen. Die Zitate und kleinen Aufträge würden einen aufstellen und gegen Stress helfen, indem sie den Fokus ändern. Die Aktion ist für sie ein Zeichen der Anerkennung für alle Mitarbeitenden des Cristal, die seit Beginn der Pandemie täglich eine Menge leisten und oft unter Druck stehen. «Das ist total schön», sagt sie begeistert. «Humor bringt einen durch die Pandemie.»

Wüsts Ziel ist es, dass ihr Humorautomat die Runde durch mehrere Heime im Seeland machen wird. Interessierte können sich direkt bei ihr melden, die Aktion ist für sie kostenlos. Wüst hofft, Sponsoren für ihr Projekt zu finden – denn momentan bezahlen es sie und ihre Kolleginnen und Kollegen aus der eigenen Tasche. Einer ihrer Lieblingssprüche ist übrigens der folgende: «Ein kleiner Tipp: Mit Socken durch die Wohnung schlurfen ist auch irgendwie putzen.»

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