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Jurafrage

Ein Sieg für die Zweisprachigkeit

Dank dem deutlichen Nein zu Fusionsverhandlungen mit dem Kanton Jura ist die Berner Zweisprachigkeit garantiert, davon sind die Seeländer Politiker überzeugt. Sie warnen aber Moutier: Ein Abfall von Bern könnte der Stadt schaden.

Seeländer Politiker freuen sich über das klare Nein im Berner Jura. Im Bild: Michel Walthert gibt die Resultate bekannt. og

Fabian Maienfisch

Ein Aufatmen ging durch den Kanton Bern, als am Sonntagabend die offiziellen Resultate aus dem Berner Jura eintrafen: Mit knapp 72 Prozent der Stimmen lehnten die Bernjurassier Fusionsverhandlungen mit dem nördlichen Nachbarn ab. Es wird keinen neuen Grosskanton Jura geben. Im Seeland haben Politiker aller Couleur erfreut auf diese Nachricht reagiert. Für alle bedeutet dies eine Stärkung der Zweisprachigkeit.

Sorgen bereitet ihnen jedoch das Votum in Moutier. Dort sagten 55 Prozent der Stimmenden Ja zu Fusionsverhandlungen mit dem Kanton Jura. Der Stadtpräsident von Moutier, Maxime Zuber (PSA), liess sich in Folge zur Aussage hinreissen, dass seine Stadt nun nicht mehr länger eine bernische Gemeinde sei. Doch die Politik warnt: Moutier würde viel verlieren, sollte es von Bern abfallen.

Stärkung der Minderheit
«Es war ein historischer Tag», sagt Anne-Caroline Graber rückblickend. Die SVP-Grossrätin aus Neuenstadt war am Sonntag im Regierungsstatthalteramt in Courtelary anwesend, als die Berner Regierung die Resultate verlas. Zwar habe sie mit einem Nein gerechnet, «als es aber eintraf, fiel mir ein Stein vom Herzen». Ganz selbstverständlich sei die hohe Ablehnung indes nicht gewesen, fährt sie fort. «Die Separatisten haben im Vorfeld der Abstimmung enorm mobilisiert.» Es sei den Bemühungen der Berntreuen zu verdanken, dass das Resultat am Ende trotzdem so deutlich ausgefallen sei, so Graber.

«Das ist ein super Resultat», sagt der Bieler SP-Ständerat Hans Stöckli (siehe Zweittext). Für Biel und die zweisprachige Region sei das ein hervorragendes Ergebnis. Dadurch werde nicht nur der Berner Jura und die frankophone Minderheit gestärkt, sondern auch ganz direkt die Stadt Biel und ihre Stellung im Kanton Bern. Das sieht auch BDP-Grossrat Heinz Siegenthaler aus Rüti so, der sich stets für einen Verbleib des Berner Juras bei Bern einsetzte. Das deutliche Resultat sei äusserst wichtig, weil dies die Zweisprachigkeit des Kantons sichere, und das wiederum sei von grösster Bedeutung für die Brückenfunktion des Kantons Bern, betont er.

Alle Gemeinden können wechseln
Für Siegenthaler gibt es jedoch einen Wermutstropfen: nämlich Moutier. «Ich habe erwartet, dass es in Moutier knapp wird, aber auch, dass dort die Fusionsverhandlungen abgelehnt werden.» Es wäre wünschenswert gewesen, wenn dieses Thema endlich hätte abgeschlossen werden können. «Jetzt geht es halt noch weiter.» Diesen demokratisch gefällten Entscheid müsse man akzeptieren.

Anders schätzt Stöckli die Situation ein. Eigentlich habe er ein deutlicheres Ja erwartet, «55 Prozent sind eher bescheiden». Dass Moutier ein Gesuch für einen Kantonswechsel stellen wird, daran zweifelt er nicht. Ebenso wenig zweifelt Graber daran. Dass die Bevölkerung von Moutier am Sonntag aber Ja zu Fusionsverhandlungen gesagt habe, bedeute noch lange nicht, dass am Ende auch ein Ja für einen Kantonswechsel resultieren werde, sagt sie weiter.

Nicht nur Moutier, alle 49 bernjurassischen Gemeinden haben nun zwei Jahre Zeit, bei der Berner Regierung einen Kantonswechsel zu beantragen. Die Regierung wird in Folge zusammen mit dem Kanton Jura und der Eidgenossenschaft ein Verfahren ausarbeiten, das einen Kantonswechsel regelt. Diesem Verfahren wird das Berner Parlament zustimmen müssen. In den betroffenen Gemeinden wird zu dieser Frage zwingend nochmals eine Volksabstimmung durchgeführt. Gemeinden aus dem Kanton Jura dürfen den Kanton hingegen nicht wechseln. Bis jetzt ist völlig offen, welche bernjurassischen Gemeinden Interesse an einem solchen Schritt haben. Ausser in Moutier gab es lediglich in Belprahon ein knappes Resultat. Dort sagten 50 Prozent der Bewohner Ja zu Fusionsverhandlungen mit dem Kanton Jura.

«Einiges zu verlieren»
Was einen möglichen Kantonswechsel von Moutier angeht, warnt Siegenthaler: «Die Stadt hat einiges zu verlieren.» Beispielsweise sei der Fortbestand des Spitals bei einem Weggang nicht mehr gewährleistet. Auch sei fraglich, ob der Kanton Jura äquivalenten Ersatz für die Berner Kantonsverwaltung wird anbieten können. «Ich glaube aber, dass dies eher eine emotionale als eine sachliche Abstimmung geben wird.» Ständerat Stöckli sieht dieselben Gefahren auf Moutier zukommen wie Siegenthaler. Zudem sei die Stadt im Berner Jura die grösste und wichtigste Gemeinde und geniesse – zusammen mit der ganzen Region – Autonomie. Im Kanton Jura hingegen sei sie nur noch eine von vielen Gemeinden und ohne Sonderrechte. Stöckli ist überzeugt: «Die Behörden von Moutier gehen ein grosses Risiko ein, wenn sie einen Kantonswechsel beantragen.»
Graber würde einen Absprung Moutiers ebenfalls als grossen Verlust verstehen, sowohl für den Berner Jura als auch für den Kanton und für die frankophone Berner Minderheit. «Jetzt ist es von Bedeutung, den Leuten von Moutier das Gefühl zu geben, dass sie für uns wichtig sind», sagt sie. Die Aufgabe der Politiker sei es nun, die Bevölkerung über die möglichen Risiken zu informieren. Am Ende werde man aber jeden demokratischen Entscheid akzeptieren müssen.

 

Jura-Verfassung fordert Berner Boden
Das Nein im Berner Jura zu Fusionsverhandlungen hat die Ausgangslage für die revidierte Verfassung des Kantons Jura deutlich verändert. Im Sommer 2012 fügte das jurassische Parlament seiner Verfassung einen neuen Artikel hinzu. Der Artikel 139 verpflichtet die jurassische Regierung aktiv auf einen neuen Kanton Jura – bestehend aus dem heutigen Kanton Jura und dem Berner Jura – hinzuarbeiten. Indirekt erhebt der Kanton Jura dadurch Anspruch auf Berner Territorium. Ständerat Hans Stöckli (SP, Biel) machte den Bundesrat kurz nach der Veröffentlichung der revidierten Verfassung auf die Problematik dieses Artikels aufmerksam: Die revidierte Jura-Verfassung verstosse womöglich gegen die Bundesverfassung. Denn es ist der Bund, der den Kantonen ihre territoriale Integrität garantiert. Tatsächlich sieht auch der Bundesrat ein Problem mit dem Artikel 139: Es handle sich um einen permanenten Gebietsanspruch auf Berner Boden. Stöckli hofft nun, dass die jurassische Regierung ihre Verfassung nochmals überarbeitet und den umstrittenen Artikel 139 kippt. «Tut sie dies nicht, haben wir ein Problem.» Der Bund werde dieser Verfassung so nicht zustimmen können, warnt er. Dann hätte der Kanton Jura zum zweiten Mal einen ungültigen Artikel in der Verfassung. Bereits in den 1970er-Jahren lehnten die Eidgenössischen Räte einen ähnlichen Artikel der Juraverfassung ab. Das sei politisch kein gutes Zeichen für den Kanton Jura, ist Stöckli überzeugt. Die Teilrevision liegt nun im Schweizer Parlament auf.

Kommentare

Georges

Das hinterlässt mir kein gutes Gefühl, wenn die Seeländer Politiker davon überzeugt sind. Und was soll die Warnung? Klingt irgendwie wie eine Erpressung…


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