Sie sind hier

Abo

Wohnen auf dem See

Eine Ferienwohnung mit Seesicht

In der Schweiz sind Hausboote verboten. Das bedeutet aber nicht, dass man grundsätzlich nicht auf einem Schiff leben kann. Am besten nutzt man dazu sein Boot als Ferienhaus. Wie das funktioniert, zeigt ein Beispiel aus Biel.

Eine Art Ferienwohnung an zentraler Lage: Die Jacht «Florida» liegt an der Mole im Bieler Kleinbootshafen. Bild: Peter Samuel Jaggi

Peter Staub

Wer in Biel eine Wohnung mit Seeblick sucht, hat Mühe, ein günstiges Objekt zu finden; die Stadt ist nicht ans Wasser gebaut. Ausser in Vingelz, doch dort ist das Angebot sehr beschränkt. Was liegt also näher, als den gewünschten Seeblick vom Wasser aus zu realisieren? Etwa mit einem Hausboot. Das Wohnen auf dem Wasser ist spätestens seit 1968 populär, als die Hippies begannen, dies als alternative Wohnform vorzuleben: In Amsterdam oder San Francisco gehören Hausboote zum städtischen Lebensstil.

In der Schweiz wären Hausboote allenfalls eine Option, um gegen die Wohnungsnot anzugehen, wie sie in Zürich oder Genf herrscht. Allerdings sind in der Schweiz Hausboote grundsätzlich «nicht zugelassen».

Verworrene Rechtslage
Als einzige Möglichkeit bleibt sich eine grosse Jacht zu kaufen und diese als Wohnung zu nutzen. Denn das ist theoretisch möglich, wie Fritz Brünisholz, Fachbereichsleiter der Seepolizei des Kantons Bern, dem BT auf Anfrage sagt. Es gibt allerdings auch dazu gewisse Auflagen, die erfüllt sein müssen. Der Liegeplatz des Schiffs muss behördlich zugelassen sein. «Falls ein Boot einfach an einem wilden Platz liegen würde, würden wir dagegen vorgehen», sagt Brünisholz. Und selbstverständlich müsse ein allfälliger Bewohner einer Jacht in einer Gemeinde angemeldet sein.

Deshalb sei es nicht möglich, dass jemand ein Boot zu seinem Wohnsitz mache, sagt Michel Zbinden. Er ist bei der CTS für den Bieler Kleinbootshafen zuständig. Niemand könne bei der Einwohnerkontrolle einen Schiffsplatz als seine Wohnadresse angeben.

Praktisch unmöglich
Diese Aussage wird jedoch durch André Glauser, Leiter der Abteilung Öffentliche Sicherheit der Stadt Biel, relativiert. Auf Anfrage des BT hat er sich genauer mit diesem Fall befasst: Eine Person, die auf einem Boot lebt und in der Schweiz noch keine Niederlassung hat, muss sich in der Gemeinde anmelden, in der sie sich mehr als drei Monate pro Jahr aufhält. Falls dafür mehrere Gemeinden in Betracht kommen, sei der Meldeort die Gemeinde, in der sich die Person am längsten pro Jahr aufhalte, sagt Glauser. Hält sich eine Person jedoch nirgends länger als drei Monate auf, ist sie gemäss Glauser nicht meldepflichtig. Mit seinem Schiff auf einem der drei Juraseen alle zwei, drei Monate für längere Zeit auf einem neuen, zugelassenen Platz anlegen zu können, ist allerdings praktisch unmöglich, da es dafür kaum genügend verfügbare Plätze gibt.

Laufender Fernseher
Regelmässige Spaziergänger auf der Mole beim Bieler Kleinbootshafen kennen ziemlich sicher das Motorboot mit dem Namen «Florida». Nicht wenige dieser Flaneure dürften sich schon einmal gefragt haben, ob da eigentlich ständig jemand wohnt. Schliesslich liegt das Boot seit bald zwei Jahren fast immer am gleichen Ort. Und selbst in der aktuellen kalten Jahreszeit sieht man hin und wieder abends durch die Lamellenstoren, dass im Salon der Fernseher läuft.

Das BT hat mit Rolf Bichsel* gesprochen, der dort regelmässig mit seiner Freundin übernachtet. Nein, sagt Bichsel, der nicht mit dem richtigen Namen in der Zeitung erscheinen will, die «Florida» sei nicht sein Hauptwohnsitz. Er bewohne mit seiner Partnerin zusammen ein Studio in Biel und sei dort auch angemeldet. Aber es sei schon so, dass sie gerne im Kleinbootshafen übernachten. Er habe das schon früher auf dem Murtensee so gemacht, bis er aus familiären Gründen nach Biel gekommen sei. Ihm gefalle es, gelegentlich dort zu leben. Es sei ein wenig wie auf einem Campingplatz.

Der Hafenmeister Zbinden kennt Bichsel gut, schliesslich liegt das Schiff seit längerer Zeit auf einem sogenannten Saisonplatz. Das ist eine Variante zwischen einem festen Liegeplatz und einem Gästeplatz. Der Bootsinhaber bezahlt für eine ganze Saison, hat aber keinen Anspruch auf einen speziellen Platz. Das heisst, wenn er auf den See rausfährt und zurückkommt, kann es sein, dass sein Platz von einem anderen Boot besetzt ist.

Im Gegensatz zu einem Gästeplatz sind die Kosten pro Tag um einiges tiefer. Zbinden sagt, ein Saisonplatz koste pro Jahr knapp eineinhalbmal so viel wie ein fester Liegeplatz der gleichen Grösse kosten würde. Zbinden hat nichts dagegen, dass die beiden jüngeren Leute regelmässig auf der «Florida» übernachten. Es gebe im Mietreglement auch keine Klausel, wonach dies nicht gestattet sei. Auch Seepolizist Brünisholz kennt die «Florida». Am kantonalen Polizeitag Anfang September legte die Seepolizei mit dem Patrouillenboot «Ariane II» genau dort an, wo sonst die «Florida» liegt. Solange die temporären Bewohner des Bootes niemanden stören, gebe es für die Seepolizei keinen Grund, Massnahmen zu ergreifen.

Nur gute Reaktionen
Bisher habe er von Passanten oder anderen Schiffsführern im Kleinbootshafen nur positive Rückmeldungen dazu erhalten, dass er und seine Freundin öfter auf der «Florida» übernachten, sagt Bichsel. Die Schiffseigentümer seien froh, dass er in der Nacht auch einmal zum Rechten schaue. Und dies ist offensichtlich nötig, wie Bichsel berichtet. Gerade im Sommer sei in der Nacht auf der Mole ziemlich viel los. Etwa ab 23:00 Uhr gehe es los: «Die Jugendlichen nehmen die Getränke mit einem Wägelchen mit auf die Mole hinaus», erzählt Bichsel. Und wenn sie dann gegen zwei, drei Uhr morgens wieder zurückkommen, würden ab und an mal leere Flaschen zu den Schiffen im Kleinbootshafen hinüberfliegen. «In solchen Fällen werde ich dann schon mal laut», sagt Bichsel.

Die Stürme nerven
Die Spaziergänger, die auf der Mole an der «Florida» vorbeiflanieren, würden sich vor allem dafür interessieren, wie die Bewohner mit den engen Verhältnissen unter Deck zurechtkommen. Und da sie im Hafen unauffällig leben würden, habe es bisher keine Reklamationen gegeben.

Eigentlich gibt es nur etwas, das Bichsel auf dem schwimmenden Ferienheim nervt. In den letzten Jahren seien die Stürme immer heftiger geworden. Das habe sich auch während des Turnfestes wieder gezeigt. Und wenn dann die sechs Tonnen schwere Jacht an den Leinen zerre und reisse, sei es «nicht mehr lustig». Bei aller Freude am Abenteuer sei es dann besser, sich ins Studio in der Stadt zurückzuziehen.

*Name von der Redaktion geändert

 

Das zeitweise Wohnen auf Jachten ist erlaubt
• Die gesetzlichen Bestimmungen über Hausboote findet man in der Binnenschifffahrtsverordnung.
• Es sind zwei Artikel, die zumindest teilweise Antwort geben: Artikel 17: Ein «Schiff zu Wohnzwecken» ist ein Schiff, das «so eingerichtet und ausgerüstet ist, dass es zum Zweck des ständigen Wohnens an Bord benutzt werden kann». Artikel 96, Absatz 2: Schiffe, die «überwiegend für Wohnzwecke bestimmt sind», zum Beispiel Haus- oder Wohnboote, sind nicht zugelassen.
• Diese beiden Artikel sind vor allem wichtig, wenn es um die Zulassung auf einem Schweizer Gewässer geht. Sobald ein Schiff ein Nummernschild erhält, hat der Eigentümer damit auch das Recht, sein Boot einzuwassern.
• Damit ist nicht geklärt, wie lange man auf einer Jacht leben darf, die nicht zum Wohnen gedacht ist.
• Auf jeden Fall darf man sein Schiff als Ferienwohnung benützen. Ob man sich mit einem Schiffsplatz in einer Gemeinde anmelden kann, wird wohl die Gemeinde entscheiden müssen.

Nachrichten zu Biel »