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Wochenkommentar

Eine Pflicht für zweisprachige Werbung? Wirklich?

Damit hat sich die Bieler Regierung in die Nesseln gesetzt. Und muss so einiges an Spott über sich ergehen lassen. Da verlangt der Gemeinderat doch tatsächlich, dass Werbung im öffentlichen Raum der Stadt künftig zwingend zweisprachig sein muss. Es handelt sich dabei nicht um eine Empfehlung, nein, die Regierung will ihr Werbereglement tatsächlich so anpassen, dass nur noch zweisprachige Plakatwerbungen erlaubt sind.

Parzival Meister Redaktionsleiter, stv. Chefredaktor

Parzival Meister

Das Unterfangen löst Kopfschütteln aus. Hier ein Seitenhieb gegen den Vorschlag des Gemeinderates, da eine abschätzige Bemerkung gegen dieses als unsinnig titulierte Vorhaben. «Es gäbe wichtigere Probleme zu lösen», schimpfen sie in den Kommentarspalten.

Tatsächlich muss sich der Gemeinderat kritische Fragen gefallen lassen. Denn noch steht nicht einmal fest, ob so ein Reglement überhaupt umgesetzt werden könnte. Und selbst wenn der Vorschlag die juristische Vorprüfung übersteht: Was bringt diese Zwängerei? Zweisprachigkeit sollte als etwas Bereicherndes wahrgenommen werden. So aber läuft man Gefahr, dass aus ihr ein lästiges Muss wird. Und sowieso: Es macht nicht in jedem Fall Sinn, eine Werbung zweisprachig zu gestalten. Warum sollte zum Beispiel eine deutschsprachige Lesung mit einem zweisprachigen Plakat beworben werden? Würden dadurch nicht falsche Erwartungen erweckt?  Und fühlt sich ein Romand tatsächlich ausgeschlossen, wenn er in grossen Lettern «20% Rabatt» statt «20% Rabais» liest? Zeichnet sich die Zweisprachigkeit in Biel nicht gerade dadurch aus, dass man sein Gegenüber versteht, egal, ob die Person nun Deutsch oder Französisch spricht?

Die Kritiker äussern auch wirtschaftliche Bedenken: Lohnt es sich für ein nationales Unternehmen, für Biel eine Sonderwerbung zu produzieren? Daran zumindest glaubt Roland Ehrler nicht. Er ist Direktor des Schweizer Werbe-Auftraggeberverbandes und äusserte sich diese Woche gegenüber dem BT sehr kritisch zu den Plänen der Stadt. Er sagt auch, dass grosse Markenunternehmen Biel in ihrer Werbeplanung einfach weglassen könnten und die Stadt dadurch Einnahmen verlieren würde.

Nun, es gibt zig Argumente gegen das Vorhaben der Stadt, die nicht von der Hand zu weisen sind. Ebenso sind zu viele Fragen offen, wie welcher Sonderfall geregelt werden soll. Zu Ende gedacht ist das Unterfangen noch nicht.

Und trotzdem ist das Vorpreschen der Bieler Regierung genau der richtige Weg. Glauben Sie denn, eine Sensibilisierungskampagne aus dem kleinen Biel würde die grossen Werbeauftraggeber in Zürich zum Umdenken bewegen? Glauben Sie denn, dass der sprachliche Sonderfall Biel bei den Werbern überhaupt bekannt ist? Oder sie sich mit den Bieler Eigenheiten auseinandersetzen wollen? Spätestens bei einer Zweisprachigkeits-Pflicht könnten sie sich diesen nicht mehr entziehen.  Und es gibt sehr gute Beispiele dafür, dass es manchmal genau solche Zeichen aus der Politik braucht, um die Privatwirtschaft zum Umdenken zu bewegen. Denken wir an die Plastiksäckli in den Supermärkten. Die grossen Detailhändler haben nicht einfach so beschlossen, die Säckli nicht mehr gratis abzugeben und auf Recyclingmaterial umzusteigen. Die nationalen Parlamente haben ein Säckli-Verbot beschlossen, bevor die Branche eine eigene Lösung präsentierte und einem gesetzlichen Zwang damit zuvorkam.

Die Bieler Regierung macht mit ihrer Reklamereglements-Revision deutlich, dass es ihr ernst ist mit ihrem Anliegen. Sie stellt nicht einfach eine Bitte, sondern ist bereit, in den Ernstkampf zu gehen. Alleine dieses Vorgehen wird schon Wirkung zeigen. Nun mag manch einer sagen, dass zweisprachige Werbung, auch wenn sie konsequent umgesetzt wird, noch lange nicht zu einer Förderung der Zweisprachigkeit führt und es etliche Projekte gäbe, die mehr Wirkung erzielen würden. Damit könnten die Kritiker sogar Recht haben. Doch hier in Biel ist man zu Recht stolz auf seine Zweisprachigkeit. Hier geht es nicht um Minderheitenschutz, sondern um ein Lebensgefühl, in einer Stadt zu leben, in der sich zwei Sprachen ebenbürtig sind. Was wäre das für eine Regierung, die die Werte der Stadt, deren Vertreterin sie ist, nicht mit ganzem Herzen vertreten würde? Selbst, wenn sie damit auch mal übers Ziel hinausschiesst…

pmeister@bielertagblatt.ch

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