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Praktische Erfahrung

Engere Verbindung
zwischen Berufsschule und Industrie

Die Lernenden der Technischen Fachschule Biel nehmen während ihrer Ausbildung an Praktika in Industrieunternehmen teil. Die bewährte Formel erfordert Kontaktpflege zwischen der Bildungseinrichtung und der Arbeitswelt.

Anaïs Ryser durfte während ihres letzten Ausbildungsjahres an der Technischen Fachhochschule Biel zwei Praktika in Industriebetrieben absolvieren. Damit hat sie ihr professionelles Rüstzeug für den Arbeitsalltag verbessert. Bild: Peter Samuel Jaggi

Nicole Hager/pl

In den Räumlichkeiten der Technischen Fachschule Biel herrscht feierliche Stille. Dabei beherbergt die Berufsbildungsanstalt 180 Lernende, von denen rund 60 das Uhrmacherhandwerk lernen. In den verschiedenen Werkstätten wird emsig an den Herstellungsschritten der Zeitmesser gearbeitet.

 

Luxusmarke
und Kleinbetrieb

Anaïs Ryser steht im vierten und letzten Lehrjahr. Ihr lichtdurchfluteter Arbeitsplatz befindet sich hinter einer breiten Fensterfront. Die junge Frau aus Reconvilier hat soeben zwei Praktika von mehreren Wochen in Industrieunternehmen absolviert: eines bei einer Bieler Luxusmarke, das andere in einem kleineren Betrieb in Tramelan. Ryser berichtet über gute Erfahrungen. Die Zeit im Berner Jura hat ihr besonders gefallen: «Ich lernte verschiedene Unternehmensbereiche kennen, vom Kundendienst über die Produktion bis zur Mikromechanik.»

Die Zwanzigjährige freut sich, dass sie im letzten Lehrjahr zweimal in die Arbeitswelt eintauchen durfte. Ihre Kolleginnen und Kollegen hatten weniger Glück, denn die vorgesehenen Praktika wurden wegen der Pandemie verschoben oder abgesagt.

Philipp Wittwer, der Leiter der Uhrmacherausbildung an der Technischen Fachschule, hat die bewährte Formel der Betriebspraktika neu belebt. Er ging auf Werbetour und überzeugte die Unternehmer, junge Menschen in ihrem Betrieb aufzunehmen. «Jeder Lernende sollte während der Fachschul-Ausbildung ein- oder zweimal Erfahrungen in der Praxis sammeln», so Wittwers Forderung.

«Im direkten Kontakt mit den Fachkräften der Industrie lernen die Jugendlichen die Leistungsanforderungen in der Privatwirtschaft kennen», ergänzt Guillaume Mamie, der als Ausbildner das vierte Lehrjahr an der Fachschule betreut.

Der Jurassier ist bestrebt, eine möglichst gute Übereinstimmung zwischen den Lehrlingen und den Erwartungen der Unternehmer zu finden: «Ich weiss, was draussen verlangt wird. Wenn ich zwei geeignete Lernende vorschlage, entscheidet die Firma, wer die Praktikumsstelle bekommt.»

 

Von erfahrenem Uhrmacher begleitet

Anaïs Ryser hat neun Wochen im Betrieb von Tramelan verbracht. Dabei wurde sie von einem erfahrenen Uhrmacher begleitet, der früher Ausbildner an der Technischen Fachschule Biel war. Hier zeigt sich die lebendige Tradition der Branche, die ihr Wissen stets an die folgende Generation weitervermittelt. Ryser nimmt aus ihrem zweimonatigen Aufenthalt als Arbeiterin bei einem Bieler Luxusuhren-Hersteller zwei Erfahrungen mit: Sie lernte den Rhythmus einer industriellen Produktionslinie kennen, und sie konnte sich dabei auf ihre soliden Fähigkeiten, die sie an der Fachschule erworben hat, abstützen.

Ohne Zweifel bieten Betriebspraktika den Jugendlichen, die ihre gesamte Ausbildung an der Technischen Fachschule durchlaufen, einen ausgezeichneten Einblick in die Berufswelt. Aber ebenso profitiert die Industrie von diesem Austausch: Der wichtige Wirtschaftssektor lernt eine Auswahl an talentierten Nachwuchskräften kennen, die dereinst als Mitarbeitende infrage kommen.

 

Unsichere Zukunft
wegen der Pandemie

Die Praktika werden in zwei Formaten angeboten: Das erste dauert einen Monat, das zweite bis zu sechs Monaten. Das Entgelt entspricht dem Lehrlingslohn. In dieser Zeit besuchen die Lernenden während anderthalb Tagen pro Woche den Theorieunterricht an der Fachschule Biel. Die Berufsausbildung im Uhrmacherhandwerk wird nur in französischer Sprache angeboten.

Philipp Wittwer will die Verbindung zwischen Schule und Arbeitswelt auch in Zukunft pflegen. Dabei hilft ihm sein breites Netzwerk von Kontakten zur Industrie. Trotzdem wiegt er sich nicht in Sicherheit: Die Zusammenarbeit sei wesentlich von der Konjunktur abhängig. Und diese ist gerade in diesen Zeiten unsicher.

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