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Mein Montag

Er fährt auch dann, wenn nur Tauben und Katzen unterwegs sind

Thomas Schneider fährt seit 13 Jahren als Buschauffeur durch Biel. Die leeren Strassen
der vergangenen Wochen haben ihn an einen Kriegsfilm erinnert.

Thomas Schneider arbeitet bei den Verkehrsbetrieben Biel, Seit er 25 Jahre alt ist. Bild: Peter Samuel Jaggi
  • Dossier

Aufgezeichnet: 
Carmen Stalder

Die Linie 2 ist meine Lieblingsstrecke. Man ist zwar in der Stadt, kann aber auch etwas über Land fahren. Vom Bahnhof geht es Richtung Bözingen, beim Hornbach vorbei und zum Orpundplatz. Dann fährst du die genau gleiche Strecke wieder retour in die Stadt. Und vom Bahnhof fährst du ins Möösli. Die ganze Runde dauert etwa eine Stunde, es ist also eine eher lange Strecke. Und du kannst den Bus auch einmal etwas drücken. Du musst nicht immer anhalten, abfahren, bremsen, Gas geben. Du kannst die Rösser etwas gehen lassen.

Als die Pandemie angefangen hat, hatte es in den Bussen fast keine Leute mehr. Sie sind lieber zu Fuss gegangen, haben das Auto oder das Velo genommen. Es hiess ja gleich zu Beginn, dass man die öffentlichen Verkehrsmittel meiden solle. Ich bin dann quasi leer gefahren, das war schon einschneidend. Gerade während des Spätdiensts hat man auf den Strassen keine Menschenseele gesehen. Manchmal ist eine Taube vorbeigeflogen oder eine Katze über die Strasse spaziert. Für mich hat sich das komisch angefühlt, irgendwie wie in einem Kriegsfilm. Eine sehr spezielle Zeit.

Die Arbeit als Buschauffeur wurde durch das Coronavirus etwas einsam. Normalerweise ist der Sitz vorne rechts fast immer besetzt. Jetzt ist die erste Reihe mit einem Band abgesperrt und die vordere Tür bleibt geschlossen. Es gibt nur zwei Ausnahmen, in denen wir sie öffnen: Für blinde Menschen, wenn sie auf dem weissen Viereck bei den Haltestellen stehen. Und wenn wir eine Ablösung haben. Diese Regeln geben mir zwar eine gewisse Sicherheit. Für uns Chauffeure und Chauffeusen finde ich es gut, dass wir so vor dem Coronavirus geschützt werden. Gleichzeitig ist aber auch der Kontakt zu den Passagieren etwas verloren gegangen. Sonst gibt es immer Fahrgäste, die nach vorne kommen, um Hallo zu sagen und ein paar Sätze auszutauschen. Wenn nun jemand etwas zu einem Billett wissen möchte oder wenn er fragen will, wohin der Bus fährt, dann kommt es vor, dass ich ihn wegen des Abstands nicht richtig verstehe.

Gerade unter den älteren Passagieren gibt es solche, die sich nach dem Einsteigen nicht einfach hinsetzen. Sie wollen auf dem Platz sitzen, auf dem sie immer sind. Wenn sie auch noch einen Rollator haben, dauert das eine Weile. Ich frage dann extra nach, ob ich abfahren kann, denn ich habe keine Lust, einen Rapport zu schreiben. Das muss man nämlich machen, wenn jemand umfällt. Wenn ich derzeit sehe, dass ältere Leute unterwegs sind, denke ich schon, dass die eigentlich nicht Busfahren sollten. Aber man kann sie ja nicht zuhause einsperren. Wenn sie niemanden mehr haben und auf sich alleine gestellt sind, gehen sie halt trotzdem nach draussen. Ich finde, dass auch nach dem Ausbruch des Coronavirus stets viele ältere Menschen unterwegs waren.

Meine Aufgabe ist grundsätzlich, Bus zu fahren. Ich muss mich auf die Strasse konzentrieren, auf die Autos, Fussgänger, Velos und neuerdings auch auf die elektrischen Trottinette. Dabei habe ich keine Zeit, um zu kontrollieren, ob sich die Passagiere an die Distanzregeln halten. Ich spreche einen Fahrgast nicht darauf an, wenn er den Abstand zu einem anderen nicht einhält. Das ist nicht die Aufgabe des Buschauffeurs, ich spiele nicht den Polizisten. Ich würde mich allerdings schon sicherer fühlen, wenn alle Passagiere eine Schutzmaske tragen würden. Wenn ich müsste, würde ich natürlich auch selbst eine tragen.

Wenn jemand im Bus sitzt, der kränklich wirkt, öffne ich das Fenster oder mache kurz die vordere Türe auf, um etwas frische Luft hereinzulassen. Ausserdem drehe ich mich zur Seite, wenn jemand hustet oder niest. Wenn jemand mit dem Rollstuhl einsteigen will, lasse ich die Rampe hinunter und gehe zwei Schritte zurück. Braucht die Person Hilfe beim Hineinfahren, ziehe ich Handschuhe an. Dann geht es eben eine Minute länger. Aber die meisten Rollstuhlfahrer können das alleine. Wir haben die Weisung erhalten, immer die Hände zu desinfizieren, sobald wir ins Depot zurückfahren. Dafür hat es in jedem Fahrzeug ein Desinfektionsmittel für die Chauffeure, das ist neu. Dagegen haben wir schon vor der Pandemie vor jeder Ablösung kurz das Lenkrad gereinigt. Dabei geht es auch um Respekt gegenüber den Kollegen und Kolleginnen.

Zu Beginn der Krise habe ich noch gedacht, dass das Coronavirus nicht schlimmer ist als eine normale Grippe. Als dann der Bundesrat vor die Medien getreten ist, habe ich gemerkt: Hoppla, da ist etwas dran, das darfst du nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die Situation hat mich zum Nachdenken gebracht, aber man sollte auch nicht in Panik verfallen.

Mittlerweile sind schon wieder mehr Menschen unterwegs. Letzte Woche haben wir vom Pandemie-Fahrplan zum Ferien-Fahrplan gewechselt. Bei den Verkehrsbetrieben Biel geht es langsam zurück in die Normalität.

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