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Biel

Er fordert seinem Körper alles ab

Der 21-jährige Josua Sabato hat nur ein Ziel: Möglichst viel Muskelmasse aufzubauen. Kürzlich hat der Bieler an seinem ersten Wettkampf im Natural Bodybuilding teilgenommen – und hat dafür viel riskiert.

Josua Sabato verbringt fast täglich bis zu drei Stunden im Fitnessstudio. Bild: zvg
  • Dossier

Aufgezeichnet: Carmen Stalder

Während der Schulzeit war ich hyperaktiv und konnte mich nicht still halten. Deshalb habe ich etwas gesucht, um meine Energie loszuwerden. Fitness eignet sich da sehr gut. Früher war ich ausserdem etwas dick und wurde gemobbt. Also wollte ich etwas Gutes tun für meinen Körper. Jedes Mal wenn ich im Fitness war, konnte ich meine Gedanken und den ganzen Stress des Tages loslassen. Ich konnte mich auspowern und danach gut schlafen, was davor aufgrund meiner Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung ADHS nicht so geklappt hat. Ich ging immer öfter trainieren, weil es mir so gutgetan hat. Heute wüsste ich gar nicht mehr, was ich ohne Training machen würde. Es ist meine Passion. Ich mache es mir selbst zuliebe und habe einfach Freude daran. Klar, es füllt sehr viel meiner Freizeit aus. Da ich aber nur 60 Prozent als Pflegefachmann bei der Spitex arbeite, funktioniert das bei mir gut.

Beim Natural Bodybuilding spielt die Ernährung eine wichtige Rolle. Ich tracke alles, das ich esse: Bei jedem Lebensmittel halte ich fest, wie viele Kalorien es hat, wie viele Fette, Proteine und Kohlenhydrate. Ich esse viele Eier, Haferflocken, Magerquark und gesunde Fette wie Nüsse und Avocado. Vor der Schweizer Meisterschaft Ende Oktober habe ich während sechs Monaten eine Diät gehalten. Ich habe möglichst wenig Fette und Kohlenhydrate zu mir genommen, um den Körperfettanteil gering zu halten. Man nimmt nur genau das zu sich, was man braucht, damit der Körper funktionieren kann. Wichtig ist, genügend Proteine zu sich zu nehmen, damit die Muskeln nicht zusammenfallen. Während der Diät habe ich täglich Poulet, Salat und Thon gegessen. So viel, bis es mir verleidet ist.

Vor dem Wettkampf habe ich sechsmal pro Woche im Fitnessstudio trainiert. Eine Einheit dauert zwischen zweieinhalb und drei Stunden. Ich lege meinen Fokus stets auf den ganzen Körper, damit die Proportionen stimmen. Mithilfe der Gewichte reissen die Muskeln, danach füllt man sie während der Regeneration mit Protein wieder auf. Am Anfang hat man sicher Muskelkater, aber mit der Zeit gewöhnt sich der Körper daran. Auch nach einem intensiven Training verspüre ich heute nur noch einen minimalen Muskelkater.

Um an der Schweizer Meisterschaft teilnehmen zu können, musste ich mich zuerst qualifizieren. Ich musste verschiedene Posen vorzeigen und die Jury hat anhand meines Körperfettanteils und der Körperstruktur beurteilt, ob ich eine Chance habe, weiterzukommen. Diese Posen zu halten, ist sehr anstrengend. Ich hatte ein paar Tage danach noch Muskelkater – obwohl ich das ja sonst kaum mehr verspüre. Beim Posieren muss man jeden Muskel perfekt anspannen. Die Posen muss man für mehrere Sekunden oder gar Minuten halten. Es gehört dazu, sich mit Öl einzureiben. Man gibt dem Körper damit eine gleichmässige Betonung. Hautverfärbungen, Narben oder Pickel verschwinden darunter.

100 Prozent zufrieden mit meinem Körper bin ich nie. Ich sehe immer etwas, das ich verbessern kann. Das treibt mich an, weiterzumachen. Aktuell bin ich nicht so zufrieden mit meinen Beinen, dort möchte ich mehr Muskeln aufbauen. Mit der Zeit werden die Fortschritte allerdings immer kleiner. An einem Natural-Bodybuilding-Wettkampf versucht man, jeden Muskel zu zeigen. Man will auf der Bühne den perfekten Körper präsentieren. Obwohl: Den perfekten Körper gibt es gar nicht. Jeder Körper ist anders gebaut und verfügt über eine andere Genetik.

Als Bodybuilder lautet das Ziel stets, mehr Muskelmasse aufzubauen. Nach oben gibt es eigentlich kein Limit. Im Natural Bodybuilding gibt es für mich kein Zuviel an Muskeln. Anders sieht es aus bei Bodybuildern, die Hormonpräparate zu sich nehmen, etwa mit Testosteron: Ich selbst würde das nie machen. Mir würde es nicht gefallen, einen solchen Körper zu haben, das ist zu viel. Neben dem Optischen geht es mir auch um meine Gesundheit – die ist mir das Wichtigste.

Der Sport braucht sehr viel Disziplin. Ich verspüre stets den Druck, das Beste zu geben. Wenn ich ein paar Tage nicht trainieren kann, habe ich eindeutig ein schlechtes Gewissen. Am Schluss meiner Diät habe ich untersuchen lassen, wie viel Körperfett und Muskelmasse ich habe. Mein Körperfettanteil lag unter sechs Prozent. Man sagt, dass unterhalb einer gewissen Grenze die Organe versagen können – schätzungsweise bei einem Anteil unter fünf Prozent. Es besteht die Gefahr, einfach zusammenzubrechen und zu sterben, ohne dass man noch wiederbelebt werden kann. Das hat mir schon Angst gemacht. Gleichzeitig habe ich gewusst, wie weit ich noch gehen kann. Ab einem gewissen Zeitpunkt hatte ich keine Energie mehr. Ich verfiel beinahe in eine Depression, weil mein Körper unbedingt essen wollte. Der Körper merkt, dass er am Verhungern ist und kämpft ums Überleben. Psychisch ist das eine sehr grosse Belastung.

Während der Diät habe ich viele Fehler gemacht. Es war schliesslich mein erster Wettkampf. Rückblickend würde ich die Kalorien nicht mehr so stark reduzieren, mir mehr Zeit nehmen für die Diät und nur langsam heruntergehen mit dem Gewicht. Bei mir sind der ganze Stoffwechsel und die Hormone zusammengebrochen. Das war nicht mehr das gesunde Natural Bodybuilding, das mir vorschwebt. Ich war am Limit, habe nur noch wenig geschlafen, hatte kaum noch Energie und keinen Sexualtrieb. Bei einem nächsten Mal würde ich besser auf meine Gesundheit achten. Ich habe sicher viel gelernt.

Trotz dieser Erfahrung reizt mich das Natural Bodybuilding immer noch. An der Schweizer Meisterschaft habe ich den sechsten Platz geholt – nächstes Ziel wäre es, unter die ersten drei zu kommen. In meinem Umfeld stosse ich durchaus auch auf Unverständnis. Wenn man nicht selbst Bodybuilding macht, ist es schwierig, zu verstehen, wie es einem dabei geht. Aber meine Familie hat versucht, mich möglichst gut zu unterstützen.

Es ist nicht einfach, mit diesem Sport Geld zu verdienen. Ich möchte daher eher Fotoshootings machen für Werbeprodukte und dadurch in die Fitnessbranche hineinkommen. Eventuell auch mit Social Media, in Richtung Fitness-Influencer. Ich bin dabei, professionelle Fotos machen zu lassen. Das ist mal ein Anfang. Künftig sollte ich wohl täglich etwas posten, zum Beispiel Youtube-Filme davon, wie ich trainiere. Ich muss da noch etwas hineinwachsen. Klar, es gibt schon sehr viele, die das machen. Aber wenn man es nicht versucht, weiss man auch nicht, ob man es schafft.

Stichwörter: Mein Montag, Menschen, Biel

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