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Gerichtsurteil

«Er hat sie regelrecht hingerichtet»

Der Beschuldigte im Tötungsdelikt Orpund ist gestern wegen Mordes verurteilt worden. Das Regionalgericht geht mit dem Strafmass von 20 Jahren Gefängnis und anschliessender Verwahrung sogar über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus.

Foto: mak

Deborah Balmer

Die Wahrscheinlichkeit, dass der Täter, der im Sommer 2016 im Burgerwald in Orpund eine Spaziergängerin getötet hat, eines Tages wieder freikommt, ist derzeit gering. Das Regionalgericht Berner Jura-Seeland hat den Bulgaren gestern wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 20 Jahren verurteilt. 19 Jahre gibt es vom Gericht für den brutalen Mord an der Rentnerin, ein Jahr für weitere Delikte, dazu gehören mehrere Einbrüche in Wohnungen in Tramelan. In einem Fall, als ein Ehepaar zuhause schlief. 

Weil vom Verurteilten Wiederholungsgefahr ausgehe und nur geringe Chancen auf einen Therapierfolg bestünden, soll er anschliessend an die Gefängnisstrafe verwahrt werden. Es gehe darum, die Gesellschaft von einem äusserst brutalen Täter zu schützen. 

Barbarisch, skrupellos und äusserst gewalttätig:_Gerichtspräsident Maurice Paronitti brauchte in der gestrigen Urteilsbegründung deutliche Worte, um das Tötungsdelikt zu beschreiben. Dieses passierte am Sonntag, 17. Juli 2016, schätzungsweise zwischen 15.15 und 17.30 Uhr, im Wald in Orpund. Die Leiche wurde am nächste Morgen um zirka neun Uhr gefunden.

«Es besteht kein Zweifel daran, dass er sie gezielt töten wollte. Er hat die Frau regelrecht hingerichtet», sagte Paronitti weiter. Für das Gericht war dann auch klar, dass es sich wie von der Staatsanwaltschaft beantragt um Mord handelt und nicht etwa um Totschlag, wie für den Pflichtverteidiger. Mord sei gegeben, wenn jemand eine besonders skrupellose Tat und diese aus reinem Egoismus begehe, ohne dabei an das Leben eines anderen Menschen zu denken. 

Die Ausführungen zum Tötungsdelikt waren teilweise nur schwer zu ertragen:_Mindestens 15-mal soll der Mann dem Opfer mit einem Beil gezielt auf den Kopf geschlagen haben. Die Frau erlitt dabei zahlreiche Verletzungen und ein massives Schädel-Hirn-Trauma, sie blutete stark und starb laut Gerichtsmedizinern infolge an einer Herzschwäche und Lungenembolie. Das Opfer soll nach den ersten Schlägen noch gelebt haben.

Die Zufallstat

Irgendwann sagte der Gerichtspräsident gestern den Satz, der die Grausamkeit der Tat nochmals verdeutlichte: «Hier ist etwas passiert, was jedem von uns hätte passieren können. Opfer und Täter kannten sich nicht.»

Die 66-jährige pensionierte Tierärztin war an diesem Nachmittag mit ihrem Rauhaardackel auf einem Spaziergang unterwegs, als sie vom Täter aus dem Nichts und aus niederen Beweggründen angegriffen wurde. Wahrscheinlich, weil er den Autoschlüssel für ihren Kleinwagen stehlen wollte, mit dem er nach der Tat nach Deutschland flüchtete. Handelte es sich also um Raubmord? Über sein Motiv hat der Mann nie gesprochen.

Um das Strafmass zu bestimmen, war für das Fünfergremium nicht nur das Delikt selber, sondern auch das Verhalten des Angeschuldigten danach ausschlaggebend. Nachdem er die Frau getötet hatte, entnahm er ihr den Schlüssel aus dem Bauchtäschchen. Es ging ihm laut Gericht also einzig darum, das Auto zu stehlen, um den Wald zu verlassen. Auch dies zeige ein völliges Fehlen von Menschlichkeit. 

Über das frühere Leben des Mörders ist wenig bekannt. Man weiss, dass er in Bulgarien aufwuchs, später in Tschechien, in Deutschland und dann in Tramelan lebte. Er habe eigentlich immer gearbeitet und ist Vater zweier Kinder. Laut Psychiatern leidet er zwar an Psychopathie, doch handle es sich dabei um keine psychische Krankheit. So hatte der Psychiater am ersten Prozesstag ausgeführt, dass sich der Täter trotzdem angepasst verhalten könne. Schuldunfähigkeit ist nicht gegeben. Laut Gericht ist ihm bewusst gewesen, was er tat.

Auffallend ist laut Gericht die fehlende Einsicht: Obwohl durch zahlreiche DNA-Spuren, unter anderem direkt auf der Waffe, überführt, stritt er alles ab und verstrickte sich ihn Lügen. So sprach er während der Verhandlung davon, dass ihm das Auto des Opfers geschenkt worden sei. 

Staatsanwalt Amaël Gschwind zeigte sich nach der Urteilsverkündung im Volkshaus erfreut: «Grundsätzlich bin ich froh, dass auch für das Gericht klar ist, dass vom Täter eine grosse Gefahr ausgeht und man ihn nach der Gefängnisstrafe verwahren muss.» Denn therapierbar sei er höchstwahrscheinlich nicht. Gschwind hatte sogar nur 17 Jahre Gefängnis und eine Verwahrung gefordert.

Mehrere Zuschauer waren gestern vor Ort, um sich die öffentliche Urteilsbegründung anzuhören. Auch ein früherer Nachbar der Verstorbenen, der bereits den ersten Prozesstag mitverfolgt hatte. Für ihn sei es eine Art des Abschiednehmens, sagte er.

Keine grosse Reaktion

Der Täter reagierte praktisch unberührt auf das Verdikt. Die Ausführungen der Gerichtsübersetzerin kommentierte er mit kurzen Äusserungen wie «ah» oder «hm». Beim Verlassen des Gerichtssaals verabschiedete er sich von den Richtern und lachte kurz in ihre Richtung. 

Ob der Fall ans Obergericht weitergezogen wird, ist offen.

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