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Biel

«Es geht immer etwas rauf und runter»

Die 100-jährige Helene Bischof arbeitete in der ganzen Schweiz, bis sie in Genf ihren Ehemann kennenlernte. Noch immer ist sie sehr aktiv und am Weltgeschehen interessiert.

Helene Bischof arbeitete 1939 in einer Confiserie in Genf. Sie erinnert sich, wie jemand angerannt kam und «Es ist Krieg» rief. David Schnell

Interview: David Schnell

Helene Bischof, wie geht es Ihnen?

Helene Bischof: Im Moment geht es gut.

Wie fühlt man sich als 100-Jährige?

Das ist unterschiedlich. Ich musste vor einiger Zeit an meinem Bein operiert werden, oder man hat sonst ein Wehwehchen. Nichts Schlimmes, aber es geht immer etwas rauf und runter. Bei meiner Geburt rief die Hebamme den Pfarrer, weil sie dachten, ich überlebe nicht lange. 100 Jahre später bin ich immer noch hier.

Wie sieht ein ganz normaler Tag aus?

Ich stehe normalerweise um halb Neun auf. Danach mache ich mein Frühstück und räume ganz gemütlich die Küche auf. Wäsche glätten kann ich noch gut oder etwas Einfaches kochen. Mit dem Rollator kann man nicht sehr gut mit den Händen arbeiten. Am Nachmittag und abends schaue ich Nachrichten oder lese die Zeitung. Seit 70 Jahren bin ich Abonnent beim Bieler Tagblatt.

Haben Sie im Alter ein anderes Verhältnis zu der Zeit?

Für mich geht die Zeit schnell vorbei.

Womit verbringen Sie Ihre Zeit?

Ich spaziere draussen oder auf dem Balkon mit der Katze. Am Nachmittag gehe ich oft etwas schlafen, dafür bin ich am Abend recht lange wach und schaue mit der Familie Fernsehen. Ausserdem gehe ich gerne mal einen Kaffee trinken und helfe bei den Kommissionen.

Glauben Sie, dass es Ihnen besser geht als anderen Hundertjährigen?

Ich denke schon. Es gibt viele, die in irgendeiner Hinsicht mehr eingeschränkt sind als ich, sei es mit den Beinen, Augen oder anderweitig. Ich bin da sicher privilegiert.

Haben Sie auf eine gesunde Lebensweise geachtet?

Wir haben uns immer gesund ernährt. Etwas Gemüse, etwas Fleisch. Keine klare Linie, einfach alles, das kam.Es kam auch darauf an, was erhältlich war.

Haben Sie früher Sport getrieben?

Gearbeitet habe ich viel, aber nie Sport gemacht.

Was essen Sie gerne?

Ich bin nicht wählerisch. Ich esse gern etwas, das mir Lust macht. Wir haben gelernt, alles zu essen. Am liebsten sicher Braten und Stock oder Sauerkraut mit Speck und Wurst. Ich esse teilweise mehr als meine Tochter.

Haben Sie noch Ziele und Pläne?

Nein. Man weiss ja nicht, wann man gehen kann. Ziele kann man gar keine mehr haben.

Wurden Sie im Alter gelassener?

Ja, das ist schon ein Unterschied, wenn man älter ist. Früher war ich sehr aktiv.

Spielt der Glaube eine Rolle für Sie?

Ja und Nein. Der Anstand anderen Leuten gegenüber ist eigentlich meine Religion.

Sind Sie zufrieden, wenn Sie auf Ihr Leben zurückblicken?

Ja. Ich hätte aber gerne länger mit meinem Mann zusammengelebt.

Welches war die schönste Zeit Ihres Lebens?

Als die Kinder weg waren und ich mit meinem wieder gesunden Mann alleine war.

Was halten Sie für das Wichtigste im Leben?

Anständig zu leben.

Haben Sie Angst vor dem Tod?

Nein. Ich will nur nicht lange leiden. Aber mit der modernen Medizin kann man die Angst vor dem Sterben schon dämpfen.

Interessieren Sie sich für das politische Geschehen in der Schweiz?

Ja ich habe mich immer interessiert, aber nie aktiv mitgemacht.

Interessiert es Sie, was auf der Welt passiert?

Genausoviel wie in der Schweiz. Wir sind da ja auch involviert und es hängt alles zusammen. Heutzutage fast noch mehr als früher, da ich mehr Zeit habe.

Was bekommen Sie von der modernen Welt mit?

Ich frage meine Tochter immer wieder, was die Begriffe wie Instagram, Computer und Twitter bedeuten. Sie erklärt mir diese Sachen fast täglich, es interessiert mich. Ich verstehe es meistens nicht, da ich kein Englisch kann.

Wie feiern Sie Ihren Geburtstag?

Ich weiss es noch nicht, es ist eine Überraschung. Ich weiss nur, dass die ganze Familie zusammenkommt.

 

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Helene Bischof

Geboren in Arch als eines von fünf Kindern, erlebte Helene Bischof in einfachen Verhältnissen eine schöne Jugend. Nach Schulabschluss ging sie zunächst in einen Haushalt in die Westschweiz, um Französisch zu lernen. Ab 1935 arbeitete sie als Verkäuferin für das Verlagshaus Brennstuhl in Meiringen. Später war sie in verschiedenen Confiserien in der ganzen Schweiz im Service tätig. Ihren zukünftigen Ehemann lernte sie bei Kriegsausbruch in Genf kennen. Als sich eine Möglichkeit für ihn in einer Versicherungsgesellschaft ergab, zogen sie nach Biel. 1945 heirateten sie, und bald kamen ihre drei Kinder auf die Welt. Es folgten für Helene Bischof als Hausfrau drei arbeitsreiche Jahrzehnte. Erst als alle Kinder ausgezogen waren, konnte sie mit ihrem Gatten, der 1984 früh verstarb, das Leben gemütlich nehmen und im Kreise ihrer Familie auch geniessen. Seit einem Unfall mit Oberschenkelbruch vor zwei Jahren wohnt sie in Grindelwald bei ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn. Ihre Wohnung in Biel hat sie behalten und ist gelegentlich dort. das

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