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Biel

«Es hat sich gelohnt, noch einmal innezuhalten»

Während rund zehn Jahren ist in der Bieler Altstadt gebaut worden – jetzt sind die Leitungserneuerungen abgeschlossen. Die Stadt hat die mühseligen Arbeiten für eine Neugestaltung des Strassenraums genutzt und stiess dabei im Jahr 2010 auch auf heftigen Widerstand.

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Lino Schaeren

Vorhang auf für die neue Altstadt: Biels Baudirektorin Barbara Schwickert (Grüne) hat gestern Abend Anwohner dazu eingeladen, auf den Abschluss der Leitungserneuerungen anzustossen. Rund zehn Jahre hat es gedauert, die rund 140-jährige Kanalisation sowie Gas- und Wasserleitungen zu ersetzen.

Von den Leitungen als eigentlicher Baugrund ist heute nach dem Abtransport der Baumaschinen selbstredend nichts mehr zu sehen. Die Bauarbeiten im Untergrund nutzte die Stadt allerdings, um den Aussenraum in der Obergasse, dem Ring und zuletzt der Unter- und Schmiedengasse neu zu gestalten, mit dem Ziel, die Altstadt weitgehend vom Verkehr zu befreien, Begegnungsorte zu schaffen und die Bedingungen für Läden und Restaurants zu verbessern.

Das Ergebnis lässt Schwickert frohlocken: Die Altstadt sei nun schöner als je zuvor, sagte sie. Weil die mühseligen Arbeiten den Anwohnern, den Hausbesitzern und den Geschäftsinhabern in den letzten Jahren einiges an Geduld abverlangte, bedankte sich die Gemeinderätin gestern für das entgegengebrachte Verständnis mit einem Apéro.

 

Ring verschlingt viel Geld
Wobei dieses Verständnis für die Gräben in den Strassen auch arg strapaziert wurde. Etwa 2015, als in der Untergasse mitten im Sommer gebaut wurde, und sich die Restaurantbetreiber darüber beklagten, dass ihnen das Sommergeschäft auf den Terrassen flöten ginge. Das ging so weit, dass zwei Restaurantbetreiber der Stadt vorwarfen, getroffene Vereinbarungen, wonach erst im Herbst gebaut werden sollte, gebrochen zu haben (das BT berichtete). Richtig Zoff rund um die Bautätigkeit in den Strassen der Altstadt gab es allerdings bereits fünf Jahre zuvor. So sehr, dass die Stadt die Arbeiten sogar für zwei Jahre unterbrechen musste.

Was war geschehen? Die Stadt hatte 2010 im Ring einen Baustopp angeordnet, nachdem die Reformierte Kirchgemeinde Einsprache gegen das Erneuerungskonzept für den Platz eingereicht hatte. Zudem wurde eine Petition übergeben gegen die gebaute Treppe, da diese den Platzcharakter des Rings zerstöre und den Zugang zur Kirche erschwere. Und: Die Stadt hatte auch auf dem Land der Kirchgemeinde gebaut, dafür bei der Kirchgemeinde aber keine Baubewilligung eingeholt. In der Folge wurde das Projekt überarbeitet und erneut dem Stadtparlament zur Genehmigung vorgelegt.

Das Resultat: Eine Treppe mit nur noch halber Länge, zudem sollten nicht mehr wie ursprünglich geplant die grossen, sondern die gewöhnlichen kleinen Pflastersteine zum Einsatz kommen. Ein Nachkredit von
 460'000 Franken zusätzlich zu den bereits 2009 gesprochenen 600'000 Franken wurde nötig, der damalige Baudirektor Hubert Klopfenstein (FDP) sah sich genötigt, sich zu entschuldigen, «das Drama am Ring» nehme er auf seine Kappe. Anfang 2013 wurde die Neugestaltung des Ringplatzes dann wieder aufgenommen – nun unter der Leitung von Gemeinderätin Barbara Schwickert. Diese sagt rückblickend: «Es war richtig und hat sich gelohnt, noch einmal innezuhalten.» Das letztlich realisierte Projekt trage der Ring-Situation als Platz gut Rechnung, im Gegensatz zu seinem Vorgänger.

 

Neues Verkehrsregime
Platz schaffen – das war eines der Ziele in der Unter- und Schmiedengasse. Auch hier wurde der Boden aufgerissen und provisorisch mit Teer versiegelt, damit sich der Baugrund erst einmal wieder setzen konnte. Vor wenigen Wochen wurde dann die Pflästerung abgeschlossen. Die verwendeten Pflastersteine stammen allesamt aus der Schweiz und standen ausnahmslos bereits als Strassenbelag im Einsatz, teils in Biel. «Neue» Steine sind keine zum Einsatz gekommen, um in der alten Stadt auch einen wirklich alten Eindruck zu erwecken. In Unter- und Schmiedengasse wurde – wie bereits in der Obergasse – der Boden nivelliert, der Höhenunterschied zwischen Trottoir und Strasse ist verschwunden. Der öffentliche Raum wirkt dadurch bereits optisch deutlich grösser; kommt hinzu, dass ein neues Verkehrsregime eingeführt wurde: Die Gasse ist nun eine Begegnungszone.

Heisst: Tempo 20 und Fussgänger haben immer Vortritt. Aus 
14 Parkplätzen sind deren neun geworden. Damit ist nun die gesamte innere Altstadt entweder Fussgänger- oder Begegnungszone. Begegnen sollen sich die Menschen in der «neuen» Altstadt aber nicht nur in der Gasse, sondern auch auf den zwei neuen «Plätzen», einer unterhalb der Stadtkirche, einer im Bereich des Restaurants St. Gervais.

Schwickert lobte gestern das Leben in der Bieler Altstadt, während der alte Stadtkern anderer Städte heute praktisch ausgestorben sei. Die Baudirektorin sprach damit natürlich auch auf den «First Friday» an, der einmal im Monat viele Menschen in die Gassen der Altstadt zu locken vermag. Ebenfalls an das erfolgreiche Strassenfest dürfte Schwickert gedacht haben, als sie ausführte, dass die Stadt nicht möchte, «dass die Altstadt nur noch zum Fun-Bezirk wird». Es gelte, vor allem auch an die Bewohnerinnen und Bewohner zu denken. An jene also, die mehr als zehn Jahre Staub und Lärm zu ertragen hatten. Und die nun von der sanften Neugestaltung am meisten profitieren sollen.

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