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Biel

Essen aus der Dose ist jetzt hip

Kreativ durch die Krise: Unter dem Namen «La Boîte» füllt das Atelier Verdan Dosen mit Mahlzeiten von lokalen Restaurants. Das Pop-Up-Projekt soll die Solidarität der gebeutelten Branche widerspiegeln.

Sie wollen kreativ bleiben, statt tatenlos das Ende der Krise abwarten: Marc Ramseier, Lukas Klingler (Atelier Verdan), Thierry Fuhrer und Nora Stauffer (Bielersee Gastro, von links). Yann Staffelbach

von Carmen Stalder

Büchse auf, Mikrowelle an, Teller gefüllt – et bon appétit! Aufwendiges Kochen und selbst gemachte Kreationen sind zwar gerade en vogue wie selten zuvor. Irgendwann trifft jedoch die meisten eine gewisse Unlust, viel Zeit am Herd zu verbringen. Für all jene springt «La Boîte» in die Bresche: Ein neues Pop-Up-Projekt, das hochstehende Büchsennahrung auf die Bieler und Seeländer Tische bringen will.

Für das innert zwei Wochen organisierte Vorhaben hat das Atelier Verdan mit Restaurants aus der Region zusammengespannt. Deren Köchinnen und Köche stellen ein Gericht her, füllen es in Blechdosen und bringen diese ins Atelier Verdan an der Seevorstadt. Dort werden die Dosen verschlossen, pasteurisiert und etikettiert. Anschliessend stehen sie zum Verkauf.

«Wir wollten in dieser Zeit etwas Witziges auf die Beine stellen», sagt Mitinitiant Yves Klingler vom Atelier Verdan. Im ersten Lockdown habe eine grosse Solidarität geherrscht, die nun etwas verloren gegangen sei. Er und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter wollen mit der Aktion deutlich machen, dass viele Betriebe stark unter der Coronakrise leiden. Allerdings wollen sie nicht einfach den Kopf hängen lassen, sondern umso mehr kreativ und flexibel sein.


Anpacken statt abwarten

Polpette al Sugo, Gerstensuppe, Linsencurry: In eine Dose kann so ziemlich alles gepackt werden, das als Suppe oder mit genügend Sauce daherkommt. Vorgaben habe man den Restaurants keine gemacht, sagt Klingler, die seien ganz von alleine mit ihren Ideen gekommen. Bisher beteiligen sich 15 Betriebe an «La Boîte» (siehe Infobox), es kämen jedoch laufend neue Anfragen dazu.

Da wäre etwa die Bielersee Gastro AG, die gleich drei Gerichte in Dosen anbietet: Vom «Dock4» am Strandboden kommt eine Currywurst mit Sauce, vom «Joran» an der Schiffländte Treberwurst mit Lauch-Kartoffeln und von der Bielersee Gastro, die sonst auf den Kursschiffen kocht, ein veganes Chili sin Carne. «Wir sind ein Team von Machern – und nichts zu machen, ist keine Lösung», sagt Betriebsleiter Thierry Fuhrer.

Entsprechend sei er sofort dabei gewesen, als die Idee des Pop-Ups diskutiert wurde. Ob sich das Mitmachen am Ende finanziell lohnen wird, weiss Fuhrer nicht. Als grossen Pluspunkt bezeichnet er, dass er seine Leute in der Küche wieder beschäftigen könne. «So kehrt immerhin das Teamgefühl zurück.» 300 Dosen haben seine Köche bisher gefüllt, nun soll sich zeigen, ob sie auch Abnehmerinnen und Abnehmer finden.


Viel Handarbeit

Das Atelier Verdan hat sich seit seiner Eröffnung im Herbst 2019 auf die Fahne geschrieben, Synergien zu nutzen. Verschiedene lokale Produzenten stellen in der ehemaligen Scheune ihre Ware her, darunter Bier, Kaffee, Fruchtsäfte, Honig oder Cidre (das BT berichtete). Die Brauerei La Marmotte verfügte bereits über einen sogenannten Kammerpasteur für das Pasteurisieren ihrer Biere. Diese Maschine steht nun auch für die Dosen von «La Boîte» im Einsatz: Hier drin werden sie während ein bis zwei Stunden mit 95 Grad heissem Wasser keimarm gemacht.

Neu hinzugekommen ist ein Gerät zur sicheren Verschliessung der Büchsen – von Yves Klinglers Bruder Lukas als «Büchsenmonster» bezeichnet. Der Standortleiter der Bierbrauerei erzählt, dass der Inhalt der Dosen bei den ersten Versuchen schon einmal in alle Richtungen gespritzt sei. Jetzt habe er die Maschine, bei der jede Dose manuell platziert werden muss, aber im Griff. Handarbeit ist auch beim Etikettieren gefragt. Pro Büchse führt das zu Produktionskosten von rund vier Franken, dazu kommt der von den Restaurants definierte Preis für das Gericht. Die Dosen kosten am Ende zwischen 6.70 und 18 Franken.

Ziemlich viel für Essen aus der Dose, das gemeinhin nicht den besten Ruf hat. «Büchsennahrung gilt als ziemlich unsexy», sagt denn auch Yves Klingler. Gleichzeitig würden die Dosen mit ihrer langen Geschichte für ihn Kultcharakter aufweisen. «Wir wollen zeigen, dass Büchsen keine Massenware sein muss.»

Das muss natürlich getestet werden. Büchse auf, Mikrowelle an, Teller gefüllt – für einmal ist das Mittagessen tatsächlich ruckzuck auf dem Tisch. In der Dose sieht das Linsencurry zwar noch etwas unappetitlich aus. Einmal aufgewärmt und in eine hübsche Schüssel gefüllt, sind jedoch alle Zweifel verflogen. Eine echt gute Mahlzeit ist das – die glücklicherweise wenig mit labbrigen Dosenravioli gemein hat.

Info: Die Büchsen können per SMS an 079 549 58 62 oder per Mail an laboite@atelier-verdan.ch bestellt werden. Ebenfalls möglich sind Bestellungen via Facebook oder Instagram. «La Boîte» ist zudem auf der Suche nach lokalen Verkaufsstellen.

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