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Biel

Ex-Gemeinderat macht sich zum Narren

Heute um 11.11 Uhr findet die Inthronisation von Prinz Carnaval auf dem Bieler Zentralplatz statt. Der Auserwählte ist kein Unbekannter: Cédric Némitz, oder besser gesagt: Cédric I. Was reizt den ehemaligen Berufspolitiker an diesem Amt?

Freut sich auf seine neue Aufgabe: Cédric I, ehemaliger Bieler Gemeinderat (SP). Bild: Matthias Käser

Interview: Julie Gaudio/pl

Cédric Némitz, wie haben Sie reagiert, als die Faschingszunft Ihnen das Zepter des Prinzen Carnaval antrug?

Cédric Némitz: Ich bin vom Stuhl gefallen (lacht). Niemals hätte ich mit dieser Nominierung gerechnet und dachte mir: Die Leute von der Zunft sind wohl verrückt geworden. Nach kurzem Überlegen sagte ich zu. Schliesslich birgt die Rolle viel Humor. Das Ganze ist nicht ernst gemeint, aber umso lustiger, und das gefällt mir. Dahinter stehen weder Hintergedanken noch Geltungsstreben.

Das Wahlgremium besteht zur Mehrzahl aus Deutschsprachigen. Empfinden Sie die Kür eines Romands als Zeichen der Wertschätzung?

Das hat es schon lange nicht mehr gegeben. Ich glaube, dass meine Person ein Publikum erreicht, das üblicherweise nicht an der Fasnacht teilnimmt. Ich liebe dieses Volksfest und bin seit 2012 Mitglied der Gilde. Die Stimmung mit den Guggenmusiken behagt mir sehr, denn ich spiele selbst seit 30 Jahren ein Blechblasinstrument.

Sie sind evangelisch-reformierter Pfarrer. Die Fasnacht hat aber eine katholische Tradition. Ist das nicht paradox?

Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass das Ganze nicht ernst gemeint ist (lacht). Während der Reformation versuchten die Protestanten, die Fasnacht abzuschaffen. Aber einige Städte wie Biel und Basel stellten sich dagegen. Auch anderswo wurde weiterhin Karneval gefeiert, wenngleich nicht immer im Sinne der Sittenwächter in Form von Maskenbällen. Schliesslich wurde die Bieler Gilde vor 125 Jahren gegründet. Die Bieler Fasnacht beginnt ausgerechnet am Aschermittwoch, dem ersten Tag der katholischen Fastenzeit. In dieser Beziehung sind wir Rebellen.

Fasnacht hat ohnehin einen aufmüpfigen Beiklang.

In Bözingen wird der Böögg, der Wintermann, verbrannt. Damit feiern wir das Ende seiner Regentschaft und den Beginn des Frühlings. Während der Fasnacht werden Hierarchien auf den Kopf gestellt. Die Narren übernehmen symbolisch die Macht in der Stadt, die Amtsträger müssen sich fügen. Ich freue mich auf die spassige Rolle. Nach der närrischen Zeit werde ich wieder manierlich. Versprochen!

Welche Aufgaben nimmt der Prinz Carnaval in seiner einjährigen Amtszeit wahr?

Ich bin in erster Linie in repräsentativer Mission unterwegs, in Biel und auswärts. Während der Vorbereitungen besuche ich die Cliquen und Wagenbauer. Zudem vertrete ich unsere Stadt an anderen Karnevalsfeiern in Lyss, Olten und in Deutschland. In der Fasnachtswoche wartet eine befrachtete Agenda, denn ich nehme von Mittwoch bis Sonntag an allen Festlichkeiten teil. Donnerstag Abend übergibt Stadtpräsident Erich Fehr die Schlüssel der Seelandmetropole dem Prinzen. In der folgenden Woche trete ich an zwei Fasnachten auf: Dienstag in Bözingen und Samstag in Mett.

Wie gestalten sich die 
Vorbereitungen vor dem 
Hintergrund der Pandemiemassnahmen?

Wir träumen von einem grossen Fest und hoffen, dass die Pandemie Anfang März überwunden ist. Deshalb bereiten wir uns auf eine «normale» Fasnacht mit Umzügen vor. Sollten dennoch Einschränkungen verordnet werden, halten wir einen Plan B bereit.

Kommen wir zu Ihnen: Am 
1. Januar haben Sie die Bieler Direktion Bildung, Kultur und Sport an Ihre Amtsnachfolgerin Glenda Gonzalez Bassi übergeben. Was haben Sie seither gemacht?

Bis Anfang November habe ich eine Auszeit genommen und keine Aufgaben oder Funktionen ausgeübt. Ich habe mich erholt.

Inzwischen haben Sie eine Zusage als Vize-Schulleiter 
im Geyisried gegeben.

Ich habe am 1. November ein 35-Prozent-Pensum als Stellvertreter für einige Monate aufgenommen. Nach acht Jahren als Bildungsverantwortlicher reizt es mich, den Schulalltag von innen zu entdecken. Ich habe die Stelle in erster Linie angenommen, um zu helfen. Dahinter steht kein verhüllter Karriereplan.

Halten Sie noch Kontakt mit Ihren ehemaligen Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat?

Ja, vor allem mit Barbara Schwickert, die zum gleichen Zeitpunkt wie ich zurückgetreten ist. Am ersten Sitzungstag der neuen Exekutive hatte ich sie angerufen und wollte mich erkundigen, wie es ihr gehe. Ich erreichte sie damals in Graubünden, weit weg von Biel und der Politik.

Und wie entwickelt sich der Austausch mit der neuen 
Direktorin Bildung, Kultur 
und Sport?

Ich halte mich im Hintergrund, aber es kommt vor, dass Glenda Gonzalez mich gelegentlich um Rat fragt. Ich bin sehr zufrieden mit dem Ablauf der Stabübergabe an meine Nachfolgerin. Ich denke, der Wechsel ist nunmehr vollzogen.

In den Sozialen Medien stellen Sie sich immer noch als «Theologe und Journalist» vor. Erwägen Sie, ihre berufliche Laufbahn in eine der beiden Richtungen fortzusetzen?

Die reformierte Kirchgemeinde Moutier hat mir ein Beratungsmandat für ihre künftige Gestaltung angeboten. Moutier wird ja in den Kanton Jura abwandern, aber die umliegenden Gemeinden bleiben bei Bern und müssen neu organisiert werden. Mein Auftrag, den ich vor allem als Mithilfe verstehe, nimmt nur wenig Zeit in Anspruch. Zudem wurde ich mehrfach angefragt, ob ich wieder als Pfarrer tätig sein möchte. Bisher ist noch nichts entschieden, aber es stehen mir einige Optionen zur Auswahl offen.

Sind Sie immer noch in der Sozialdemokratischen Partei aktiv?

In habe ein paar Versammlungen besucht, aber von der aktiven Politik habe ich endgültig Abschied genommen. Ich verfolge die Entwicklung weiterhin mit grossem Interesse, aber selbst bringe ich mich nicht mehr ein.

Sie hätten doch für die 
nächsten kantonalen Wahlen kandidieren können.

Ich bin nirgends mehr Kandidat. Im Übrigen sehe ich für einen Mann über 50 im linken Spektrum keine grossen Chancen. Ich sage das ohne jeden Anflug von Wehmut. Das Rampenlicht fehlt mir überhaupt nicht. Die Erfahrung in der Exekutive war vielfältig, aber jetzt strebe ich nach anderen Dingen, nach mehr Austausch an der Basis. Diese Haltung hat mich auch bewogen, in die Rolle des Prinz Carnaval zu schlüpfen.

Noch eine persönliche Frage: Was ändert sich für Sie nach dem Ja zur «Ehe für alle»?

Die Beziehung zu meinem Lebenspartner ist seit 2007 durch eine eingetragene Partnerschaft besiegelt. Diesen Vertrag wollen wir in eine Ehe überführen. Faktisch sind wir ja schon verheiratet, aber die Ehe räumt administrative Hindernisse aus dem Weg. Wir werden vielleicht ein kleines Fest organisieren. Bis dann gehe ich voll und ganz in meiner Rolle als Prinz Cédric I. auf.

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