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Nidau

Fahrende werden für eine Woche geduldet

Seit Samstag halten sich Fahrende aus der Schweiz und aus Frankreich illegal auf dem Expo-Areal in Nidau auf.Gestern wurde ihnen eine Frist gesetzt – bis nächsten Montag müssen sie abreisen.

Die Wohnwagen auf dem Expo-Areal tragen Kennzeichenaus verschiedenen Kantonen, aber auch aus Frankreich.  Mattia Coda

von Carmen Stalder

Die Barriere ist noch immer offen. Auf dem weitläufigen Gelände stehen um die 30 Wohnwagen mit Kennzeichen aus den Kantonen Bern, Solothurn und Wallis, aber auch solchen aus Frankreich. Es ist Montagmorgen, bis auf das Kläffen eines Hundes ist es ruhig. Seit Samstag befinden sich die Fahrenden hier in Nidau. Eine Bewilligung für den Aufenthalt haben sie nicht, die Nidauer Gemeinderätin Sandra Friedli (SP) wurde von ihrem Auftauchen genauso überrascht wie die morgendlichen Spaziergänger und Hundehalterinnen, welche die Szene mit irritierten Blicken begutachten.

Wenig später erhält die Gruppe Besuch von einer Behördendelegation. Sandra Friedli sowie Vertreter der Abteilung Liegenschaften der Stadt Biel und der Kantonspolizei haben sich vor Ort ein Bild der Lage gemacht und mit den Fahrenden das Gespräch gesucht. Biel ist vertreten als Grundeigentümerin des Expo-Geländes, das sich allerdings auf Hoheitsgebiet von Nidau befindet. Während Nidau für die öffentliche Sicherheit auf dem Platz zuständig ist, liegt es an Biel, falls nötig rechtliche Schritte einzuleiten.

Es sei ein Gespräch auf Augenhöhe gewesen, sagt Sandra Friedli. Allerdings habe die Gruppe aushandeln wollen, länger in Nidau bleiben zu dürfen. «Das ist ausgeschlossen», so Friedli. Vereinbart wurde schliesslich, dass die Fahrenden bis spätestens am nächsten Montag weiterreisen müssen.


«Pragmatisch vorgehen»

Doch warum wurde die Gruppe nicht mit sofortiger Wirkung weggeschickt? «Erfahrungsgemäss sind solche Weisungen nicht durchsetzbar», erklärt Friedli. Da suche man lieber eine Lösung, deren Umsetzung realistisch sei. Diesem Ansatz stimmt auch die Bieler Gemeinderätin Silvia Steidle (PRR) zu: In dieser ausserordentlichen Situation, verschärft durch das Coronavirus, gehe es darum, mit den Leuten vor Ort eine vernünftige Lösung zu suchen. «Wir müssen pragmatisch vorgehen», sagt sie.

Eine Woche werden die Fahrenden also in Nidau toleriert. Während dieser Zeit beziehen sie Strom und Wasser, wofür sie eine Gebühr entrichten müssen. Gemäss Friedli erhalten sie noch in diesen Tagen eine schriftliche Vereinbarung, in der die gestern diskutierten Abmachungen festgehalten werden.

Gemäss Patrick Jean, Mediensprecher bei der Kantonspolizei, hat sich die Gruppe zuvor bei der Tissot Arena in Biel aufgehalten. Die Fahrenden mit französischem Kontrollschild sind also nicht direkt aus dem Ausland nach Nidau gereist. Ob sie allerdings bereits vor der coronabedingten Grenzschliessung oder erst später auf illegalem Weg in die Schweiz gekommen sind, kann Jean nicht kommentieren. Für die Einreisekontrolle sei die Grenzwache zuständig, über die anschliessende Weiterreise gebe es keine systematische Kontrolle. Und: «Nur weil ein Fahrzeug ein ausländisches Kennzeichen hat, ist das für uns noch nicht zwingend ein Anfangsverdacht.» Seitens Kapo gibt es also derzeit keine Ermittlungen zu der Reisetätigkeit der Gruppe auf dem Expo-Areal.


Politischer Disput

Das ehemalige Expo-Gelände ist in den vergangenen Jahren immer wieder von Fahrenden besetzt worden. Im Juni 2019 sorgte eine Gruppe von Jenischen für einen politischen Disput: Weil sich Sandra Friedli entgegen des Gemeinderatsbeschlusses für den Verbleib der Schweizer Fahrenden ausgesprochen hatte, wurde ihr von verschiedener Seite eine Missachtung des Kollegialitätsprinzips vorgeworfen (das BT berichtete).

Besteht die Gefahr, dass die Fahrenden erneut für einen Zwist im Nidauer Gemeinderat sorgen? Das glaubt Friedli nicht. Schliesslich habe die aktuelle Gruppe im Unterschied zu den Jenischen im letzten Sommer keine Anfrage an die Gemeinde gemacht. Somit liegt auch kein entsprechender Gemeinderatsbeschluss vor und es kann auch niemandem ein Ausscheiden aus dem Kollegialitätsprinzip vorgeworfen werden. Für Gerede im Stedtli wird das erneute Auftauchen von Fahrenden aber bestimmt auch dieses Mal sorgen.

Fahrende befinden sich derzeit in einer schwierigen Situation. Im Kanton Bern fehlt es ihnen einerseits an Plätzen. Gerade letzte Woche haben das Bundesamt für Strassen und die Berner Kantonspolizei bei Wileroltigen einen Rastplatz der Autobahn A1 vorübergehend gesperrt, nachdem sich Fahrende dort niedergelassen hatten. Andererseits haben sie derzeit kaum Verdienstmöglichkeiten, da es ihnen aufgrund der Coronakrise als Selbstständigerwerbende an Aufträgen fehlt.

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