Sie sind hier

Abo

Biel

Fliegen ist nicht erlaubt

Am Biel-Seeland Gymnasium ist bei Maturreisen das Flugzeug als Reisemittel tabu. Eine Regelung, die bei den Schülern immer wieder für Diskussionen sorgt.

haben verschiedene Reiseordnungen: Das Gymnase français und das Biel-Seeland Gymnasium. Bild: Adrian Streun/a

Jana Tálos

Barcelona, Prag oder vielleicht doch lieber nach Lissabon? Jedes Jahr stellen sich Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Abschlussklassen der Frage, an welchen Ort sie ihre letzte gemeinsame Reise unternehmen wollen. Die Destination selbst spielt dabei meist keine so grosse Rolle – Hauptsache, man kann dort eine gute Zeit miteinander verbringen.

Wer seine Matura jedoch am Biel-Seeland Gymnasium abschliesst, muss noch ein weiteres Kriterium berücksichtigen: die Distanz. Die von der Schulleitung festgelegte Reiseordnung erlaubt nur Zug oder Car als Reisemittel. Das Flugzeug ist tabu. Reiseziele wie London oder Stockholm kommen deshalb kaum in Frage, weil sie mit dem Zug nur schwer zu erreichen sind.

Ein ewiger Streitpunkt

Die Schülerschaft zeigt für die Regelung nur wenig Verständnis. «Die Reiseordnung ist seit Jahren immer wieder Gegenstand von Diskussionen», sagt Leonhard Cadetg, Rektor des Biel-Seeland Gymnasiums. Die Schulleitung müsse deshalb immer wieder von Neuem prüfen, ob das Fliegen auf Maturreisen verboten bleibt.

So auch in diesem Jahr. In einem Antrag forderten einige Schüler die Schulleitung dazu auf, das Flugzeug als Reisemittel wieder zuzulassen. Die Begründung: Die Reise mit dem Zug sei in vielen Fällen viel teurer als mit dem Flugzeug. Besonders wenn das Reiseziel weit entfernt liegt. Ein Flugverbot sei deshalb ungerecht und unsinnig.

Für die Schulleitung sind das jedoch keine überzeugenden Argumente. «Die Maturreise ist eine Studienreise, bei der es in erster Linie darum geht, Kultur zu erfahren», so Cadetg. «Das kann man auch in nahe gelegenen Destinationen tun, die mit dem Zug oder einem Car problemlos und kostengünstig zu erreichen sind». Es gebe aber auch noch andere Gründe, warum das Flugzeug als Reisemittel nicht zugelassen wird. «Auf einer Zugreise bekommen die Schüler viel mehr von der Landschaft und der zurückgelegten Distanz mit als in einem Flugzeug», erklärt der Cadetg. «Ausserdem verbringen sie auf diese Weise mehr Zeit miteinander. Es hat also auch einen sozialen Aspekt».

Uneinheitliche Regelung

Im Gegensatz zum Biel-Seeland Gymnasium verzichtet das Gymnase français auf ein Flugverbot. Hier setzt man stattdessen auf Sensibilisierung. «Wir machen die Schüler und Lehrer darauf aufmerksam, welche verheerenden Folgen eine Flugreise für uns und unsere Umwelt haben kann», sagt Alexandre Wenger, Konrektor des Gymnase français. Die Abschlussklassen sollen dazu motiviert werden, freiwillig auf das Flugzeug zu verzichten.

«Durch ein Verbot, würde sich der eine oder andere vielleicht hintergangen fühlen. Dadurch riskieren wir, dass unsere Bemühungen, Schüler und Lehrer für das Umweltproblem zu sensibilisieren, untergraben werden». Diese Strategie scheint auch tatsächlich Früchte zu tragen. So gibt es bereits einige Klassen, die sich freiwillig gegen eine Flugreise aussprechen. «Langfristig gesehen, ist das für uns die bessere Lösung», meint Wenger.

Dass die beiden Gymnasien bezüglich Maturreisen keine einheitliche Regelung haben, liegt in erster Linie daran, dass der Kanton seine Mittelschulen teilautonom führt. Allgemeine Vorgaben gibt es deshalb nur bezüglich der Bildungsqualität und der Bildungsziele, zum Beispiel, was den Lehrplan betrifft. Wie eine Schule ihren Unterricht organisiert und welche Regeln dabei gelten sollen, liegt jedoch in der Hand der jeweiligen Schulleitung. Das gilt auch für Sonderwochen, in denen unter anderem die Maturreisen durchgeführt werden. «Aus kantonaler Sicht gibt es keinen Grund, Regeln zur Benutzung von Flugzeugen bei Studienreisen festzulegen, da die Wahl des Verkehrsmittels keinen Einfluss auf die Bildungsqualität hat», schreibt die Erziehungsdirektion des Kantons Bern auf Anfrage.

Die Schulleiter der beiden Bieler Gymnasien teilen diese Ansicht. «Eine kantonale Regelung der Reiseordnung würde dem Prinzip der Teilautonomie widersprechen», sagt Aldo Dalla Piazza, Rektor des Gymnase français. Auch Leonhard Cadetg betont die Wichtigkeit der Autonomie von Mittelschulen: «Regelungen können so in der Schule immer wieder diskutiert und wenn nötig verändert werden». Dies gilt auch für die Reiseordnung. Wenn es gute Gründe dafür gebe, das Fliegen als Reisemittel wieder zu erlauben, würde die Reiseordnung selbstverständlich angepasst. «Die Lage muss und soll auch immer wieder neu beurteilt werden», so Cadetg.

Zwei verschiedene Welten

Dass die beiden Bieler Gymnasien bezüglich Flugreisen unterschiedliche Regelungen pflegen, dürften vor allem die Schüler der gemischten Bilingue-Klassen als ungerecht empfinden. Diese sind teils dem Biel-Seeland Gymnasium und teils dem Gymnase français unterstellt und damit auch deren Reiseordnung. «Das mag für manche Schüler sicher ärgerlich sein», meint Cadetg. Eine einheitliche Regelung hält er dennoch für unnötig. «Es sind nun einmal zwei verschiedene Schulen, zwei verschiedene Welten. Und ich finde, da sollte es auch Differenzen geben dürfen. Die Unterschiede sollen sichtbar sein – auch für die Schüler».

Kommentare

capodinero

Eine einheitliche Regelung für beide Gymnasien wäre wünschenswert und vor allem sollte jede Klasse für sich entscheiden ob und wohin geflogen, gefahren usw. wird. Vorschriften sind in dieser Form nicht akzeptabel. Was mich aber ein wenig erstaunt ist die Ausrede von Herrn Cadetg warum der Car oder der Zug genommen werden sollte... und dass es zwei verschiedene Welten bei den Jugendlichen gibt.


Nachrichten zu Biel »