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„Krawattenzwang“

„Franz, hesch gseh?“

Im persönlichen Blog berichtet Bernhard Rentsch, publizistischer Leiter der Gesamtredaktion und Chefredaktor „Bieler Tagblatt“ wöchentlich über Erlebnisse im privaten wie im beruflichen/gesellschaftlichen Leben – dies immer mit einem Augenzwinkern. Heute: „Franz, hesch gseh?“

Krawattenzwang: Bernhard Rentsch
  • Dossier

Am letzten Freitag starteten sie zum 59. Mal, am Samstag war ein Grossteil von ihnen zurück in Biel: Die Läuferinnen und Läufer, die zum legendären 100-km-Lauf angetreten sind. Seit jeher habe ich eine spezielle Bindung zur Veranstaltung. Als die Strecke vor Jahren noch durch mein Heimatdorf Pieterlen führte, erkannten wir die Schnellsten in aller Frühe im Morgengrauen vom heimischen Balkon aus. Nach der Samstagmorgen-Schule ging es dann für uns Buben schnellstmöglich zum Posten, der sich bei rund 90 Kilometer befand. Gegen Mittag waren da eher leidende Gesichter zu sehen.

Während vielen Jahren blickte ich dann als OK-Mitglied und insbesondere als Speakerchef hinter die Kulissen dieser Grossveranstaltung. Nach dem Start um 22 Uhr war ich der Letzte, der die Speakerkabine abschloss, um 04.30 Uhr dann wieder der Erste, der sie betrat. Um dann um 5 Uhr – manchmal etwas früher, manchmal etwas später, die Sieger auf der Ziellinie begrüssen zu dürfen. Ich gebe zu: Immer mit Anerkennung, Ehrfurcht und Freude, nicht immer zum Vergnügen der Anwohner, die sich über (zu) euphorische Speakerleistungen zur sehr frühen Morgenstunde ärgerten.

Noch heute habe ich grossen Respekt vor der Leistung der Aktiven, die ich sehr anerkennend als Spinner bezeichne. Sympathische Spinner, die Zeit und Energie investieren, um etwas Aussergewöhnliches zu erreichen. Für mich müssen es dabei nicht gerade 100 Kilometer am Stück sein. Der Reiz eines eigenen Starts war jeweils bereits einige Tage nach dem Anlass wieder verflogen.

Im nächsten Jahr wird die 60. Austragung stattfinden. Zu hoffen ist schon heute, dass sich viele motivierte Läuferinnen und Läufer entschliessen, an diesem speziellen Anlass einen neuen Teilnehmerrekord aufzustellen. Ich selber verspreche hier und jetzt: Wenn nichts Aussergewöhnliches dazwischen kommt, bin ich 2018 am Start zum Nacht-Halbmarathon von Biel nach Aarberg. Sie auch?

Einer hat heuer erstmals gefehlt: Der Gründer und langjährige OK-Präsident Franz Reist ist am 13. Februar im Alter von 87 Jahren gestorben. Mit seiner exakten, konsequenten, ja fast sturen Art hat er den Lauf zu dem gemacht, was er heute ist. Franz hat sicher von irgendwoher zugeschaut. Man möchte ihm zurufen: „Franz, hesch gseh?“ Es läuft mit deinem Lauf, das Erbe wird aktiv und sorgfältig verwaltet. Vielleicht gar mal mit einem Franz-Reist-Gedenklauf?


brentsch@bielertagblatt.ch

Twitter: @BernhardRentsch

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