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Kafipause

Früher tönte es „Zitig läse, stop“ – und heute?

Im persönlichen Blog berichten BT-Chefredaktor Bernhard Rentsch und Parzival Meister, stellvertretender Chefredaktor und Redaktionsleiter, abwechslungsweise wöchentlich über Erlebnisse im privaten wie im beruflichen und gesellschaftlichen Leben – immer mit einem Augenzwinkern. Heute: Früher tönte es „Zitig läse, stop“ – und heute?

Bernhard Rentsch
  • Dossier

Wir Journalistinnen und Journalisten wollen Neuigkeiten verbreiten, gewichten, einordnen und kommentieren. Mit welchem Medium dies passiert, ist nicht entscheidend. Die Geschichte lehrt, dass Medien kommen und gehen. Tatsache ist, dass die Blütezeiten des Printjournalismus der Vergangenheit angehören. Der gedruckten Zeitung nicht abschwörend, produzieren wir parallel in digitaler Form. So nach dem Motto: «Wie und wo Sie uns lesen, ist nicht entscheidend. Dass Sie uns lesen, ist viel wichtiger.»

Der zunehmende Verzicht auf die Papierform der Zeitung hat aber nicht nur für Leserinnen und Leser oder für die Schreibenden Konsequenzen. Stellen Sie sich vor, wofür das bedruckte Altpapier noch dient. Auf dem Märit können tropfende Blumensträusse eingewickelt werden, der Transport von in Zeitungen verpackten Fischen ist zwar nicht mehr in, aber trotzdem noch in unseren Köpfen. Zeitungspapier kann zum Falten von Sonnenhüten oder Schiffli dienen, als Unterlage beim Malen und Streichen ist es unübertroffen. Grossflächig zugeklebte Schaufenster deuten darauf hin, dass – im negativen Fall – die Schliessung unausweichlich wurde, oder – dies dann schon viel positiver –, dass bald eine Überraschung neu zu entdecken ist. Und womit stopfen Sie Ihre nassen Schuhe aus? Klar, mit Zeitungspapier.

So viel zum Recyclinggedanken. Mit zunehmender Wärme werden nun auch wieder Freizeitvergnügen im Freien möglich, insbesondere auch für Kinder. Das führte kürzlich zur Beobachtung eines Spiels, das viele aus ihrer Jugend kennen: Ein Kind wendet sich mit verschlossenen Augen ab, die Anderen nähern sich während dieser Blindphase aus vereinbarter Distanz und versuchen, das erstgenannte Kind zu berühren. Dieses kann sich aber jederzeit blitzartig umdrehen und die sich Nähernden überraschen. Die Regeln sagen, dass wer sich bewegend ertappen lässt, an den Ausgangspunkt zurückgeschickt wird. Es ist also viel Ruhe und Vorsicht geboten. Wenn sich das Ziel der Annäherung umdreht, muss man sofort ganz ruhig – quasi eingefroren – stehen bleiben.

Weshalb das Spiel an dieser Stelle ins Zentrum gerückt wird, hängt mit dem akustischen Kommando zusammen, mit welchen das Kind mit verschlossenen Augen seine Bewegungen begleitet oder das Umdrehen ankündet. «Zitig läse, Zitig läse, stopp» war früher das Zeichen. Und ist es immer noch, zumindest da, wo die Beobachtung gemacht wurde. Die Frage sei erlaubt, ob die Kinder überhaupt wissen, wovon sie sprechen. Zumindest mit Blick auf die statistisch belegte Tatsache, dass immer mehr Kinder in ihrem Elternhaus gar nie mehr mit einer echten Zeitung Kontakt haben. Das kann nicht stimmen, denn das «Zitig läse, stopp» funktioniert noch wie damals.

Oder tönt es schon bald von den Spielplätzen: «Insta checken, stopp» oder «Tablett nutzen, stopp»?

brentsch@bielertagblatt.ch


 

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