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Biel

Für Strassenhunde radelt er durch Europa

Reto Steimer will einen Weltrekord aufstellen und unterwegs Spenden für den Tierschutz sammeln. Gestern haben 
der E-Bike-Nomade und seine tierische Begleitung in Biel einen Zwischenstopp gemacht.

Reto Steimer: "Wenn ich morgens losradle, weiss ich noch nicht, wo ich übernachten werde." Bild: Matthias Käser

Theresia Mühlemann

20 000 Kilometer, so weit will Reto Steimer in den nächsten Monaten reisen – per E-Bike. Am 22. August ist er in Muhr am See, südlich von Nürnberg, losgeradelt. Gelingt ihm das, so hätte er den Weltrekord für die längste Reise geknackt, die je mit einem E-Bike absolviert wurde. Die Aufmerksamkeit, die er durch dieses Projekt erweckt, nutzt der Aargauer, um Spendengelder für Tierschutzorganisationen in Bali und Griechenland zu sammeln, wo diese für die Rettung von Strassenhunden eingesetzt werden.

Inspiriert zu dieser Spendenaktion hat ihn seine kleine Hündin Maja, die ihm anfang 2021 in Bali nachgelaufen und nicht mehr von seiner Seite gewichen war, bis er beschlossen hatte, sie zu behalten.

Zwischenhalt in Biel

Gestern startete Steimer nach einer Übernachtung in Biel eine weitere Etappe nach Yverdon-les-Bains. Zuvor traf er sich mit dem BT auf ein Gespräch. Seine Junghündin, die ein wenig aussieht wie eine kleine Hyäne, thronte dabei entspannt im Anhänger.

Biel habe ihm schon immer gefallen, vor allem wegen des Sees, was ihn aber nun an der Stadt wirklich positiv überrasche, sei die Offenheit und Freundlichkeit der Leute hier. «Kaum war ich gestern angekommen, wurde ich spontan zum Kaffee eingeladen. Und eine Bielerin, die ich zuvor über ein Radiointerview kennen gelernt hatte, gab mir kurzerhand den Schlüssel zu ihrer Wohnung, da sie selbst gerade in die Ferien fahren wollte», schwärmt Hundefreund Steimer immer noch etwas ungläubig über so viel ihm entgegengebrachtes Vertrauen.

Seine Ausrüstung für die Reise wurde ihm von Sponsoren zur Verfügung gestellt. «Ich war eigentlich nie ein Minimalist, aber nun besitze ich tatsächlich kaum mehr 100 Dinge», sinniert er. Er hat wohl auch nur das Nötigste dabei, doch selbst dann seien es gegen 100 Kilogramm Last, die er mit dem Velo durch Europa ziehen werde. So müsse er auch seine Routen an die topografischen Verhältnisse anpassen, starke Steigungen seien trotz Unterstützung des E-Bike-Motors nicht zu bewältigen.

Er will sich Zeit nehmen

Eine weitere Herausforderung sei, die Kosten möglichst tief zu halten. Da er momentan von seinem Erspartem lebe, müsse er mit einem Tagesbudget von 20 Franken für ihn und seine Hündin durchkommen. Sein Plan ist es, an guten Tagen 60 oder 70 Kilometer weit zu fahren. In diesem Tempo würde es ihn ungefähr ein Jahr kosten, sein Ziel zu erreichen, doch Steimer kann sich auch gut vorstellen, sich dafür anderthalb oder zwei Jahre Zeit zu nehmen.

«Ich mache eigentlich überhaupt keine Pläne. Wenn ich morgens losradle, weiss ich noch nicht, wo ich abends übernachten werde», erzählt er. «Wenn ich irgendwo auf ein Essen oder einen Kaffee eingeladen werde, kann es auch einmal sein, dass ich nur 20 Kilometer weit fahre.» Auf seiner Reise möchte er sich bewusst die Zeit nehmen, Menschen und Kulturen kennenzulernen.

Doch nur zu reisen, ohne etwas zurückzugeben, das sei nicht seine Art, betont er. Er sei glücklich, wenn er mit seiner Aktion auf das Elend der Strassenhunde aufmerksam machen könne, und Spenden zusammenkämen. 30 000 Franken zu sammeln sei sein Ziel, das Geld sei bereits fest eingeplant für eigens von ihm ausgewählte Projekte, bei denen Transparenz und die direkte Verwendung der Mittel garantiert seien.

Schon vor Jahren hat er den Ruf verspürt, die Welt zu bereisen und sich für das Tierwohl einzusetzen. Doch hat er das Reisen immer nach hinten verschoben, da er im Beruf stark engagiert war. Irgendwann, so Steimer, sei ihm klar geworden, dass es keinen besseren Zeitpunkt gebe als jetzt, da er noch ohne familiäre Verpflichtungen sei. So zog er im Sommer 2020 los, arbeitete zuerst in Griechenland in einem Heim für Hunde, reiste dann weiter nach Bali, um sich dort ebenfalls um Strassenhunde zu kümmern. Nach der Begegnung mit Hündin Maja reifte in ihm der Plan, mit ihr im Anhänger eine grosse Reise zu unternehmen, was er nun, nur wenige Wochen nach seiner Rückkehr in die Schweiz diesen Sommer, in Angriff genommen hat.

Hunde in Not

Gerade in Bali habe ihn bestürzt, wie achtlos mit den herrenlosen Hunden umgegangen werde. «Ein Hundeleben hat dort keinen Wert, Hunde werden auf den Müll geworfen, vergiftet oder für rituelle Opferzeremonien verbrannt», erzählt er. Es sei wichtig, dass die Population der Hunde mit Kastrationen unter Kontrolle gebracht werde, und dass die Gesundheitsversorgung der Tiere gewährleistet sei. Dafür würde ein grosser Teil der Spenden eingesetzt. Auch die Sanierung eines Hundeheimes in Griechenland, das von Schimmel befallen sei, stehe ganz oben auf der Prioritätenliste.

Seine Reiseroute umreisst er grob wie folgt: «Bis zum Winter möchte ich nach Portugal kommen, dann über die Atlantikküste zurück und hoch zum Nordkap, von dort wieder Richtung Süden mit dem Ziel Türkei.» Schon bald wird er die Grenze zu Frankreich passieren. Für ihn sei es derzeit noch schwierig, abzuschätzen, wie viel Unterstützung ihm auf den weiteren Etappen zuteilwürde. Sprachbarrieren könnten es für ihn schwieriger machen, seine Mission unter die Leute zu bringen. Doch Steimer, der von sich sagt, er sei «immer positiv eingestellt», vertraut darauf, dass sich Wege finden werden.

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