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Biel/Holland

Gemeinderat von Internetbetrügern übertölpelt

Weil SP-Gemeinderat Cédric Némitz eine Zahlung verschwitzt hatte, verlor er seine alte Internetseite. Als er sie zurückhaben wollte, war sie aus Holland bereits zu einem betrügerischen Web-Shop umfunktioniert worden. Jetzt hat sich das Blatt erneut gewendet.

So sah die Betrugs-Website aus, bevor sie blockiert wurde. bt

von Patrick Furrer


Die Internetseite cedricnemitz.ch: Ein Web-Shop für Adidas-Turnschuhe, Qualitätsware, 70 Prozent unter dem aktuellen Marktpreis, und das erst noch bequem von zu Hause aus bestellbar. Angeboten von einer vertrauenswürdigen Persönlichkeit, niemand geringerem nämlich als dem Sportdirektor von Biel, Cédric Némitz. Könnte man zumindest meinen, denn die Seite hatte der Gemeinderat im April 2012 tatsächlich für seinen Wahlkampf registriert und zwei Jahre lang geführt. Dann allerdings verpasste er es, eine Rechnung zu zahlen, weshalb die Domain wieder freigegeben wurde. Als Némitz die Zahlung nachholen wollte, war es schon zu spät.


Jemand anders hatte ihm die Seite weggeschnappt und unter Némitz’ Namen einen Web-Shop für Adidas-Sportschuhe eingerichtet. Das nervt den Gemeinderat noch heute. «Unglaublich. Da hat einfach irgendwer meinen Namen zum Geldmachen missbraucht.» Einen juristischen Kampf wollte der Bildung-, Kultur- und Sportdirektor aber nicht anfangen. Er registrierte stattdessen die ähnliche Internetadresse cedric-nemitz.ch (mit Bindestrich) und schluckte den Ärger hinunter.


Falsche Spuren im Züribiet


Was Némitz nicht wusste: Nicht nur wird sein Name missbraucht, Es handelt sich zudem um einen betrügerischen Web-Shop, der gefälschte Ware anbietet. Im Selbstversuch wollte das «Bieler Tagblatt» Anfang diesen Juli, in Absprache mit dem Gemeinderat selbst, diesem ein paar Adidasschuhe bestellen. Die Kreditkartenzahlung funktionierte aber nicht. Eine Mailnachfrage wurde nicht beantwortet.


Wenig später bestätigt sich die Vermutung, dass hier tatsächlich Internetbetrüger am Werk sind. Obwohl die Seite auf einen Pascal Styner, Bauleiter in Fehraltdorf, angemeldet ist, hat dieser nie davon gehört. Auf Anfrage haut es ihn beinahe aus den Socken. Styner ist sauer. «Es ist eine Frechheit, dass da irgendjemand meinen Namen für eine Registrierung missbraucht und mir die Schuld in die Schuhe schieben will.» Der Mann kennt weder Némitz, noch war er jemals in Biel. Nicht einmal Adidas-Schuhe trägt er. Er sei «mehr der Hilfiger-Typ».


Drahtzieher in Holland


Tatsächlich sitzen die Leute hinter dem Web-Shop in Holland. Das bestätigt die Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität des Bundesamts für Polizei (Kobik): «Es handelt sich um einen typischen betrügerischen Webshop, der entweder gefälschte Produkte anbietet oder nach erfolgter Bezahlung keine Ware liefert.»


Domains würden von den Betrügern übernommen, nachdem diese von den ursprünglichen Besitzern nicht erneut registriert werden. Die Betrüger nutzen so die Bekanntheit einer Domain, um neue Kunden zu generieren. Dass sie sich in diesem Fall an der Marke Adidas vergreifen, stinkt dem Sportartikelhersteller selber gewaltig. «Das ist weder ein offizieller Händler, noch hat der Shop irgendeine Verbindung zu Adidas», sagt Markenmanager Guido Mazzolani. Man hoffe, dass die Seite bald vom Internet verschwinde.


Seite wird blockiert


Keine vergebliche Hoffnung, wie sich nun zeigt. Die Domainverwalterin Switch hat die Internetseite inzwischen blockiert. Sollten sich die Shopbetreiber innert vier Wochen nicht melden, wird sie gelöscht und die Domain wieder freigegeben. Gemäss Serge Droz, Sicherheitsleiter bei Switch, ist cedricnemitz.ch kein Einzelfall. «In der Schweiz fallen jedes Jahr mehrere hundert Internetseiten Betrügern zum Opfer.» Dass dabei gefälschte Ware angeboten wird, sei häufig. Ebenso, dass fremde Namen für die Registrierung benutzt werden.


Glücklich macht die baldige Löschung den übertölpelten Cédric Némitz. «Das ist eine super Nachricht, merci», sagte der Gemeinderat gestern. Er werde sich cedricnemitz.ch zurückholen, und vielleicht die zweite Domain gleich mitbehalten. Warum die Holländer gerade ihn als Opfer ausgesucht haben, bleibt ihm aber ein Rätsel. «So eine wichtige Person bin ich schliesslich nicht», meint Némitz.


Über diese Gründe kann man auch bei Switch nur spekulieren. «Das ist einfach eine der merkwürdigen Maschen solcher Betrüger», sagt Serge Droz. «Und davon gibt es leider reichlich viele.»

Kommentare

fup

Schon witzig hier den Link zur Spardebatte zu finden - alle Achtung :D


Biennensis

Cédric Némitz, der Direktor für Bildung, Kultur und Sport entpuppt sich als wahre Wundertüte! Der Gemeinderat hat sich mit seinen Kultur-Budget-Debatten (TOBS) als "Kult(ur)-Némitz“ schon einen Namen gemacht. Jetzt macht er sich als Sportdirektor auch mit Turnschuhen als "Web-Shop-Némitz" einen Namen. Was folgt als Nächstes – die Bildung… ?


retogugger

Wenigstens passt das Warenangebot zu seiner Direktion, "Bildung, Kultur und Sport". Kopf hoch, Hr. Némitz: es hätte auch noch schlimmer kommen können.


Boezinger

So, so, Zahlungen verschwitzen nennt man das euphemistisch. Da werden uns ja sonderbare (linke) Tugenden vorgelebt: Statt dass der Herr Gemeinderat seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommt und damit auch seiner Rolle als Vorbild nachkommt, zeigt er, dass er nicht einmal seine privaten Dinge im Griff hat und keine Skrupel besitzt, damit auch noch an die Öffentlichkeit zu treten und anderen die Verantwortung zuzuschieben. Tolle Politiker haben wir uns da gewählt!


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