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Corona-Blog

Gemeinsam gegen die Krise saufen?

Einen Schnaps zum Desinfizieren, ein Bier auf Ex zum Neutralisieren, dann einen Likör zum nochmal Desinfizieren – so geht eine Challenge, die auf Whatsapp umhergeschickt wird.

Symbolbild Keystone
  • Dossier

Manuela Schnyder, Redaktorin

Das Ganze nimmt man auf Video auf und verschickt es dem Vorgänger und drei Freunden, die man am Schluss des Videos auffordert, dasselbe zu tun. Dass man sich mit Alkohol-Trinken vor dem Virus nicht schützen kann, liegt auf der Hand. Doch gerade in Zeiten von Isolation und Langeweile scheinen sich solche Trink-Wettbewerbe rapide zu verbreiten. So hat es auch meinen Freund erwischt: Aus Jux trank er anstatt eines Biers in normaler Grösse gleich ein Mass, man(n) will ja den Massstab hoch setzen. Als er gleich weitere drei Tage hintereinander zum Trinken aufgefordert wurde, sind ihm aber der Spass daran vergangen und potenzielle Kandidaten ausgegangen: «Und dann noch meine Freundin», hörte ich am vierten Tag seines Challenge-Marathons aus dem Wohnzimmer. Ach herrje, soll ich das jetzt auch machen?

Sicher, solche Trinkspiele sind nie gesund und schon gar nicht, wenn man diese zu häufig zelebriert. Dass in Krisenzeiten aber vermehrt Alkohol getrunken wird, ist kein neues Phänomen. Und das sieht man derzeit auch an den leer geräumten Bierregalen in den Supermärkten. Getrunken wird das kühle Blonde in Pärken, beim Grillieren und oftmals eben auch einfach so zuhause: «Mein Freund trinkt manchmal schon am Nachmittag einen Drink», sagte etwa eine Freundin. «Dann nehm ich auch einen.»

Nun, der Chef sieht es ja nicht, wenn man jetzt im Homeoffice das Feierabend-Bier ein wenig vorzieht. Und irgendwie sind solche «verbotenen» Dinge auch mal reizvoll. Gefährlich wird es, wenn solche Rituale zur Gewohnheit werden. Eigentlich würde da der normale alkoholfreie Arbeitsalltag stabilisierend wirken. Nur ist dieser seit Mitte März in vielen Haushalten angesichts von Kurzarbeit und Homeoffice nicht mehr gegeben. Kurz: Ungesunde Routinen aufzubauen ist jetzt einfacher denn je.

Wäre es also raffiniert, wenn es gelingt, mitzumachen und irgendwie doch nicht? So hat eine Bekannte etwa eine Bierdose mit Wasser gefüllt, was zwar angesichts des zu schnellen Trinkens und des komischen Plätscherns aufgefallen ist, mit etwas mehr Schauspieltalent aber geklappt hätte. Doch dann könnte man es ja auch gleich sein lassen?


mschnyder@bielertagblatt.ch

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