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Fall Thorberg

Georges Gaccivio: Gefallener fallengelassen

Der Kanton kehrt dem Thorberg-Direktor den Rücken. Die Eskapaden auf dem Bieler Drogenstrich haben ihn den Kopf gekostet. Das – und mehr – belegt die Administrativuntersuchung.

Er steht auf weiter Flur alleine da: Georges Caccivio ist für den Kanton aufgrund seiner Führungsprobleme und privaten Eskapaden untragbar geworden. copyright:adrian streun/bieler tagblatt

«Das Recht nicht gebeugt»

Fall Thorberg

Die Verfehlungen des Bieler Gefängnisdirektors Georges Caccivio werden von einem Untersuchungsbericht untermauert. Er selbst betont, dass er gegen kein Gesetz verstossen habe.

«Das Wichtigste ist, dass der Bericht zeigt, dass keine strafrechtlichen Handlungen vorliegen», sagt Georges Caccivio dem «Bieler Tagblatt». Er habe stets gesagt, weder gegen Bundes- oder Kantonsrecht verstossen, noch das Recht «gebeugt» zu haben. Dennoch sind die Verfehlungen des Bielers so offensichtlich wie vielfältig, wie die gestern präsentierten Ergebnisse einer Administrativuntersuchung zeigen: Caccivio hat unter anderem eine Aktenkopie frisiert, die ihn in Verbindung mit dem Bieler Drogenstrich gebracht hat. Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP) kennt nach den Empfehlungen des Untersuchungsexperten Benjamin Brägger kein Pardon mehr. Der Imageschaden für die Direktion sei bereits gross genug. Eigentlich möchte Käser dem freigestellten Caccivio deshalb kündigen. Das kann er aber momentan nicht, weil dieser krank ist. Die Vorwürfe gegen seine Person haben ihn psychisch an die Belastungsgrenze gebracht, sagt Caccivio. Zudem hatte er auch private Rückschläge zu ertragen, womit er nun auf unbestimmte Zeit weiterhin krankgeschrieben bleibt. Dass ihn der Kanton wie eine heisse Kartoffel fallen lässt, will er aber nicht einfach auf sich sitzen lassen. Ihm steht rechtliches Gehör zu. Eine Kündigung will er anfechten. Eine Variante zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses wäre eine gegenseitige Austrittsvereinbarung mit dem Kanton. Damit verbunden kann theoretisch eine Abgangsentschädigung sein.

 

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von Patrick Furrer

Georges Caccivio, gescheiterter Direktor der Strafanstalt Thorberg, hatte jahrelang Verkehr mit Drogenprostituierten. Nicht nur vor seinem Amtsantritt, sondern selbst dann noch, als Polizei- und Militärdirektor Hans-Jürg Käser (FDP) im August 2013 von alt Nationalrat Hermann Weyeneth (SVP) über die Verfehlungen des Direx informiert worden war (das BT berichtete). Als «unglaublich dumm» wertete Käser gestern an der Medienkonferenz in Bern besonders, dass Caccivio «ausgerechnet in Biel im Kanton Bern» seiner frivolen Lust nachgegangen sei. Denn das hat ihn potenziell erpressbar gemacht.

Gut zwanzig Medienvertreter waren zur Präsentation der Ergebnisse der Administrativuntersuchung erschienen. Dabei wurden die weiteren Hauptvorwürfe gegen den Bieler erhärtet: Dass ihm die nötige Distanz zu Insassen fehlte, er mit zwei von ihnen sogar «Duzis» machte. Dass er dem «Schläger von Schüpfen», Igor L.*, Bilder abkaufte und den Erlös dem Insassen gutschrieb statt dem Kanton. Dass er einzelne Mitarbeitende bevorzugte und dass letztlich aufgrund der mangelhaften Organisationsstruktur des Thorberg bald ein Misstrauensklima geherrscht hatte.

Die Direktion will nun die Reorganisation des Thorberg sowie die Entflechtung der strategischen und operativen Führung vorantreiben. Ein Prozess, der schon vor der Anstellung Caccivios eingeleitet worden war.

Weitere «Fehler» entdeckt
Auch neue Verfehlungen wurden bekannt. Etwa, dass Caccivio im Bieler Regionalgefängnis einen ihm bekannten Insassen besucht und nach Thorberg geholt habe. Oder dass er eine Prügelei unter Mitarbeitenden quasi vertuscht habe. Das erklärte der externe Untersuchungsexperte Benjamin Brägger. Dieser schliesst aus den Untersuchungsergebnissen, dass sich Caccivio «ganz selbstverschuldet in diese Lage manövriert hat». Und für Käser stand ausser Frage, dass Caccivio mit seinem Verhalten nicht nur dem eigenen Ruf, sondern auch dem der Strafanstalt und des Kantons massiv geschadet hat.

Brägger stellte im Rahmen seiner Abklärung allerdings kein strafrechtlich relevantes Verhalten fest. Auch wurden die fachlichen Eignungen, Aus- und Weiterbildungen Caccivios erwähnt.

Und plötzlich sind alle krank
Anfang Februar wurde der Direktor per sofort seines Amts enthoben. Er ist freigestellt, aber nicht gekündigt. «Er ist krankgeschrieben», sagte Käser sichtlich genervt. Wann der Kanton die Kündigung aussprechen kann, ist offen. Angestrebt wird Herbst 2014. Die vertragliche Kündigungsfrist beträgt drei Monate. Eine Abgangsentschädigung «wird es nicht geben», konterte Käser auf die entsprechende Frage. Caccivio hat gegenüber dem BT allerdings telefonisch angekündigt, die Kündigung anzufechten (vergleiche Frontseite). Deshalb wolle er zu den einzelnen Vorwürfen nicht Stellung nehmen, zumal ihm der definitive Gesamtbericht noch nicht vorliege. Vor den Medien präsentiert wurde aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes lediglich eine Zusammenfassung.

Die Vorwürfe in der Gesamtheit bestreitet Caccivio nicht. Die Wertung und die Konsequenzen gehen ihm und seinem Anwalt aber zu weit. Derweil ist der Direktor nicht der einzige, der plötzlich krank geworden ist. Auch Amtsleiter Martin Kraemer wird per Ende Jahr aus Krankheitsgründen vorzeitig pensioniert. Dem 61-Jährigen gehe es gar nicht gut, so Käser. Krämers Rolle wurde in der Untersuchung ebenfalls genauer beleuchtet. Dabei seien im Anstellungsverfahren Caccivios «unprofessionelle» Fehler gemacht worden, so Brägger. Krämer bestreite diese Vorwürfe. Die einzige Rolle, die im Fall Thorberg nicht näher kritisch untersucht worden ist, ist die des Polizeidirektors selbst.

(Bisher) nur zwei Jahre im Amt
Ob er weiterhin Kontakt zum Drogenstrich pflegt und nicht finde, dass ein derartiger Umgang sich für einen «Amtsmann» nicht gehöre, wollte Caccivio nicht kommentieren.

Es scheint fast, als sei er aus einer Art «Helferkomplex» ins Drogenmilieu abgerutscht. Er selbst will jedenfalls nicht negativ von Drogenprostituierten reden. Beim Verein Yucca der Drogenanlaufstelle Yucca hatte er zumindest nicht nur eine passive Rolle (siehe Infobox). Und Caccivio findet es zumindest «bemerkenswert», dass Berichtverfasser Brägger schreibt, er habe sich aufgrund der chaotischen Zuständen auf dem Thorberg manchmal «20 bis 25 Jahre in die Schweizer Vollzugsvergangenheit» zurückversetzt gefühlt. «Aber ich», sagt Caccivio, «war nur zwei Jahre im Amt».


* Name der Redaktion bekannt

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