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Brügg

Grünes Kraut löst Goldrausch aus

Unter der Marke Oasiz produziert die ABC Verwaltungs AG in Brügg CBD-Hanf. Seit das nicht berauschende Kraut in der Schweiz legalisiert worden ist, erlebt es einen wahren Boom. Davon profitieren auch die vier Seeländer, die diese Woche eine Zusammenarbeit mit dem Grosshändler Prodega verkündeten. Die Produzenten wollen nun ihren Absatzmarkt entscheidend vergrössern.

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von Carmen Stalder


Von aussen weist nichts auf die Produktionsstätte hin. Ein schmuckloses graues Gebäude an der Portstrasse in Brügg, in dem verschiedene Firmen ihren Sitz haben. Auf einem kleinen Schild steht ABC Verwaltungs AG. Oberhalb des Eingangstors wacht eine Kamera über ankommende Besucher. Die Unscheinbarkeit, die leicht zu übersehende Beschriftung, die Videoüberwachung – all das ist gewollt, sagt einer der vier Firmeninhaber. Als der junge Mann, tätowiert und mit Baseball-Cap auf dem Kopf, die Türe zur Produktionsstätte öffnet, dringt warme Luft hinaus. Sie ist durchschwängert vom Cannabis-Geruch. Bei Partnern der Firma habe es schon mehrere Einbruchsversuche gegeben, sagt er. Diese seien allerdings erfolglos abgelaufen, denn alle Räumlichkeiten sind mit Alarmanlagen, Kameras und Erschütterungssensoren gesichert. Versucht jemand einzudringen, geht sofort eine Meldung an die Polizei.

Das Innere der Fabrikhalle ist geheizt und von unzähligen LED-Lampen erhellt. Über 1400 Cannabis-Pflanzen stehen auf mehrstöckigen Regalen und wachsen fast bis unter die Decke. Sie befinden sich in verschiedenen Wachstumsstadien, von kleinen Pflänzchen bis hin zu über einem Meter hohen Stauden. «Das sind unsere Mutterpflanzen», sagt der Kommunikationsverantwortliche Elie Kioutsoukis. Die Pflanzen sind das Herz von Oasiz, der Marke, unter der die Brügger Firma ihre CBD-Hanf-Produkte vertreibt.


Eigene Genetik entwickelt
Die vier Geschäftsinhaber, wohnhaft in der Region und zwischen 30 und 40 Jahre alt, haben sich der Produktion von CBD-Hanf verschrieben. Im Dezember 2016 haben sie ihre Firma gegründet – und seither praktisch pausenlos gearbeitet. Ihre Tage sind bis zu 14 Stunden lang, Ferien liegen keine drin. «Unser Geschäft hat solche Ausmasse angenommen, dass wir nun Angestellte benötigen», sagt Kioutsoukis.

Als sein Partner vor zweieinhalb Jahren begonnen hat, mit Cannabis-Pflanzen zu experimentieren, hätte er sich wohl kaum ausmalen können, wie rasant sich das CBD-Geschäft entwickeln würde. Monatelang bastelte er an der Genetik der Pflanze herum: Der THC-Gehalt musste unter 1 Prozent sinken, der CBD-Gehalt dagegen möglichst hoch sein. Anschliessend machte er sich daran, verschiedene Geschmäcker zu entwickeln: zitronig, süsslich, würzig, erdig oder sauer. Immer wieder hat er die Pflanzen miteinander gekreuzt, von 1000 hat er im Selektionsverfahren nur das eine, das perfekte Kraut ausgewählt. Die Kenntnisse dafür habe er sich selbst angeeignet.

Die eigens entwickelte Genetik der CBD-Pflanzen ist heute das streng gehütete Geheimnis der Firma, damit können sich die Hersteller von der Konkurrenz abheben. Ausserdem setzt Oasiz auf Bio-Dünger aus der Schweiz und verwendet keine Pestizide und Herbizide. Zur Bekämpfung von Schädlingen werden stattdessen Nützlinge und Bakterien eingesetzt. Man wolle das natürliche Produkt nicht mit Chemikalien belasten. «Unsere Produkte sind biologisch. Das dürfen wir allerdings nicht auf die Verpackung schreiben, da sie als Tabakersatzprodukte gelten», sagt Kioutsoukis. Gemäss dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) könnten Bezeichnungen wie «Biologisch» oder «Natürlich» die Konsumenten glauben lassen, rauchen sei gesund. «Wir legen grossen Wert darauf, solche Vorgaben auch zu befolgen», so Kioutsoukis.


Kiloweise Blüten auf dem Tisch
Die Mutterpflanzen in der Fabrikhalle sind das Ausgangsmaterial, aus dem Stecklinge gewonnen werden. Pro Monat schneiden die vier Männer rund 30000 Stecklinge. Die Mini-Pflänzchen stecken sie in Kultursubstrate, wo sie bald eigene Wurzeln schlagen. Weil die Platzverhältnisse in Brügg zu eng sind, gelangen die Stecklinge anschliessend zu Produktionspartnern in der ganzen Schweiz, welche einem strengen Qualitätssystem unterstellt sind. In deren Anlagen wachsen die Pflanzen weiter und bilden Blüten. In getrocknetem Zustand gelangen diese zurück an die Portstrasse. Von Hand packen die Oasiz-Inhaber anschliessend den Hanf in Aludosen à je vier Gramm. Um die 50 Franken kostet so eine im Handel. «Beim Abpacken stapeln sich die Blüten auf dem Tisch jeweils kiloweise», sagt Kioutsoukis.

Wer jetzt zu rechnen beginnt und in dem Geschäft das grosse Geld wittert, liegt nur teilweise richtig. «Es herrscht derzeit ein wahrer Goldrausch», sagt er, «immer neue Produzenten wollen auf den Zug aufspringen.» Doch neben dem Fakt, dass die Konkurrenz auf dem Markt immer grösser wird und damit auch die Preise heruntergedrückt werden, erschweren weitere Faktoren das schnelle Reichwerden. Die Indoor-Anlage etwa habe ein «grosses Vermögen» gekostet. Auch der laufende Betrieb verschlingt viel Geld. Hinzu kommen Tabaksteuern von 25 Prozent, welche die Firma an den Bund abtreten muss. So sagt denn auch der Sprecher: «Wir sind ein Start Up. Bisher haben wir all unsere Einnahmen wieder ins Geschäft gesteckt.»


Nicht alle werden überleben
Doch die viele Arbeit scheint sich nun auszuzahlen. Bereits sind die Oasiz-Produkte schweizweit an über 70 Verkaufsstellen erhältlich. In Biel beispielsweise im Tabakfachgeschäft Keller oder im CBD-Laden Hempbar. Seit Anfang Oktober bieten neu auch die Grosshändler Prodega und Growa die Produkte der Seeländer an. «Damit können wir einen grösseren Absatzmarkt erschliessen», freuen sich die Betreiber. Ihr Ziel lautet ganz klar, weiter zu wachsen. Bereits seien Verhandlungen mit weiteren Detailhändlern am Laufen.

Den aktuellen Hanf-Boom sehen die Produzenten jedoch eher kritisch. Gerade jetzt im Herbst werde der Markt wohl bald übersättigt, wird doch in den nächsten Wochen der Outdoor-Hanf geerntet. «Es ist zu erwarten, dass viele Hersteller bald in Schwierigkeiten gelangen», glaubt Kioutsoukis. Gerade wer sich nicht von der Konkurrenz abheben könne, werde es schwer haben. Was dies angeht, machen sich die Unternehmer von Oasiz keine Sorgen. Indem man auf hohe Qualität und Transparenz setze, stünden die Überlebenschancen ihrer Firma gut. «Oasiz ist unser Baby. Das geben wir nicht so schnell wieder auf.»

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Was ist CBD-Hanf?

- In der Hanfpflanze finden sich über 80 Cannabinoide. Die wichtigsten Cannabinoide sind das berauschende Tetrahydrocannabinol (THC) und das nicht berauschende Cannabidiol (CBD).
- 2011 erhöhte der Bund die gesetzlich erlaubte THC-Limite für Hanfpflanzen von 0,3 auf 1 Prozent. Da CBD-Hanf weniger als 1 Prozent THC enthält, unterliegt es nicht dem Betäubungsmittelgesetz und kann in der Schweiz legal konsumiert werden.
- Dem CBD-Hanf wird nachgesagt, dass es entkrampfend, entzündungshemmend und angstlösend wirkt. Gemäss dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist die medizinische Wirkung von CBD jedoch erst ungenügend erforscht.
- Neben CBD-Hanfblüten gibt es auch Öle, Nahrungsergänzungsmittel, Liquids für E-Zigaretten oder Pflegeprodukte.

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Der Hanf erlebt einen neuen Boom

Seit CBD-Hanf legalisiert worden ist, wächst die Anbaufläche in der Schweiz rasant . Doch die rechtliche Situation bleibt weiterhin umständlich, denn legales unterscheidet sich kaum von illegalem Gras.

Im August 2016 hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) den CBD-Hanf (siehe Infobox links) zum Rauchen bewilligt. Seither ist es legal, sich mit dem nicht berauschenden Gras einen Joint zu drehen. Mittlerweile gibt es die Ware nicht mehr nur in klassischen Hanfläden, sondern auch bei Detailhändlern wie Denner und Coop oder an Kiosken zu kaufen.

Vom Boom profitiert auch der Bund: In den letzten zwölf Monaten haben sich über 340 Hersteller bei der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) registriert. Es wird geschätzt, dass für das laufende Jahr Steuereinnahmen von 15 Millionen Franken zusammenkommen. Denn:«Unabhängig von ihrer Aufmachung sind grundsätzlich alle Cannabisprodukte, welche zum Rauchen oder Vaporisieren bestimmt sind, tabaksteuerpflichtig», sagt EZV-Sprecherin Martina Wirth.

Bevor ein neues Tabakersatzprodukt, das Cannabis enthält, auf den Markt gebracht werden darf, muss es ausserdem dem BAG gemeldet werden. Mediensprecher Adrien Kay sagt auf Anfrage, dass sich beim BAG bis heute 129 Firmen mit 267 verschiedenen Produkten angemeldet haben.


Anbaufläche verdoppelt
Wie gross derzeit der Hype um das legale Gras ist, zeigen Zahlen des Schweizerischen Bauernverbandes. 2014 wurden im ganzen Land 6 Hektaren Hanf angepflanzt. 2016 waren es bereits 29 und für 2017 rechnet der Verband mit 59 Hektaren. Die Fläche dürfte sich damit innerhalb eines Jahres etwa verdoppelt haben. «Wir erleben einen neuen Boom», sagt Sandra Helfenstein, Kommunikationsleiterin beim Bauernverband. Der Kanton Bern hat 2016 hinter den Kantonen Zürich, Thurgau und Waadtland die grösste Anbaufläche aufgewiesen.

Im ersten Hanfboom um die Jahrtausendwende sei Hanf vor allem als interessante Faserpflanze und nachwachsender Rohstoff gehandelt worden, erklärt Helfenstein. Da sich beides wirtschaftlich nicht gelohnt hat, gingen die Flächen extrem zurück. Nun ist die Nachfrage so gross wie noch nie zuvor. Lohnt es sich also als Landwirt, auf den Trend aufzuspringen? «Da es sich derzeit um einen neuen Markt handelt, ist die Wirtschaftlichkeit sicher viel besser, als jene von etablierten Kulturen», so Helfenstein.


Legal oder illegal lautet die Frage
Es gebe aber durchaus noch ein paar offene Fragen – gerade, was die Nachfrage betreffe. Zum Beispiel: Zieht Schweizer Anbau auf dem Markt wirklich als Verkaufsargument? «Zudem ist der Hanfanbau mit gewissen Problemen verbunden, zum Beispiel bei der Überwachung der Felder, damit diese nicht in einer Nacht- und Nebelaktion abgeräumt werden», sagt Helfenstein.

Etwas verworren ist auch die rechtliche Situation. Fakt ist:CBD-Hanf ist legal, THC-Hanf ist illegal. Die Polizei steht demzufolge bei Kontrollen vor einem Problem:«Die Herausforderung liegt in der Tatsache, dass legales Cannabis rein optisch und geruchlich nicht von illegalem Cannabis zu unterscheiden ist», sagt Sidonie Perroud von der Berner Kantonspolizei.


CBD-Hanf wird auch beschlagnahmt
Laut dem Bundesgericht fällt der Besitz von unter zehn Gramm eines Betäubungsmittels unter Artikel 19b des Betäubungsmittelgesetzes. Dieser Artikel besagt, dass wer nur eine geringfügige Menge eines Betäubungsmittels für den eigenen Konsum vorbereitet, nicht strafbar ist. Kontrolliert die Polizei also eine Person und findet bei dieser weniger als zehn Gramm Cannabis, kommt sie ohne Anzeige davon.

Behalten darf die Person das Gras allerdings vorerst nicht – auch wenn es sich um legal erworbenes CBD-Hanf handelt. «Die Substanz wird in jedem Fall zuhanden des zuständigen Regierungsstatthalteramtes sichergestellt, welches dann über das weitere Vorgehen entscheidet», sagt Perroud.

Auf Anfrage sagt Béatrice Meyer, stellvertretende Regierungsstatthalterin des Amtes Biel/Bienne, dass man das beschlagnahmte Hanf an das Institut für Rechtsmedizin an der Universität Bern schicke. Dort wird es im Labor auf den THC-Gehalt untersucht.

Das Paradoxe: Eine solche Analyse kostet gemäss Meyer 330 Franken. Eine Ordnungsbusse für den Besitz von THC-haltigem Cannabis kostet dagegen nur 100 Franken. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass das Regierungsstatthalteramt solche Analysen nur äusserst selten durchführen lässt – im laufenden Jahr nämlich erst zwei Mal, wie Meyer bestätigt. Falls sich die beschlagnahmte Ware übrigens im Labor als legales CBD-Hanf herausstellt, wird dem Besitzer sein Gras durch die Polizei zurückgegeben.

Stichwörter: CBD, CBD-Hanf, Gras, Cannabis

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