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„Krawattenzwang“

Haben Sie schon mal gestreikt – so richtig?

Im persönlichen Blog berichtet Bernhard Rentsch, publizistischer Leiter der Gesamtredaktion und Chefredaktor „Bieler Tagblatt“ wöchentlich über Erlebnisse im privaten wie im beruflichen/gesellschaftlichen Leben – dies immer mit einem Augenzwinkern. Heute: Haben Sie schon mal gestreikt – so richtig?

Bernhard Rentsch: Krawattenzwang
  • Dossier

Haben Sie schon mal gestreikt – so richtig? Nicht, dass man am Morgen etwas länger im Bett liegen bleibt. Nicht, dass man eine unangenehme Verabredung platzen lässt. Nicht, dass man ungeliebtes Essen verweigert, weil man eben gerade keinen Hunger hat. Nein, ich meine Streiken als Recht, Streik als «ein Mittel des Arbeitskampfes durch kollektive Arbeitsniederlegung», wie es der Definition zu entnehmen ist.

Aktuell ist das Thema einerseits aus historischer Sicht: Fast auf den Tag genau 100 Jahre ist es her, dass vom 7. – 14. November 1918 rund 250’000 Menschen im Rahmen des grossen Landesstreiks im ganzen Land auf die Strasse gingen. Im Rahmen verschiedener Ausstellungen oder Jubiläumsfeiern wird den speziellen Geschehnissen, bis hin zu Todesfällen, gedacht. Aktuell ist das Thema andererseits, weil einzelne Branchen und Angestellte bestimmter Firmen noch heute – oder besser: immer wieder – mit dem Thema der Arbeitsniederlegung konfrontiert sind.

Es geht hier weder um einen Aufruf zum Streiken noch um ein Be- oder Verurteilung der Massnahmen, die im Arbeitskampf oft der letzte Schritt bei ausweglosen Situationen sind. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion im Neuen Museum Biel habe ich einen spannenden vertieften Einblick in die Geschichte und ins Wesen von Streikbewegungen erhalten. Dass es ein legitimes Recht der Arbeitnehmer ist, ist wichtig zu wissen. Auch, dass für einen «korrekten Streik» ganz klar definierte Regeln gelten: Der Streik muss von einer Arbeitnehmerorganisation getragen werden, die mit der Arbeitgeberseite Verhandlungen über Arbeitsbedingungen führen kann. Der Streik muss durch in einem Gesamtarbeitsvertrag regelbare Ziele verfolgen, also beispielsweise höhere Löhne oder früheres Pensionierungsalter. Der Streik darf nicht gegen eine bestehende (etwa im Gesamtarbeitsvertrag verankerte) Friedenspflicht verstossen. Und: Der Streik muss verhältnismässig sein. Weiter ist entscheidend, zwischen überbordenden Emotionen der Teilnehmenden und der zielgerichteten Umsetzung eine heikle Balance zu finden gilt. Richtig streiken ist anstrengend und belastend – es ist nicht einfach Nicht-Arbeiten.

Wer mehr wissen will, informiere sich bitte direkt mittels einer aktuellen Wanderausstellung, die momentan in Biel «unterwegs» ist: 5. – 11.11. Zentralplatz, 12. – 18.11. Bahnhofplatz, 19. – 25.11. Walserplatz, 25.–28.11. Neumarktplatz.


brentsch@bielertagblatt.ch

Twitter: @BernhardRentsch

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