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Mobilität

«Hilft mir, Rhythmus zu finden»

Nebst seinem praktischen Nutzen für die Benutzer ist «Velospot» auch in sozialer Hinsicht ein gelungenes Projekt. Die Beteiligten finden so wieder zu einer geregelten Tagesstruktur.

Yannick schleppt in der Pestalozzi-Allee ein Velo ab, um damit die übrigen Stationen im Lindequartier auszustatten. Bild: vb

(vb/rw) In der Stadt ist es noch dunkel, als das Team des Landschaftswerks seine Vorbereitungen beendet, um sich anschliessend dem Unterhalt der «Velospot»-Stationen zu widmen. Die sieben Sozialhilfebezüger wurden von der Fachstelle Arbeitsintegration (FAI) bestimmt, um in den Räumen des Landschaftswerks hinter dem Bahnhof im Einsatz zu stehen. Beat* kümmert sich um die Veloreparatur: «Bevor ich hierher kam, hatte ich nichts. Sechs Monate Nichtstun, das geht. Aber mehr wird rasch langweilig.»

Auf den Bieler Strassen liegt noch Schnee. Yannick* und Antonio* sind von Kopf bis Fuss eingepackt, um den eisigen Temperaturen zu trotzen. Sie steigen auf ihr Elektrovelo, das über einen Anhänger verfügt, und begeben sich in die Randquartiere der Stadt. Marcel* und Mustafa* suchen hingegen zu Fuss das Stadtzentrum auf. Die «Velospotter» haben den Auftrag, mindestens einmal täglich alle 37 Stationen der Stadt zu kontrollieren.

Nach einigen hundert Metern und einem knapp vermiedenen Sturz machen Antonio und Yannick bei einer ersten Station am Zihlplatz Halt. Auf dem Programm stehen Schneeräumung sowie die Kontrolle der Bremsen, Gänge und Schlösser. «Nur vier Velos lassen sich nicht öffnen», stellt Antonio fest. Die eisigen Temperaturen haben rund 15 Prozent der Velos zugesetzt. «Wir werden später noch einmal hier vorbeikommen, um sie in die Reparaturwerkstatt zu bringen. Bei diesem Schnee ist es nicht einfach, mit einem beladenen Anhänger zu fahren.»

Eine Station weiter in der Pestalozzi-Allee beschliessen die beiden, zwei der acht Velos aufzuladen, um andere weniger ausgerüstete Stationen damit auszustatten. Damit beweisen sie ein gutes Gespür, finden sie doch an der Krähenbergstrasse nur ein einziges Velo vor. Die «Velospotter» sind in der Lage, die Stationen aufgrund ihrer Erfahrungen auszugleichen. Normalerweise trifft Yann Walliser, Mobilitätsleiter beim Landschaftswerk, die entsprechende Entscheidung. Er analysiert die Bewegungen zwischen den Stationen vom Hauptquartier des Sozialunternehmens aus. Die «Velospotter» durchqueren die Stadt montags bis freitags von 7 Uhr morgens bis mittags und von 15 bis 17.45 Uhr. Am Samstag sind sie von 9 bis 17 Uhr unterwegs. Der soziale Aspekt des Projekts Velospot scheint seine Früchte zu tragen, schätzen es doch die Beteiligten, wieder zu einem Lebensrhythmus zurückfinden zu können. «Diese Erfahrung erlaubt es mir, meinen Lebenslauf zu bereichern, und motiviert mich, am Morgen aufzustehen. Es hilft mir, einen Rhythmus zu finden, statt zu Hause oder draussen rumzuhängen», berichtet der 22-jährige Antonio. Er ist schon seit vier Jahren von der Sozialhilfe abhängig. Seit dem 20. September ist er beim «Velospot» tätig, bei dem er am 15. März aussteigen wird, wenn er einen Job findet. «Egal was, Hauptsache, es hat mit der Not ein Ende, in der ich mich befinde. Seit ich die obligatorische Schulzeit abgeschlossen habe, habe ich Jobs als Maurer, Pizzaiolo, Thermolackierer, Maler, Angestellter in der Uhrenbranche oder Koch übernommen. Da ich mich auch für den Hauslieferdienst eigne, hoffe ich, in diesem Bereich einen Job zu finden. Ich kenne die Stadt sehr gut.»

Die von der FAI untergebrachten Personen beziehen zwar Sozialhilfe. Trotzdem erhalten sie einen zusätzlichen Integrationsbeitrag, der je nach ihrem Beschäftigungsgrad beim Landschaftswerk 150 bis 300 Franken beträgt. «Die finanziellen Bedingungen sind nicht gut. Diese Beschäftigung ermöglicht es mir aber, von zu Hause wegzukommen. Dort fällt mir die Decke auf den Kopf», schildert der 52-jährige Marcel*. Er lädt gerade die Batterie der Station am Bahnhof auf.

Da die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass sich die Beteiligten von «Velospot» rasch wieder in den Arbeitsmarkt integrieren können, finden sie hier eine Beschäftigung, die bis zu 18 Monate dauern kann. Dies alles erfolgt in einem weniger bindenden Rahmen, als es im Ersten Arbeitsmarkt der Fall wäre.

 

Vier Sozialprojekte

Das Landschaftswerk leitet insgesamt vier Sozialprojekte im Zusammenhang mit der Mobilität. Mit der Stadt Biel sind Verhandlungen im Gang, um den Ordnungsdienst der Velos am Bahnhof zu regeln. Insgesamt handelt es sich um 20 Vollzeitstellen, die den Lieferservice von «1-2 Domicile» (1000 Prozent), «Velospot» (700 Prozent), die Sauberkeit in den Bussen und den Unterhalt der Informationsstelen (300 Prozent für beide) betreffen. Bei den beiden ersten Projekten arbeitet das Landschaftswerk fast ausschliesslich mit Sozialhilfebezügern zusammen. An den beiden übrigen Projekten ist das Rote Kreuz beteiligt. «Es handelt sich um Migranten, die gerade erst angekommen sind und über einen B-, beziehungsweise F-Ausweis verfügen, oder um Asylbewerber, die das Rote Kreuz im Rahmen seiner Integrationsabteilung an unsere Stellen verweist», erklärt Yann Walliser, der die vier Projekte leitet. Er stellt fest, dass das Programm 1-2 Domicile bei den Beteiligten auf Anklang stösst. «Die grosse Mehrheit von ihnen schätzt den Kontakt mit der Kundschaft. Das Programm kann einen gewissen Stress verursachen, indem der Morgen ruhig und der Nachmittag intensiver sein kann. Die drei übrigen Projekte bieten den Teilnehmenden eine stabilere Tätigkeit. Ganz allgemein ist darauf hinzuweisen, dass diese Programme eine Aufwertung sind. Deshalb ist es wichtig, der treuen Kundschaft insbesondere für ‹1-2 Domicile› und ‹Velospot› zu danken. Ohne sie würden diese Plätze zur Wiedereingliederung nicht bestehen.»

* Alle Namen der Redaktion bekannt.

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