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Politik

«Ich habe das getan, was zu tun war»

Nach 24 Jahren im Grossen Rat geht für Jean-Pierre Aellen eine Ära zu Ende. Der 68-jährige Tavanner erinnert sich an die Anfänge, die Höhepunkte, schwierige Momente und spricht über sein neues politisches Mandat.

Die Zeit als Grossrat ist vorbei, doch Jean-Pierre Aellen hat bereits ein neues Mandat übernommen. Dabei wollte er doch kürzertreten. Bild: Stéphane Gerber/a

Insgesamt sechs Legislaturperioden hat Jean-Pierre Aellen aus Tavannes im Berner Rathaus verbracht. Nach 24 Jahren geht das Engagement des bernjurassischen Politikers nun zu Ende. «Ich habe meine Ämter nicht wegen der Macht übernommen», so Aellen. «Ich hoffte vielmehr, die kantonalen Geschäfte ein wenig beeinflussen zu können.» Nun möchte sich das Mitglied des Parti socialiste autonome (PSA) seiner Familie widmen. Angesichts der Bilanz, die er nach 24 Jahren zieht, lächelt der amtsälteste Grossrat: «Ich glaube, ich habe das getan, was zu tun war.» Er habe sich «so gut es ging, für die Interessen der am stärksten Benachteiligten sowie der Bewohner des Berner Juras eingesetzt.»

 

«Mit grossen Augen»

Der 68-jährige pensionierte Primarlehrer gibt zu, dass er sich nicht mehr an alle Dossiers erinnern kann. Auch einige seiner Siege oder Niederlagen hat er vergessen. «Die Erinnerungen verblassen mit der Zeit.» Seine ersten Schritte, die er 1990 im Rathaus machte, sind jedoch unvergesslich geblieben. «Kaum hatte ich auf meinem Sitz Platz genommen, reichte ich auch schon sechs Vorstösse ein. Meine Amtskolleginnen und Amtskollegen schauten mich mit grossen Augen an», sagt er und schmunzelt.

Noch eindrücklicher als dieser Start mit Pauken und Trompeten war die Tatsache, dass Jean-Pierre Aellen einen goldenen Sitz besetzte. Diesen hatte er von Pierre-Alain Droz (Anm. d. Red.: damaliger Autonomist, der anschliessend zu den Antiseparatisten wechselte) übernommen. Auf diesen politischen Sieg ist Jean-Pierre Aellen bis heute stolz. Er freut sich auch immer noch darüber, dass er 1978 in Tavannes zum ersten PSA-Gemeinderat im Berner Jura gewählt wurde. «Ich war auch der erste PSA-Gemeindepräsident im Dorf», betont er. 1976 gehörte er zu den Gründern seiner Partei.

 

«Völlig unverständlich»

In Jean-Pierre Aellen ist die autonomistische Flamme nie erloschen. Im Rathaus profilierte sich der Politiker aus Tavannes vor allem mit Dossiers, die mit Jurafragen zu tun hatten oder die Bildung, den sozialen Bereich und die Gesundheit betrafen. Zu den prägendsten Augenblicken in Bern gehörte für ihn der Kantonswechsel von Vellerat und Laufen. «Im Dossier der Jurafrage war dies ein Schlüsselmoment». Seine Mitbürgerinnen und Mitbürger im Berner Jura weist er darauf hin, dass er sich für die Anerkennung der französischen Sprache eingesetzt hat. «Zahlreiche Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner beklagten sich, sie würden ihre administrativen Unterlagen auf Deutsch erhalten», erinnert er sich. Er ist stolz darauf die Dinge ins Rollen gebracht zu haben. «Dies war sehr zeitaufwendig. Die Resultate sind aber inzwischen deutlich sichtbar.»

Im Laufe der Jahre erlebte Jean-Pierre Aellen bezüglich der Kräfteverhältnisse im Grossen Rat tiefgreifende Veränderungen. «Wir, die Romands, und noch stärker die Autonomisten, wurden wie Pestkranke behandelt. Unsere Ideen wurden sehr oft unter den Tisch gewischt und einige Monate später von irgendeinem Deutschschweizer Grossrat wieder aufgegriffen», stellt er fest.

Im Rathaus habe damals eine bedrückende Atmosphäre geherrscht. Nach der Beziehung zwischen dem Parti socialiste du Jura bernois und dem PSA befragt, berichtet er: «Damals war es schon viel, wenn man sich überhaupt grüsste.» Zum Glück hätten sich die Dinge aber weiterentwickelt. «Auch wenn wir uns heute auf der Tribüne gegenseitig aufs Korn nehmen, scherzen wir nachher in der Beiz zusammen.»

Auf Enttäuschungen angesprochen, erklärt er: «Das ‹krumme Ding›, das ein Grossratspräsident drehte. Inzwischen habe ich aber sogar seinen Namen vergessen.» Danach befragt, was denn dieser falsch gemacht habe, sagt er: «Bei Gleichstand nach einer Abstimmung über ein wichtiges Sozialdossier sorgte dieser für den Stichentscheid zugunsten der Rechten. Dabei war er ein SP-Politiker. Das war völlig unverständlich.» Jean-Pierre Aellen scheint die bittere Pille bis heute nicht ganz verdaut zu haben.

 

«Familie kaum gesehen»

Während seiner 24-jährigen Amtszeit stand Jean-Pierre Aellen unermüdlich im Einsatz. «Ehrlich gesagt, habe ich überhaupt nicht gemerkt, wie die Zeit vergangen ist», so Aellen. Er bereue weder irgendetwas, was er in all dieser Zeit gesagt habe, noch irgendeinen Vorstoss, den er eingereicht habe. Nun sei aber die Zeit für einen Rücktritt gekommen. «Seit meinen politischen Anfängen im Jahr 1978 übernahm ich die verschiedensten Mandate. Ich habe deswegen meine Frau und meine drei Kinder kaum gesehen», sagt er. Nun wolle er sich seiner Familie widmen, bevor er zu alt sei. «Wenn ich mich mit einem Bein aus der Politik zurückziehe, bedeutet dies aber nicht, dass ich mich überhaupt nicht mehr diesen Geschäften widme.» Und so hat der PSA-Politiker ein neues Mandat im Bernjurassischen Rat übernommen. «Nach dem 24. November steht viel Arbeit an. Dies gilt insbesondere für den Status Quo+, der derzeit nicht gerade viel bringt, sowie für Moutier.» cab/rw

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