Sie sind hier

Abo

Biel

«Ich hätte gerne einmal für Schweden gespielt»

Jan Neuenschwander mag die schwedische Küche. Und er besucht regelmässig das Heimatland seiner Mutter. Als Doppelbürger sieht er sich das Spiel Schweiz-Schweden aber neutral an. Der Stürmer des EHC Biel glaubt, dass sich die Schweiz am Ende knapp durchsetzen wird.

Jan Neuenschwanders Vorbild ist der exzentrische schwedische Fussballstar Zlatan Ibrahimović.  Copyright Peter Samuel Jaggi / Bieler Tagblatt

Interview: Peter Staub

Jan Neuenschwander, wie haben Sie reagiert, als klar war, dass die Schweizer Nati an der Fussball-WM im Achtelfinal auf Schweden trifft?
Jan Neuenschwander: Im ersten Moment dachte ich: «Oh, nein.» Aber jetzt kann ich sagen: Immerhin kommt eines meiner Teams in den Viertelfinal.

Das heisst, Sie können sich so oder so freuen oder Sie sind so oder so enttäuscht?
Beides. Aber ich bin im Moment recht neutral, was diese Frage angeht. Die Schweiz ist cool, weil ich hier die ganze Atmosphäre mitkriege, und von der Qualität her haben die Schweizer wahrscheinlich ein wenig die bessere Mannschaft. Aber die Schweden haben bisher super gespielt und sie haben vielleicht den besseren Teamgeist. Gegen Mexiko haben sie überzeugt. Deshalb könnte es für die Schweiz doch gefährlich werden.

Ihre Mutter ist Schwedin und Sie sind schwedisch-schweizerischer Doppelbürger. Wem haben Sie den Daumen gedrückt, als die Schweiz im Mai an der Eishockey-WM im Final gegen Schweden spielte?
Im Eishockey war ich eigentlich von klein auf für Schweden. Das schwedische Team, die «Tre Kronor», als die drei Kronen, wie sie genannt werden, war schon immer mein Vorbild, wo ich es mal hinschaffen wollte. Aber seit ich in der Schweiz in Junioren-Nationalmannschaften spielte, identifizierte ich mich immer stärker auch mit der Schweiz. Und in diesem Jahr hätte ich der Schweiz den WM-Titel wirklich gegönnt. Sogar meine Mutter, die immer noch für die Schweden ist, hätte sich nun für die Schweiz gefreut, wenn sie gewonnen hätte.

Ihre Mutter kommt aus Göteborg. Sind Sie oft in Schweden?
Ja, ich bin jedes Jahr ein- bis zweimal in Göteborg. Als ich noch zur Schule ging, waren wir pro Jahr neun Wochen lang in Schweden, jeweils drei Wochen im Frühling und sechs Wochen im Sommer. Seit ich jedoch Profi bin, reduziert sich das auf den Sommer, aber diese Wochen sind immer fest in meinem Terminkalender eingetragen.

Haben Sie da ein Häuschen draussen in den Schären?
Genau. Wir haben ein kleines Häuschen auf einer Schäreninsel, direkt am Meer und ein kleines Boot. Wenn gutes Wetter herrscht, gibt es keinen schöneren Ort auf der Welt.

Wie kam Ihre Mutter in die Schweiz?
Ihre Schwester hatte bereits in Davos gearbeitet, beide kannten die Schweiz vom Skifahren her. Meine Mutter arbeitete dann in einem Bergrestaurant in Davos im Service. Und mein Vater arbeitete ebenfalls in der Saison an einem Skilift, so lernten sie sich kennen. Und so ist sie hiergeblieben.

Und sie wird den Schweden den Daumen drücken?
Ich glaube ja (lacht).

Was denken Sie: Ist nun der Moment der Revanche für die Final-Niederlage im Eishockey gekommen?
Es kann gut sein. Wahrscheinlich wird es ein sehr enges Spiel, vielleicht sogar mit Verlängerung, aber am Ende wird sich wohl die Schweiz durchsetzen.

Sie sprechen perfekt Schwedisch. Wollten Sie nie in Schweden Eishockey spielen?
Doch, das war immer mein Ziel. Ich wollte schon das Gymnasium in Schweden machen. Aber als ich dort schnuppern ging, war ich ein Jahr zu spät, weil das Gymnasium in Schweden früher beginnt als hier. Es ist immer noch ein Traum, bisher hat es nicht geklappt. Ich würde gerne mal da leben.

Haben Sie ein schwedisches Lieblingsgericht?
Ich mag die schwedische Küche gern. Fisch generell, zum Beispiel Hering mit Knäckebrot. Oder Fleischbällchen.

Kochen Sie zuhause auch schwedische Menüs?
Ja, tatsächlich. Vor allem Dorsch- und Lachsgerichte. Zum Beispiel ein Dorschrückenfilet mit Kartoffeln und geschmolzener Butter. Und dann Meerrettich darüber raffeln. Das ist ganz einfach.

Ihr Vorbild ist der schwedische Fussballer Zlatan Ibrahimović, der an der WM nicht dabei ist. Das ist für einen Eishockey-Spieler etwas ungewöhnlich.
Er ist in Schweden ein Riesenidol. Über seine fussballerischen Qualitäten muss man nicht diskutieren: Er ist Weltklasse.

Aber er hat auch immer wieder für Skandale gesorgt.
Ich finde es cool, wenn einer zwar eine grosse Klappe hat, dann aber auch tatsächlich liefert. Und da ich ein eher ruhiger Typ bin, hat es vielleicht auch damit zu tun, dass mich der Gegensatz anzieht.

Haben Sie Fussball gespielt?
Als ich klein war, spielte ich lange im Fussballklub. Aber in Davos ist man halt schon eher auf Wintersport ausgerichtet. Und Eishockey hat mir mehr Spass gemacht.

Die Schweden gelten als freundliche Menschen, aber auch als reserviert. Wie erleben Sie das?
Ich erlebe die Schweden im Gegensatz zu anderen Nordländern eigentlich als eher offen, die auf Menschen zugehen und hilfsbereit sind. Die Schweizer sind da manchmal reservierter und eher etwas bünzlig. Aber sonst sind wir uns doch recht ähnlich.

Wie haben Sie sich in Biel eingelebt?
Super. Am Anfang hat es eine gewisse Zeit gedauert, bis ich mir ein Umfeld aufgebaut habe. Aber mittlerweile fühle ich mich hier heimisch. Es gefällt mir sehr gut.

Jonas Hiller geht Kitesurfen. Wie halten Sie es mit dem See?
Zum Kitesurfen bin ich noch nicht gekommen. Ich gehe lieber baden, bin aber sehr gerne am See. Aus Schweden bin ich mir auch kältere Temperaturen gewohnt.

Unterscheidet sich die Mentalität der Seeländer von jener der Menschen in Davos?
Das kann man schon sagen. Bieler sind ein sehr gemütliches, offenes Volk. Die Bündner sind eher zurückhaltend gegenüber Neuem.

Über Sie gibt es einen Wikipedia-Eintrag. Haben Sie diesen selber erstellt?
Wirklich? Das habe ich gar nicht gewusst.

Zurück zum Fussball: Dass Schweden so stark aufspielt, ist so nicht erwartet worden. Wie sehen Sie das?
In der Barrage gegen Italien hatte ich mir keine Hoffnungen gemacht. Und in dieser Gruppe mit Mexiko und Deutschland waren sie auch nicht die Favoriten. Also habe ich nicht damit gerechnet, dass sie weiterkommen.

Was tippen Sie für heute?
Ich tippe auf ein 2:1 nach Verlängerung für die Schweiz.


Zur Person
• Jan Neuenschwander, 25 Jahre alt, lebt seit zwei Jahren in Biel. Er wuchs in Davos auf, wo er die Matur machte, bevor er 2013 Eishockeyprofi wurde. Seine Mutter ist Schwedin, sein Vater Schweizer. Seine Eltern leben in Davos.
• Bevor der Stürmer des EHC Biel nach Biel kam, spielte er für den HC Davos, die GCK Lions und die ZSC Lions.
• Er studiert an einer Fernhochschule Betriebswirtschaft im sechsten Semester.
• Sein sportliches Vorbild ist der schwedische Fussball-Star Zlatan Ibrahimović.

Nachrichten zu Biel »