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Biel

«Ich hatte immer Vorurteile gegenüber Casting-Shows»

Nach sechs Jahren wird «The Voice Of Switzerland» nun wieder ausgestrahlt. In der Jury der Casting-Show sitzt Noah Veraguth, Sänger von Pegasus. Er sucht Stimmen, die auch ohne Gesicht eine Marke sind.

Noah Veraguth sucht in London und Berlin Inspiration. In Biel kann er abschalten. Matthias Käser

Interview: Hannah Frei


Noah Veraguth, hätten Sie sich damals, als Sie und Ihre Bandkollegen in den Anfängen noch Rock ‘n‘Roll im Keller gespielt haben, jemals vorstellen können, dass Sie einmal Juror bei «The Voice Of Switzerland» werden?
Noah Veraguth: Eigentlich nicht. Ich hatte immer ein gewisses Vorurteil gegenüber solchen Casting-Shows. Früher gab es «Music-Star» und «Big Brother». Das waren für mich Sendungen, in denen die Leute blossgestellt wurden.

Weshalb machen Sie nun trotzdem bei einer solchen Sendung mit?
Bei «The Voice» steht die Musik im Vordergrund. Es geht in erster Linie um die Stimme einer Person, nicht um die Persönlichkeit oder um das Aussehen. Das macht für mich den grossen Unterschied. Man entscheidet sich aufgrund der Stimme.

Die Blind-Editions wurden bereits aufgenommen. Wie war es für Sie, als Sie bei der Show zum ersten Mal eine Stimme beurteilten mussten, ohne das Gesicht dazu zu sehen?
Ganz einfach: Ich habe den Buzzer gedrückt, wenn es mich berührt hat. Bei der Entscheidung ist mir aber auch wichtig, dass ich der Person etwas mitgeben kann. Als Coach ist es mein Ziel, gut mit jemandem zusammenarbeiten zu können. Es gibt auch Stimmen, die sehr stark sind, bei denen ich aber trotzdem das Gefühl hatte, dass sie nicht zu mir passen. Dann habe ich mich auch nicht umgedreht.

Anhand welcher konkreten Kriterien haben Sie sich für oder gegen eine Stimme entschieden?
Eigenständigkeit. Ich suchte Stimmen, die für sich selbst schon eine Brand sind, ohne dass man die Person dazu kennt. Stimmen, die für sich selbst stehen können. Es gibt so viele Sängerinnen und Sänger, die gewisse gängige Dinge imitieren. Man hört relativ schnell, wenn sich jemand gerade populäre Muster angewöhnt hat, die man heute halt oft hört.

Machen Sie einige dieser Muster, gewisse Phrasierungen, nicht auch selbst?
Eigentlich nicht. Ich versuche, meine Stimme so wenig wie möglich zu verbiegen. Wenn ich singe, dann klingt es in etwa gleich, wie wenn ich spreche.

Pegasus ist zurzeit eine der erfolgreichsten Schweizer Bands. Was, wenn Sie nun jemanden coachen, der Ihnen später die Show stiehlt?
Dann hätte ich meinen Job richtig gemacht. Es geht ja darum, das weiterzugeben, was man selbst gelernt hat. Aber ich denke nicht, dass ich als Coach einen solch starken Einfluss auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer habe. Das Talent entscheidet selbst, was es aus sich machen möchte – besonders auch nach der Sendung. Wir Coaches können es lediglich zu Beginn ein wenig instruieren. Wenn wir dann auch auf ihrem weiteren Weg teilnehmen können, ist das umso schöner. Aber das liegt nicht in unserer Hand.

Angenommen, bei einem Kandidaten drehen sich alle Coaches um. Weshalb soll sich dieser für Sie entscheiden?
Mein grosser Vorteil ist, dass ich kein Solokünstler bin, im Gegensatz zu den anderen Coaches. Für eine Zusammenarbeit ist es wichtig, dass man sich zurücknehmen kann. Wenn man in einer Band spielt, muss man jedem seinen Platz lassen. Bei Solokünstlern ist es hingegen oft so, dass sie dies nicht gewohnt sind. Besonders bei neuentdeckten Talenten ist es jedoch wichtig, dass sie ihren eigenen Moment haben können und im Mittelpunkt stehen. Es ist meine grösste Stärke, jemand anderem die Hauptrolle überlassen zu können.

Das heisst, die anderen Coaches wie Gölä oder DJ Antoine können dies weniger gut?
Das kann ich noch nicht sagen. Ich weiss jedoch aus Erfahrung, dass Solokünstler mehr Mühe damit haben als Bandkünstler.

Meist verschwinden die Gewinner solcher Shows nach einiger Zeit wieder von der Bildoberfläche. Was braucht es, dass die Sieger auch nach der Show erfolgreich bleiben?
Das Wichtigste ist Geduld. Ich habe gelernt, dass nichts von heute auf morgen passiert: Wenn etwas nicht funktioniert, muss man es halt ein zweites und drittes Mal versuchen, bis es klappt. Bei Fernsehsendungen ist es meist so, dass alles, was mit dieser Sendung zu tun hat, abgeschlossen ist, sobald die Sendung ausgestrahlt wurde. Das ist ein Handicap für die Gewinner solcher Casting-Shows. Die grösste Herausforderung für sie ist es, sich nach der Sendung davon loszuschütteln.

Würden Sie einem Freund, der mit seiner Musik durchstarten möchte, den Weg über diese Casting-Show empfehlen?
Wenn man einen Plan hat, dann ja. Man sollte jedoch genau wissen, wo man hinmöchte. Ich glaube, wenn das Ziel ist, einfach berühmt zu werden, dann ist es nicht der richtige Weg.

War das einmal Ihr Ziel?
Nein. Mein Ziel war es, Songs zu schreiben, die den Leuten gefallen.


Und doch sind Sie es heute. Bereuen Sie das manchmal?
Bereuen nicht. Es hat seine Vor- und Nachteile. Aber berühmt sein erfüllt einem nicht. Zu Beginn ist es vielleicht aufregend, aber irgendwann merkt man doch, dass berühmt sein alleine nicht reicht.

Das letzte Album von Pegasus kam 2017 auf den Markt. Arbeiten Sie zurzeit an etwas Neuem?
Ja.

Wann erscheint es?
Bald.

Ihr letztes Projekt war der gemeinsame Song «Greatest Show On Earth» mit dem bekannten US-Musiker Aloe Blacc. Elektro-lastig, kein typischer Pegasus-Song. Werdet ihr auch mit dem neuen Projekt weiter in diese Richtung gehen?
Die Zusammenarbeit war eine Ausnahme. Wenn man mit einem anderen Künstler etwas macht, geht man immer Kompromisse ein. Wir als Band werden einen ganz anderen Weg gehen. Dieser Song hat nicht viel damit zu tun, was wir nun als Nächstes machen.

Sehen Sie den Song mit Aloe Blacc als Sprungbrett für weiteren, internationalen Erfolg?
Die Zusammenarbeit entstand sehr unerwartet. Es war toll, diese Erfahrung mit Aloe Blacc machen zu dürfen. Aber ich weiss nicht, ob dieser Song wirklich ein Sprungbrett für uns ist. In den wenigsten Fällen sind solche Kooperationen international wirklich erfolgreich.

Sie bewegen sich zurzeit zwischen Zürich, Berlin und London – besuchen jedoch auch immer wieder Ihre Heimatstadt Biel. Was gibt Ihnen diese Stadt?
Wenn ich mit dem Zug in Biel einfahre und die Jurabergkette sehe, fühle ich mich zuhause. Hier komme ich her, hier treffe ich meine Freunde und Familie. Ich liebe Biel nach wie vor. Ich komme mehrmals im Monat zurück. Heute lebe ich in Zürich, könnte mir aber auch vorstellen, irgendwann wieder zurück nach Biel zu ziehen.

Welche Inspiration finden Sie in Biel für Ihre Musik?
Ein Teil unseres letzten Albums ist in London entstanden. Damals gingen wir bewusst dorthin, um uns beeinflussen und inspirieren zu lassen. In Biel ist das anders. Biel wurde für mich zu einem Ort, an dem ich abschalten kann und nicht versuche, kreativ zu sein.

Werden Sie in Biel nicht ständig auf der Strasse angesprochen?
Doch, aber von Leuten, die ich von früher kenne. Ehemalige Lehrer, Schulkollegen, Freunde. Das hindert mich nicht daran, abzuschalten.


Info: «The Voice of Switzerland» wird ab dem 27. Januar jeweils am Montag um 20.15 Uhr auf «3+» ausgestrahlt.

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