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Wahlen 19

Im Aufwind dank dem Grün im Namen

Die Grünliberalen dürften wegen der Klimadiskussion an den Wahlen vom 20. Oktober in der Gunst der Wähler stehen. Der Einzug eines Kandidaten oder einer Kandidatin aus der Region wäre eine Premiere.

Symbolbild: Keystone
  • Dossier

Deborah Balmer

Die Grünliberale Partei (GLP) wird an den National- und Ständeratswahlen zulegen: So sagt es jedenfalls das Wahlbarometer des Schweizer Fernsehens SRF voraus. Der Wählerinnen- und Wähleranteil soll im Vergleich zu 2015 um 2,3 Prozent auf rund 7 Prozent ansteigen. Heute hat die Partei sieben Nationalratssitze, zwei davon im Kanton Bern: Jürg Grossen, der nationale Parteipräsident aus Frutigen und Kathrin Bertschy aus Bern, die für den Ständerat kandidiert. Ziel: Zur alten Stärke zurückfinden, bevor 2015 der grosse Sitzverlust kam. Im Kanton Bern will die GLP eine dritten Sitz gewinnen.


Dass dies durchaus realistisch ist, verdankt die Mittepartei dem Grün im Parteinamen: Die Klimadiskussion verleiht nicht nur den Grünen, sondern auch ihr Schwung. Profitieren sollen die GLP und die Grünen laut dem Politologen Michael Hermann von ehemaligen SP- und von ehemaligen Nicht-Wählern. «Vor allem junge wählen grün oder grünliberal», sagte Hermann gegenüber SRF. An den Wahlen vor vier Jahren hat die Partei fast die Hälfte ihrer Nationalratssitze verloren. Im Ständerat ist sie derzeit nicht mehr vertreten.


Gute Chancen für Bielerin
Parteiintern heisst es, dass aufgrund seiner Bekanntheit allen voran Michael Köpfli, Generalsekretär und Grossrat aus Bern, Erfolgsaussichten auf den dritten Sitz hat. Doch auch die Bieler GLP-Stadträtin, Sandra Gurtner-Oesch, ist keine Unbekannte. Die Geschäftsführerin der Profawo Bern steht dann auch ganz oben auf der GLP-KMU-Liste und dürfte durchaus intakte Chancen haben, in den Nationalrat einzuziehen.


Gurtner-Oesch sagt, sie würde gerne das Seeland und Biel vertreten. Tatsächlich wäre eine GLP-Vertretung im nationalen Parlament eine Premiere für die Region. «Es braucht mehr Frauen im Nationalrat und ich bin eine progressive Kraft, die bejahend in die Zukunft schaut.» Dazu gehört auch, dass sie dafür ist, dass das Rahmenabkommen mit der EU so schnell wie möglich ratifiziert wird. Dies auch im Interesse der Exportindustrie der Stadt Biel, wie sie sagt. Eine Herzensangeleigenheit ist für sie zudem eine echte Elternzeit. «Das heisst für mich ein gleich langer Vaterschafts- wie Mutterschaftsurlaub.» Denn nur so erreiche man eine echte Gleichberechtigung in der Gesellschaft, weil dann eine Firma im Falle von Elternschaft ein gleich hohes «Ausfallrisiko in Kauf nehmen müsse» – egal, ob eine Frau oder ein Mann eingestellt wird.


GLP: Viele neue Mitglieder
Auch wenn Wahlprognosen mitunter so verlässlich sind wie Wetterprognosen, mit Sicherheit sagen kann die GLP-Wahlkampfleiterin des Seelands, Barbara Stucki, dass die Partei derzeit viele neue Mitglieder gewinnt: «Die Klimadiskussion mobilisiert und politisiert», sagt sie, die selber auf der GLP-Stammliste kandidiert und obwohl sie in Stettlen lebt, im Seeland Parteimitglied ist. Im Kanton Bern sei die Partei um 17 Prozent gewachsen, allein in der Stadt Biel und im Seeland um 20 Prozent. Auffallend sei vor allem der Zuwachs an jungen Mitgliedern.


Neben Stucki und Gurtner-Oesch haben sich acht weitere Kandidatinnen und Kandidaten sich aus Biel und dem Seeland (und einer aus dem Berner Jura) über drei Listen verteilt für die GLP aufstellen lassen. Darunter der junge Grossrat, Bieler Stadtrat und Gesundheitswissenschaftler ETH, Julien Stocker, der mit dem dritten Platz auf der jungen GLP-Liste einen prominenten Platz innehat.


«Ich helfe meiner Partei»
Die GLP, die im Bieler Stadtrat Fraktionsstärke hat, kommt besonders bei urbanen Wählerinnen und Wählern gut an und ist entsprechend in grösseren Deutschschweizer Städten stark vertreten. Das dürfte an den gesellschaftspolitischen Themen liegen: Neben Umweltschutz, gleichzeitiger Wirtschaftsfreundlichkeit und einem pro EU-Kurs, setzt die Partei auf eine liberale Gesellschaftspolitik. So soll nicht nur die Ehe für homosexuelle Paare möglich sein, sondern auch die Adoption für gleichgeschlechtliche Paare. Die Partei befürwortet zudem marktwirtschaftliche Anreize, um das Klima und die Umwelt zu verbessern. Etwa durch Lenkungsabgaben auf den CO2-Ausstoss. So spricht sich auch Barbara Stucki dafür aus, dass bei Verbrennungsmotoren die Kostenwahrheit eingeführt wird. «Fliegen muss unbedingt teurer werden und auch Benzin kostet heute noch zu wenig.» Das Geld, das dadurch gewonnen werde, soll unter anderem in die Forschung und Entwicklung von erneuerbaren Energien investiert werden, sagt sie.


Wie reiste Barbara Stucki, die in einer lesbischen Beziehung lebt, denn selber das letzte Mal in die Ferien? «Diesen Sommer war ich in Irland in den Campingferien und bin geflogen», sagt sie. Die Reise hätte sie mit dem Zug und der Fähre auch in eineinhalb Tagen machen können, doch dann hätte sie drei Mal so viel bezahlt. Stucki sagt, dass Umweltbewusstsein für sie im Alltag schon lange dazugehöre. «Ich kaufe, wenn immer es geht, regionale Produkte ein: Tomaten von der Bäuerin im Dorf sind sinnvoller als die Bio-Avocado aus Mittelamerika.»


Der Bieler GLP-Stadtrat Max Wiher ist auf der GLP-KMU-Liste aufgeführt, wenn auch auf einem hinteren Platz. «Ich rechne nicht damit, gewählt zu werden.» Aber er helfe der Partei mit seiner Kandidatur, «damit wir unsere Werte national vertreten können». Vertreter der liberalen KMU-Liste setzen sich dafür ein, dass Innovation gefördert und unnötige Bürokratie für Kleinunternehmen abgeschafft wird.

Stichwörter: GLP, Wahlen 2019

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