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Fahrende

«Jetzt bin ich noch viel stolzer als zuvor»

Mit heftiger Kritik wurde gerechnet, stattdessen gab es sogar Applaus: An einem öffentlichen Informationsanlass sind die Pläne der Gemeinde Brügg, einen Transitplatz für ausländische Fahrende zu betreiben, mit viel Wohlwollen aufgenommen worden.

Auf dieser Parzelle soll der Transitplatz entstehen. copyright:matthiaskäser/bielertagblatt

Von Lino Schaeren

Christoph Neuhaus (SVP) betont gerne, dass er im Auftrag des Kantons handle, wenn er sich auf die Suche nach Transitplätzen für Fahrende begibt. Er habe sich das nicht ausgesucht. Obwohl doch auch seine Regierungsratskollegen mitzuständig seien, etwa Polizei- und Militärvorsteher Hans-Jürg Käser (FDP) oder Baudirektorin Barbara Egger-Jenzer (SP), sei es am Ende halt er, der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektor, der vor der Bevölkerung den Kopf hinhalten müsse. Weil die Raumplanung bei ihm angesiedelt ist. Und verbal eins auf die Kappe bekam Neuhaus in den vergangenen Jahren mehrfach.
Vor allem in Pieterlen und Meinisberg, wo der Kanton Bern ursprünglich einen Transitplatz für ausländische Fahrende realisieren wollte, machte er sich als Vertreter des Projekts nicht gerade beliebt. Nachdem der Standort Meinisberg an der Finanzierung gescheitert war, nahm der Kanton Wileroltigen ins Visier – hier musste eine Informationsveranstaltung wegen der hitzigen Debatte im Vorfeld sogar abgesagt werden.
Neuhaus war also gewappnet, als er sich gestern auf machte nach Brügg, um mit der Bevölkerung über das neuste Transitplatz-Projekt für ausländische Fahrende zu diskutieren. Und er erlebte eine Stimmung, die so völlig anders war als zuvor bei seinen Auftritten in dieser heiklen Mission.
Eine proppenvolle Aula
Zugegeben, die Situation in Brügg ist nicht genau dieselbe wie jene in Meinisberg oder in Wileroltigen. Es gibt vorab drei wichtige Unterschiede: In Meinisberg wollte der Kanton auf 12500 Quadratmetern einen Stellplatz für 40 Wohnwagen realisieren. In Brügg finden maximal 20 Wageneinheiten statt. In Meinisberg – und aktuell auch in Wileroltigen – stemmte und stemmt sich die Gemeinde vehement gegen die Pläne des Kantons. In Brügg steht der Gemeinderat hinter dem Transitplatz. Und vor allem: Während der Kanton in Meinisberg und nun in Wileroltigen einen definitiven Platz für die Fahrenden schaffen will, handelt es sich beim Standort Brügg um ein Provisorium, beschränkt auf zwei Jahre.
Trotzdem bleibt das Thema Transitplatz ein heisses politisches Eisen – weshalb es nicht überraschte, war die Aula in Brügg gestern proppenvoll. Überraschend kam da schon eher, dass Gemeindepräsident Marc Meichtry (Brügg for you) vor allem Applaus, nicht aber Kritik erntete für seine Initiative.
Der Tenor: Man gibt dem Projekt Kredit. Und so sagte nicht nur Neuhaus artig «merci» dafür, dass ihm die Gemeinde Brügg etwas Luft verschafft bei der Suche nach weiteren Plätzen für ausländische Fahrende. Es waren in erster Linie die Brüggerinnen und Brügger, die ihrem Gemeindevorsteher gratulierten für seinen Mut, als erste Gemeindebehörde Hand zu bieten in der Region für ein Provisorium. Die Glückwünsche wehrte Meichtry hingegen ab, «kommt damit wieder, wenn es gut geht», sagte er.
Interessiert, aber skeptisch
Unterstützung aus der Bevölkerung für das Transitplatz-Projekt durfte er gestern wohl auch deshalb erfahren, weil Meichtry glaubhaft darlegen konnte, dass man das alles nicht als Wohltäter für die umliegenden Gemeinden mache. Man wolle nicht die Probleme anderer, sondern die eigenen lösen.
Der Gemeinderat glaubt, dem Problem der illegalen Landnahmen auf eigenem Gebiet durch ausländische Fahrende mit einer Kombination von offiziellem Halteplatz und härterem Vorgehen bei Nichteinhalten der Regeln Herr zu werden. Brügg war in den vergangenen Jahren eine jener Seeländer Gemeinden, die besonders oft von ausländischen Fahrenden besucht wurde.
Mit «härterem Vorgehen» ist vor allem eine finanzielle Abschreckung gemeint: «Wir versuchen jene Plätze zu evaluieren, die für illegale Landnahmen durch Fahrende infrage kommen, und wollen für diese ein richterliches Verbot erwirken.» Das sagte Meichtry bereits drei Stunden vor dem Informationsanlass für die Bevölkerung, als er, ebenfalls in Begleitung von Neuhaus, Regierungsstatthalter Philippe Chételat und dem Bieler Polizeichef Raymond Cossavella die Nachbarn des Transitplatzes in der Industrie Nord, also die Industrievertreter, informierte.
Auch diese zeigten sich interessiert und gesprächsbereit, aber auch durchaus skeptisch. So war stark spürbar, dass man den Behördenvertretern noch nicht so recht glauben will, ob das Problem der Landnahmen mit diesem Platz tatsächlich gelöst werden kann. «Was, wenn der Platz besetzt ist und die nächste Gruppe anrollt?», wollte ein Anrainer wissen. Mit einem richterlichen Verbot sei eine Parzelle ja noch nicht polizeilich geräumt.
«Eine Busse ist besser als jeder Zaun und jeder Stein», konterte Meichtry darauf, «wenn wir etwas wissen, dann, dass die Fahrenden keine Bussen mögen.» Er forderte die Nachbarn der betroffenen Parzelle, die unmittelbar neben der Autobahn liegt und dem Kanton gehört, auf, dem Ganzen eine Chance zu geben. «Wir wollen die Situation in den Griff bekommen, wenn wir das nicht schaffen, brechen wir die Übung ab», versprach er.
«Auswärtige» blitzen ab
An der abendlichen Veranstaltung versuchten dann einzig zwei «Auswärtige», Stimmung gegen den Transitplatz in Brügg zu machen. Die beiden Vertreter der kantonalen Jungen SVP kritisierten, dass die Bevölkerung nicht mitreden könne bei diesem Entscheid – und fanden dafür in der Versammlung keine Unterstützung. Im Gegenteil: Es sei unerhört, versuche man die Gemeinde Brügg für den Wahlkampf auszunützen, war nach dem Anlass verschiedentlich zu hören. Die beiden aufgetretenen Jungpolitiker wollen am Wochenende imWahlkreis Biel-Seeland in den Grossen Rat gewählt werden.
Meichtry hatte bereits zu Beginn der Informationsveranstaltung gesagt, wie stolz er auf die Brügger Bevölkerung sei, weil er in den vergangenen Tagen kaum gehässige Rückmeldungen zum Gemeinderatsbeschluss in dieser Sache erhalten habe. Nach dem Anlass sagte ein sichtlich gerührter Gemeindepräsident: «Eigentlich bin ich jetzt noch viel stolzer als zuvor.» Und war nach wie vor ein gefragter Mann: Er hatte die Anwesenden aufgefordert, sich für die Task Force zu melden, die er anführt und die das Projekt begleitet. «Auch kritische Stimmen sind sehr willkommen.» Noch gestern Abend konnte er etliche Willens-Bekundungen aus der anwesenden Bevölkerung, aktiv mitzuarbeiten, entgegennehmen.

Stichwörter: Fahrende, Brügg, Transitplatz

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