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Standpunkt

Klinik Linde: Psychologische Kriegsführung

Um die Klinik Linde ist in Bieterkampf entbrannt, und zwar einer, der mittlerweile mit spektakulären Mitteln geführt wird.

Die Klinik Linde. Bild: BT/a

Tobias Graden

Man habe keinen Bieterkampf gesucht, betonte Kurt Aeberhard in den letzten Wochen immer wieder, denn ein solcher sei der Klinik Linde «kulturfremd». Es lässt sich von aussen letztlich nicht beurteilen, ob diese Aussage des Verwaltungsratspräsidenten der Klinik Linde tatsächlich so gemeint war, ob Taktik dahinterstand oder ob die Äusserung gar ein bisschen naiv war – Tatsache ist, dass nun genau das eingetreten ist, was Aeberhard und der Linde-Verwaltungsrat (die auch an der Klinik beteiligt sind) offiziell verhindern wollten: ein Bieterkampf, und zwar einer, der mittlerweile mit spektakulären Mitteln geführt wird.

Dazu zählen zuerst einmal die Preiserhöhungen, die übers Wochenende bis am Dienstag schier im Stundentakt zu erfolgen schienen, bis bei 3100 Franken pro Aktie in bar beide Seiten das Ende der Fahnenstange erreicht sahen. Gewiss: Ist ein Angebot finanziell substanziell besser als das andere, bleibt der anderen Seite praktisch nichts anderes übrig, als nachzuziehen – wie das beim verbindlichen Hirslanden-Angebot von 3000 Franken gegenüber den ursprünglichen 2500 von Aevis Victoria/Swiss Medical Network der Fall war.  Bezeichnend sind die Gebotssteigerungen aber gleichwohl, wenn gleichzeitig alle Akteure beteuern, es gehe den Mehrheitsaktionären gar nicht ums Geld, sondern ums richtige medizinische und strategische Modell. Beobachter der Vorgänge dürften sich auch vergegenwärtigen, welche Summen für die Einzelnen im Spiel sind: Im Durchschnitt besitzt ein Linde-Belegarzt etwa 200 Aktien. Jede Einzelne kann er nun mit einem Gewinn von über 2000 Franken verkaufen. Man rechne.

In den letzten Tagen vor der Deadline ist nun die Zeit der psychologischen Kriegsführung angebrochen. Diese Phase des Bieterkampfs hat die Hirslanden-Gruppe eingeläutet. Hatte sie sich mit ihren Angeboten zuvor stets zuerst an den Verwaltungsrat gewandt, richtete sie sich nun direkt an die Aktionäre, indem sie ihr vorletztes Angebot auf ihrer Website publizierte, ihr letztes dann auch mittels ganzseitigen Inserats. «Hirslanden wird angriffig», titelte darum die «Neue Zürcher Zeitung». Doch auch da wusste SMN zu kontern: Auf dem Portal medinside.ch verkündete gestern Antoine Hubert, Verwaltungsratsdelegierter von Aevis Victoria, bereits seien der Seite Aevis 30 Prozent der Aktien angedient worden. Mit dieser Aussage soll zweifellos Druck aufgebaut werden – allerdings ist auch ein Fragezeichen dahinterzusetzen. Die Aktien gehen in diesem Prozess nämlich nicht direkt an einen der beiden Bieter, sondern an Treuhandbüros. Erst nach Ablauf der Frist von heute, 22. Juni, werden sie ausgehändigt und gezählt. Entweder ist Huberts Aussage also ein Bluff, es gibt Informationslecks oder Hubert verfügt über entsprechende Anzeichen. Denkbar ist auch, dass beide Bieter auf dem Markt hinzugekauft haben. Der Handel mit Linde-Aktien auf der Nebenwerte-Plattform OTC-X der Berner Kantonalbank hat seit Bekanntwerden der Übernahmepläne deutlich zugenommen, der Aktienkurs ist gestiegen. Eine im Wettstreit entscheidende Position liess sich so allerdings auch nicht aufbauen. Hirslanden reagiert kühl auf Huberts Vorpreschen: Man beteilige sich nicht an Spekulationen und vertraue auf die Entscheidungskompetenz der Aktionäre.

Schliesslich kursieren mittlerweile verschiedene Darstellungen der Zusammenkunft der Belegärzte vom Montagabend. Hubert sagt im oben erwähnten Artikel, es sei Hirslanden gelungen, die Ärzte «zu verunsichern»:«Sie konnten die Ärzteschaft spalten.» Es wird angezweifelt, dass am Montag eine substanzielle Zahl der Ärzte teilgenommen habe;es heisst, es habe Druckversuche gegenüber Angehörigen der Minderheitsposition (also jenen Ärzten, die ein Zusammengehen mit SMN wünschen) gegeben. Dies stellen die Quellen des BTjedoch in Abrede. Es mag seltsam wirken, dass die (rechtlich nicht bindende) Beschlussfassung der Ärzte terminlich mit einer Informationsveranstaltung der Hirslanden-Seite zusammenfiel. Allerdings waren die Hirslanden-Vertreter zu Diskussion und Abstimmung im Saal nicht mehr zugelassen. Und SMNhatte in der Vorwoche die Gelegenheit, seine Pläne den Ärzten vorzustellen.

Dass die Klinik Linde mehrheitlich in der Hand der Belegärzte ist, ist in ihrer Geschichte verankert. Diese Besitzstruktur hat zum Ziel, eine feindliche Übernahme zu verhindern. Dieses Ziel ist auch jetzt erreicht: Es sind die Ärzte, die entscheiden. Gewissheit über den Ausgang gibt es erst irgendwann morgen Freitag, die Anzeichen sprechen derzeit aber eher für den Verkauf an Hirslanden. Würde so der Verwaltungsrat desavouiert? Womöglich – vielleicht aber auch nicht. Denn sollte er diesen Ausgang angepeilt haben, dann war sein Vorgehen mehr als clever.

E-Mail: tgraden@bielertagblatt.ch

Kommentare

Biennensis

Top recherchiert: Ein sehr informativer, präziser und unvoreingenommener Artikel über den Übernahmekampf der Klinik Linde. Danke!


Biennensis

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Peter Rychener

Adolf Ogi würde sagen > "Freude herrscht"! Vorallem die involvierten Ärzte sind zu beneiden, sieht man doch wie es im Gesundheitswesen und der Kostenexplosion so geht. Spezialärzte sahnen ab und Hausärzte werden gedrückt. Meine Meinung ist klar: hinunter mit den Entschädigungen der Spezialärzte und Besserstellung der Hausärzte. So finden wir eventuell wieder Ärzte die als Hausarzt arbeiten. Die Medizentren in AG-Form zeigt ja dasselbe! Nicht zu grosser Lohn, dafür eine attraktive Dividende?? Der Steuerzahler lässt grüssen.


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