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Biel

«Kommen Sie rein, es wird nicht geschossen»

Albert Glaus ist der neue Besitzer des Peter-Hans-Kneubühl-Hauses. Er hat Zweifel an der offiziellen Version des Tathergangs und schläft trotz Drohungen «wunderbar».

Albert Glaus vor der Kneubühl-Liegenschaft, die er für 405 000 Franken ersteigert und zu grossen Teilen eigenhändig renoviert hat. Martin Arn

Martin Arn

Albert Glaus (58) steht im Treppenhaus seines umgebauten Hauses am Mon-Désirweg 9 in Biel. Besucher empfängt er mit den Worten: «Kommen Sie rein - es wird nicht geschossen.»

Vier Jahre ist es nun her, seit der Rentner Peter Hans Kneubühl das Bieler Lindenquartier in Atem hielt. Kneubühls Haus sollte damals im Spätsommer 2010 nach einem Erbstreit zwischen Kneubühl und dessen Schwester versteigert werden. Polizeibeamte waren zur Zwangsräumung aufgeboten.

Tagelang lieferte sich der in der Boulevardpresse sogenannte «Amok-Rentner» ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei. Kneubühl verschanzte sich im Haus, verliess es unbemerkt und kehrte dann - ebenso unbemerkt - wieder zurück. Um schliesslich nach einem Schusswechsel vor den Beamten der Sondereinheit Enzian in die Nacht zu flüchten. Polizeihund Faro fasste den Rentner nach neuntägiger Flucht auf einer Wiese oberhalb der Stadt Biel. Inzwischen ist Kneubühl rechtskräftig verurteilt und in eine geschlossene psychiatrische Anstalt eingewiesen worden.

Albert Glaus heisst der neue Besitzer der Kneubühl-Villa. Glaus hatte die Liegenschaft im Dezember 2010 ersteigert. Für 405 000 Franken. «Die Dachstruktur, die markanten Ecken, das Quartier: Es war Liebe auf den ersten Blick», sagt Glaus. Die erste Besichtigung der Liegenschaft sei allerdings «schon gewöhnungsbedürftig» gewesen. «Ich musste mich bei den Polizisten ausweisen. In jedem Stockwerk standen zwei Beamte.»

 

Waffen, so weit das Auge reicht

Wenn er sich an den ersten Rundgang erinnert, dann schaudert es ihn immer noch: «An der Wand hing der Bauplan für eine SIG-Pistole. Weitere Waffen waren in einem Schrank sorgfältig aufgereiht.» Im Wohnzimmer hatte Kneubühl einen Wandtresor eingebaut, in dem die Polizei später 50 000 Franken sicherstellte. «Es sah aus wie nach einem Bombardement», erinnert sich Glaus. «Sämtliche Scheiben waren kaputt. Einen Holzschrank hatten die Beamten bei der Stürmung mit schweren Tritten malträtiert.»

Nachdem Glaus in die Liegenschaft am Mon-Désirweg eingezogen war, musste er erst einmal neue Scheiben einsetzen. Glaus: «Der Schaden belief sich auf rund 2600 Franken. Die Polizei teilte mir mit, dass es keine Versicherung für Schäden gibt, welche die Beamten bei der Stürmung des Hauses verursacht hatten. Das hat mich enttäuscht.»

Auch sonst spart der neue Besitzer nicht mit Kritik am Einsatz der Polizisten: «Es ist mir schleierhaft, weshalb die Beamten Wild-West spielten. Es hätte doch gereicht, Kneubühl einfach festzunehmen, wenn er das Haus verlassen hätte, statt die Liegenschaft tagelang von schwerbewaffneten Beamten zu belagern.» Auch an die offizielle Version des Tathergangs mag Glaus nicht so richtig glauben: «Ich glaube nicht, dass Kneubühl wirklich geschossen hat.» Glaus verweist auf eine kleine, dicke Glasscheibe, die neben dem Eingang eingemauert war. «»Hat er tatsächlich durchs Glas geschossen?», fragt sich Glaus und fährt fort: «Er hätte die Pistole genau auf die kleine Glasscheibe halten müssen, sonst wäre die Kugel mit grosser Wahrscheinlichkeit abgelenkt worden.»

Vielleicht sei es ja auch so gewesen, dass der Polizist von einem seiner Kollegen angeschossen wurde. Beweisen könne er diese Theorie natürlich nicht, räumt Glaus aber ganz schnell ein. Vor Gericht hatte der Leiter des Einsatzes ausgesagt, ein Sicherungsschütze habe in jener Nacht einen Schatten am Fenster und ein Gewehr erkennen können. Es habe einen Knall gegeben. Der Schuss sei über seinen Kopf hinweg geflogen und habe einen anderen Kollegen schwer verletzt. Ein weiterer Sicherungsschütze sei vom Mündungsfeuer geblendet worden. Diesen Moment habe Kneubühl dann zur Flucht durch das Dickicht in seinem Garten genutzt.

Ein unabhängiger Experte gelangte ein Jahr nach der Schiesserei zum Schluss, die Polizei hätte grösstenteils sehr gute Arbeit geleistet.

 

«Kneubühl hat mir gedroht»

Der neue Hausbesitzer hat inzwischen schon oft mit seinen Nachbarn über die Ereignisse im September 2010 gesprochen. Dabei hat Glaus erfahren, dass Kneubühl «ein Eigenbrötler und ein komischer Kauz war, der das Haus nur nachts verliess.» Selbst den Rasen habe Kneubühl erst nach Einbruch der Dunkelheit mit einem leisen Elektrogerät gemäht.

Glaus selber hat in der Villa ebenfalls ein paar Merkwürdigkeiten festgestellt. Zum Beispiel an jenem Tag, als er die Fensterläden auswechseln wollte. Glaus: «In jedem Fensterladen war eine Holzlatte so eingebaut, dass man sie rausnehmen und durch den Schlitz die Nachbarschaft beobachten konnte.»

Auch ein Brief, den ihm Kneubühl aus der Haft geschrieben hatte, beschäftigte Glaus ziemlich lange: «Kneubühl drohte mir mit Vergeltung, falls ich auch nur einen Nagel im Haus herausnehmen würde.»

Inzwischen ist der Umbau fast abgeschlossen. Die meisten Arbeiten hat Glaus, der gelernte Werkzeugmacher, selber erledigt. Im Garten möchte er noch den Werkzeugschuppen umbauen, um im Sommer Grillfeste feiern zu können.

Angst hat Albert Glaus keine. «Ich schlafe wunderbar», sagt er. Und sollte Kneubühl wider Erwarten doch irgendwann einmal auftauchen, dann würde ihn Glaus zum Kaffee einladen und mit ihm sprechen wollen: «Vorausgesetzt, er ist unbewaffnet.»

Kommentare

Demokrat

«Ich glaube nicht, dass Kneubühl wirklich geschossen hat.» Ein Ballistiker hat schon damals eine ähnliche Version geschrieben: <<um den Polizisten zu treffen, hätte Kneubühl von der Decke aus Schiessen müssen!>> Ein Ding der Unmöglichkeit. Kneubühl war und ist ein Opfer einer unfähigen Behörde!


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