Sie sind hier

„Krawattenzwang“

Kurzfristiger Aufstieg zu Königsehren

Im persönlichen Blog berichtet Bernhard Rentsch, publizistischer Leiter der Gesamtredaktion und Chefredaktor „Bieler Tagblatt“ wöchentlich über Erlebnisse im privaten wie im beruflichen/gesellschaftlichen Leben – dies immer mit einem Augenzwinkern. Heute: Kurzfristiger Aufstieg zu Königsehren.

Bernhard Rentsch: Krawattenzwang
  • Dossier

Was für ein Sonntag wartet – Königsehren. Am 6. Januar ist Dreikönigstag. Das ist am nächsten Wochenende. Es ist allerdings schwierig, eine Garantie für die Krönung zu erhalten, wie eine kurze Recherche aufzeigt.

Geht es Ihnen gleich? Fast in jeder Familie wird am 6. Januar zum Dreikönigstag ein spezieller Königskuchen verspiesen. Nicht nur Kinder haben an dieser Tradition Freude. Ziel ist aber nicht (nur), das spezielle Gebäck zu geniessen, sondern insbesondere, in «seinem» Stück den versteckten kleinen weissen Plastik-König zu finden. Und sich so für einen Tag zum gekrönten Familienoberhaupt aufzuschwingen. Komischerweise sind es scheinbar immer dieselben, die sich krönen lassen. Entweder gehören Sie zu denjenigen, die sowie so nie Glück haben – oder eben zu jenen, die blind das richtige Stück Kuchen auswählen.

Stimmt das? Statistisch natürlich nicht. Denn jede und jeder hat bei der Auswahl eines Stücks des Kuchens die exakt gleichen Chancen. Es ist reine Glückssache. Die Prüfung dieser Tatsache erhärtet sich, wenn nachgelesen wird, wie verschiedene Medien über die Herstellung des Dreikönigskuchens berichten. Jede Bäckerin und jeder Bäcker versichert hoch und heilig, bei der Produktion nicht zu schummeln und das Einsetzen des Königs in den noch ungebackenen Teig sorgfältig zu verstecken. Die Suche nach Einstiegslöchern bringt also nichts.

Weitere Taktiken? Eine kurze Umfrage unter tendenziell glücklichen Gewinnerinnen oder Gewinnern hilft nicht weiter. Offenbar nützen weder gutes Betrachten der verschiedenen Stücke, noch die Auswahl entsprechend der Ausrichtung des Kuchens – zum Beispiel immer das Stück im Süden – noch eine mathematische Strategie («Drittes Stück von links»). Bei einem runden Kuchen ist dies ja ohnehin ziemlich abwegig. Man rät mir zum Beispiel, auf die Grösse der Stücke zu achten, weil das Stück x mit dem König noch einmal gerollt werde. Aber widerspricht das nicht exakt den genannten Beteuerungen der Hersteller, sich nicht erwischen zu lassen? Ich glaube ihnen.

Also, nicht verzweifeln und das Glück erneut herausfordern: Es ist reiner Zufall. Wer «ihn» findet, soll am Sonntag sein Glück geniessen, sich aber nicht zu viel einbilden. Es ist keine Carte blanche für den Rest des Jahres. Und wer – einmal mehr – kein Glück hat: Es ist nur ein Spiel. Ohne Bedeutung.

Oder haben Sie eine Taktik? Die würde mich interessieren.


brentsch@bielertagblatt.ch

Twitter: @BernhardRentsch

Nachrichten zu Biel »