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Biel

«lci c'est Woodstock»

Das «Kafoj» in der Bieler Innenstadt röstet und verkauft frischen Kaffee. Im Kontakt zu Kundinnen und Kunden schafft Jelena Bergmann ein Bewusstsein für den nachhaltigen Umgang mit dem kostbaren Rohstoff.

Jelena Bergmann: Sie will der Kundschaft aufzeigen, wieviel Arbeit hinter einer Tasse Kaffee steckt. Bild: zvg
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Aufgezeichnet: Roman Bertschi

Wir rösten unseren Kaffee selbst und beziehen ihn bei Bauern in Indien, Brasilien und Mexiko. Wir bezahlen für unseren Kaffee dreimal mehr als den üblichen Mindestpreis und garantieren den Bauern eine feste Abnahmemenge. Vor zwei Jahren waren wir auf einer Finca in Mexiko zu Besuch. Wir halfen bei der Ernte mit und haben gesehen, wie viel Arbeit es für eine Tasse Kaffee braucht. Nach dem Ernten müssen die Bauern die Säcke oft zu Fuss über lange Strecken tragen. Der Kaffee wird in Containern übers Meer verschifft und kommt von Hamburg und Mannheim nach Biel. Schliesslich wird er bei uns geröstet und kommt in den Verkauf.

Bis der Kaffee in der Tasse auf dem Tisch steht, geht er durch viele Hände. Bei uns sollen sich die Kundinnen und Kunden Gedanken darüber machen, was es für guten Kaffee braucht. Es ist ein Unterschied, ob ein Cappuccino in einer Maschine zubereitet wird, die sauberes Wasser enthält und regelmässig geputzt ist oder nicht. Unsere Kunden schätzen diesen respektvollen Umgang mit dem Produkt, den Bauern und ihnen selbst. An Samstagen stehen sie bis hinunter zur Schmiedegasse Schlange für den Besuch bei uns. Für viele ist es der Höhepunkt der Woche.

Wir nehmen uns für alle genügend Zeit und wenn sie den Laden verlassen, machen sie das oft mit einem Lächeln im Gesicht. Und von den Menschen, die ihren Espresso oder ihre Schale bei uns geniessen, nehmen viele eine Decke von zuhause mit und machen es sich vor dem Laden gemütlich. Nebenan hat es eine Epicerie. Der Besitzer sagt über diese Szenerie: «Ici c’est Woodstock».

Vor Corona machten wir beim First Friday und der Nacht der tausend Fragen mit. Draussen vor dem Laden hatten wir eine Bar, an der wir Kaffeespezialitäten anboten. Während des Lockdowns war unser Geschäft geöffnet, da Kaffee zu den Grundnahrungsmitteln zählt. Den Kaffeeausschank vor Ort mussten wir zwar einstellen. Daher begannen wir mit Hauslieferungen. Wir fuhren dafür bis nach Leubringen, Gals und Bern. Bei Kundinnen und Kunden, die in der Nähe wohnen, klingelten wir und legten die Bestellung in den Hauseingang. In dieser Zeit beschäftigten sich viele unserer Kundinnen mit Fragen der Kaffeezubereitung, manche kauften sogar extra eine Kaffeemaschine.

Neben dem ‹Kafoj› arbeite ich für eine Stiftung im Berner Oberland, vorwiegend in der Küche. Die Stiftung betreibt dort ein Haus, in dem sich Menschen eine Auszeit vom Alltag nehmen. Ich schätze auch dort das friedliche Miteinander im Team und die Aussicht auf den Brienzersee. So kann ich meine beiden Leidenschaften für soziale Themen und die Gastronomie unter einen Hut bringen. Vor der jetzigen Anstellung arbeitete ich beim Landschaftswerk in Biel mit Flüchtlingen und Sozialhilfebezügern zusammen, die sich für den ersten Arbeitsmarkt qualifizieren wollten. Momentan mache ich zusätzlich eine Yoga-Ausbildung.

Und sollte sich in Zukunft die passende Gelegenheit ergeben, kann ich mir gut vorstellen, selbst einen Ort zu schaffen, an dem ich Menschen in schwierigen Situationen helfen kann. Ich kann mir vorstellen, dieses Vorhaben mit meinen Kenntnissen aus der Gastronomie unter einen Hut zu bringen.

Auf gute Ideen kommen wir im ‹Kafoj› immer wieder. Meine Mutter fertigt Seifen an, die Kaffeesatz enthalten. Beim Händewaschen fühlt sich das wie ein Peeling an. Ausserdem haben wir kleine Büchlein aus den Silberhäutchen des Kaffees angefertigt, die sich beim Röstvorgang von der Bohne trennen. Und unser Banana-Brot wird nach einer Eigenkreation von mir hergestellt und mit Espressobutter serviert.

Wie lange ich noch im ‹Kafoj› bleiben werde, weiss ich nicht, ich plane nicht gern fünf bis zehn Jahre im Voraus. Wenn ich eines Tages sage ‹ich habe die Schnauze voll›, dann höre ich auf.»

Stichwörter: Mein Montag, Biel, Kafoj, Kaffee, Café

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