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Biel

Leere Velostationen, volle Auftragsbücher

Nur ein Viertel der Leihfahrräder von Velospot sind derzeit verfügbar. Die Fahrräder werden modernisiert und mit einem besseren, sichereren Schloss ausgerüstet. Allerdings müssen sich die tausenden von Kunden noch bis nächstes Jahr gedulden.

Die Velospot-Räder in Biel sollen mit diesem neuen intelligenten Funkschloss ausgerüstet werden. copyright:Matthias Käser / bieler tagblatt
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Intermobility

von Patrick Furrer

Wer eine Tageskarte für Velospot kauft oder ein Abo löst, zahlt den vollen Preis. An Leistung erhält er zur Zeit nur einen Viertel. Bloss 50 der über 200 roten Räder sind an den 40 Stationen in Biel im Einsatz. Das bestätigt Laurent Fontanellaz von der Stadtplanung. Zirka 150 Fahrräder befänden sich im Lager oder in der Reparatur. Die meisten sind wegen Vandalenakten fahruntüchtig: Schlösser wurden aufgebrochen, die Velos an verschiedenen Orten in der Stadt wild verteilt (das BT berichtete).

Für die Stadt bedeutet das zusätzliche Kosten. Auch Daphné Rüfenacht von der Sozialwerkstatt Landschaftswerk Biel-Seeland, die für die Wartung der Räder zuständig ist, bestätigt, dass die Vandalenakte nicht aufgehört haben. Für die Angestellten sei es zudem «nicht gerade motivierend, wenn sie ständig sabotierte und zerstörte Fahrräder zusammensuchen und flicken müssen».

Mehrere Monate Verspätung
Im Mai wurden die ersten Fahrräder aus dem Verkehr gezogen. Wie sich nun zeigt, kann der Instandstellungstermin für Ende Sommer nicht eingehalten werden. «Die Stadt ist im Gespräch mit Intermobility, um eine Lösung zu finden», sagt Laurent Fontanellaz. Der Vandalismus an und der Diebstahl von Fahrrädern sei auf das alte Schloss zurückzuführen, das Schwächen gezeigt habe. «Bis eine bessere technische Lösung gefunden ist, ist es schwierig, den normalen Betriebspegel zu erhalten.»

Ärgerlich ist die Situation auch für die Anbieterin, die Intermobility AG. Gemäss Geschäftsführer Paul-André Sarasin hat der Vandalismus, den es in dieser Form nunr in Biel gebe, dem Image der Firma geschadet. Dabei sei diese ansonsten aktuell sehr erfolgreich in der Schweiz unterwegs. Nach dem Ausbau in der Romandie und Thun soll das System Velospot als Nächstes in Locarno und Bern Fuss fassen. Obwohl die Stadt Zürich kürzlich den Zuschlag für ein Veloverleihsystem anderweitig vergab, bezeichnet Sarasin Intermobility als Leader im Schweizer Markt. «Wir verfügen in der Schweiz über rund 1500 Fahrräder und über 150 Stationen.»

Die Auftragsbücher sind voll. Rund zwei Dutzend neue Mitarbeiter hat die Firma gemäss Sarasin eingestellt. Auch technisch sei man der Konkurrenz voraus.

Neues, intelligentes Schloss
Die ambitionierten Worte des Geschäftsführers haben einen Grund: Eine Lösung hat Intermobility nämlich bereits parat: Ein intelligentes, funkgesteuertes, sichereres Schloss, das verschiedentlich bedient werden kann: über eine Handy-App, die Velospot-Karte, Bluetooth, oder mit Zahlencode. Auch die GPS-Ortung wird möglich. Zudem hat die Firma ein batterieunterstütztes Fahrrad entwickelt. Nebst weiteren Partnern ist die Bieler Telekom-Firma Aartesys nach wie vor an der Entwicklung beteiligt.

Beides hat Sarasin der Stadtplanung bisher nicht präsentieren können. Er ist aber sicher, dass mit dem neuen Schloss und der Batterieunterstützung den Kunden «eine hervorragende Qualität» geboten werden kann. Das alte Schloss hingegen soll nicht mehr eingesetzt werden. Es sei veraltet, sagt Sarasin, offensichtlich wenig zufrieden mit der Qualität des bisherigen Modells. Ohnehin scheint es hinter der Erfolgsfassade der Intermobility zu brodeln, wie gut unterrichtete Quellen bestätigen (siehe Zweittext). Bereits ist des zum Bruch mit einem Partner gekommen. Es ist möglich, dass demnächst auch noch ein Zweiter abspringt.

Erste Tranche vor Ende Jahr
Sollte die Stadt Gefallen an den neuen Fahrrädern und Schlössern finden, könnte Intermobility laut Sarasin vor Ende Jahr eine erste Tranche liefern, eine zweite dann im nächsten Jahr. So oder so müssen sich die Kunden bis 2016 gedulden, bis sie wieder von einem hundertprozentig einsatzfähigen Verleihnetz profitieren können.

Wie viele Kunden ihr Abo aufgrund der anhaltenden Probleme gekündigt haben, kann Laurent Fontanellaz momentan nicht sagen. Es sei ebenfalls nicht möglich, die Zusatzkosten zu beziffern. Klar hingegen ist: Mit der Reduktion der Dienstleistung sind auch die Nutzungszahlen gesunken. Im Juni wurden die Fahrräder in Biel gemäss Paul-André Sarasin 10739 Mal benutzt. Im Juni des Vorjahres waren es rund 2000 mehr. Im Juni 2014 waren die Kunden 10299 Mal mit Velospoträdern unterwegs. Im Juli dieses Jahres waren es noch 8958. Immerhin: Bestehenden Kunden wird eine Abo-Verlängerung angeboten, um den Schaden zu kompensieren.

 

Es brodelt hinter den Kulissen

Velospot ist erfolgreich und expandiert in der ganzen Schweiz, mit Ambitionen ins nahe Ausland. Das geschützte Markenprodukt erhielt 2014 den «Zürich Klimapreis» für Mobilität. Velospot scheint zu rentieren. «Wir haben viele, sehr viele Projekte», sagt Geschäftsführer Paul-André Sarasin. In Biel hat es zudem eine soziale Komponente: Langzeitarbeitslose kümmern sich um den Unterhalt.
2012 wurde das Projekt von der Stadt, dem Kanton und der Rolex anschubfinanziert. Ein Konzeptentwurf entstand bereits neun Jahre. Die Stadtplanung übernahm die Idee und verkaufte  Velospot  nach der Pilotphase 2013 an die Intermobility AG. Die Schattenseite der Privatisierung: Wie Insider bestätigen, brodelt es hinter den Kulissen. Ein Indiz: Richard Vaucher, Chef der Partnerfirma VOH, die das erste Veloschloss entwickelt hat, kehrte der Firma wegen angeblichen Problemen mit der Unternehmensleitung den Rücken. Mit Velobility, die bis anhin die Velos lieferte, droht nun ein zweiter Partner auszusteigen. Geschäftsführer Philip Douglas: «Ob wir weiter Velos für Velospot liefern, hängt stark von der Ausrichtung der Intermobility AG ab, die einen ziemlich starken Richtungswechsel initiiert hat.» Genauer erläutern will Douglas dies nicht. Eine weitere am Projekt beteiligte Person erklärt aber, dass die AG die Preise drücke und die Partner sich über ihr kaltes Verhandlungsgebaren ärgern.
Sarasin erwidert, es gebe keine wesentlichen Konflikte. Dass man sich als Geschäftsmann nach neuen (und günstigeren) Partnern umsehe, sei normal und «Part of the business». Den Ausstieg von Richard Vaucher hat die AG im Juli mit einem bekannten Namen kompensiert: François Kuonen. Der langjährige und nicht unumstrittene Stadtplaner von Biel war an der Lancierung von Velospot beteiligt und war es noch, als andere Projektbeteiligte längst wieder ausgestiegen waren. Inzwischen ist er nicht mehr als Stadtplaner, sondern als Privatunternehmer an Velospot beteiligt.
Richard Vaucher indes will zu den Problemen keine Stellung mehr nehmen. Nur so viel: Er halte Velospot nach wie vor für ein schönes städtisches Projekt. «Und ich hoffe, es wendet sich alles wieder zum Besten.» 
fup

 

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