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Biel

Lokale Produzenten spannen zusammen

Während Jahrzehnten ist die Verdan-Scheune an der Seevorstadt leer gestanden. Umfassend renoviert, erwacht sie nun zu neuem Leben: Mit Bierbrauerei, Kaffeerösterei, Saftproduktion und vielem mehr.

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von Carmen Stalder

Sie wird nur von denen gesehen, die sie suchen. Die Verdan-Scheune an der Seevorstadt 77 ist von der Strasse aus nicht zu sehen. Einmal entdeckt, zieht sie den Blick ihres Beobachters in den Bann: ein grosses Riegelhaus aus dem Jahr 1819, mit alten Holzbalken, steinernen Fensterumrahmungen und einer schneeweissen Fassade. Noch bis vor ein paar Monaten hätte die Scheune keinen solch stattlichen Eindruck vermittelt. Ursprünglich diente sie dem Bauherrn François Henri Verdan als Stoffdruckatelier, später wurde das Gebäude als Weinkeller und Handwerkeratelier genutzt. Doch dann stand es während Jahrzehnten leer und verkam zusehends.

Die Verdan-Scheune gehörte bis vor Kurzem der Ida-Neuhaus-Stiftung, die gleich nebenan die Résidence Favorita betreibt, ein Wohnhaus für begleitetes Wohnen im Alter. Gegründet wurde die mittlerweile unabhängige Stiftung 1978 von der Burgergemeinde Biel. Diese kümmerte sich bis zuletzt um den Unterhalt der leer stehenden Scheune und war während Jahren auf der Suche nach einem neuen Nutzer.


«Jetzt spinnst du total»

Auch Yves Klingler von der Bierbrauerei La Marmotte war auf der Suche. Bisher vergeblich hielt er die Augen nach einem grösseren Lokal offen. Der Produktionsort an der Kirchgasse 9 in der Bieler Altstadt war der wachsenden Nachfrage nach dem lokalen Bier nicht mehr gewachsen. «Doch wir wollten nicht einfach in ein Industriegebäude am Stadtrand ziehen, sondern an einen Ort, der zu uns passt», sagt Klingler.

Auf einmal begannen sich die Wege der verschiedenen Akteure zu kreuzen: Klinglers Bruder wies ihn auf die leere Scheune hin. Daraufhin setzte er sich mit der Burgergemeinde in Verbindung. «Jetzt spinnst du total», hätten die Brauerei-Aktionäre zu ihm gesagt, als sie das heruntergekommene Haus gesehen haben. Doch da war es bereits um ihn geschehen, Klingler hatte in der Verdan-Scheune den perfekten Standort gefunden. Und auch die Burgergemeinde sah in «La Marmotte» die passende Nutzerin und kaufte folglich der Stiftung die Scheune ab. Das kommt nicht von ungefähr: Die Burgergemeinde ist bestrebt, ältere Liegenschaften mit architektonischem und geschichtlichem Wert zu erwerben und sanieren. «Die Scheune passt genau in unser Schema», sagt Dieter Haas, Präsident des Burgerrats.

Eine Million Franken hat die Burgergemeinde in den Kauf der Verdan-Scheune gesteckt. Mit diesem Geld konnte die Ida-Neuhaus-Stiftung die 27 Alterswohnungen der Résidence Favorita komplett sanieren. Weitere 1,5 Millionen Franken hat die Burgergemeinde in die Sanierung der Scheune investiert, ein Teil davon hat die Denkmalpflege übernommmen.


Zusammen gehts besser

Die Scheune, sie trägt nun den Namen Atelier Verdan, ist gross. So gross, dass die Brauerei das Gebäude nicht alleine belegen kann. Und so hat sich Yves Klingler nach weiteren lokalen Produzenten umgesehen. Zur Bierbrauerei gesellt sich nun die Kaffeerösterei Café Choucas, die Nussrösterei Nectaflor Artisanal, Frucht- und Gemüsesäfte von June Juice, die Destillerie du Chêne, die Honigproduktion der Vereinigung zur Förderung von Kleinimkerei sowie Wein vom Rebberg der Burgergemeinde.

Sie alle haben sich in den historischen Räumen eingerichtet, haben ihre Maschinen aufgebaut, ihre Ware aufgestapelt. Die Idee ist allerdings nicht, dass jedes Unternehmen für sich allein arbeitet. «Die Zusammenarbeit ist mir sehr wichtig», sagt Klingler, «Synergien sollen genutzt werden.» Wenn also die Destillerie einen Walnusslikör herstellen möchte, soll sie die Nüsse dafür bei Nectaflor rösten können.


Keine zweite Lago Lodge

Auf Anfrage kann das Atelier Verdan besichtigt werden. Man kann beispielsweise für eine Gruppe eine Bierdegustation mit Apéro und Führung durchs Gebäude reservieren. Ein Bar- oder gar Restaurantbetrieb ist hingegen nicht vorgesehen. Wegen der Nähe zur Altersresidenz wäre dies schon einmal lärmtechnisch heikel. «Zudem wollen wir keine Konkurrenz zur Lago Lodge sein», sagt Yves Klingler, das seien schliesslich seine Freunde. Er sieht es denn auch nicht als verpasste Chance, mit seiner Brauerei an einen Ort gezügelt zu sein, der erstens vielen unbekannt ist und zweitens ohne Barbetrieb auskommen muss. «Was versteckt ist, kann zum Geheimtipp werden», ist er überzeugt. Den Standort an der Kirchgasse hat «La Marmotte» derweil beibehalten. Dort befindet sich nun ein Laden, in dem man die im Atelier Verdan hergestellten Produkte kaufen kann.

Am Samstag werden das Atelier Verdan und die umgebaute Résidence Favorita feierlich eingeweiht. Kuno Moser, Geschäftsleiter der Burgergemeinde Biel, hofft, dass damit eine noch viele Jahre andauernde Zusammenarbeit ihren Anfang nimmt. Für alle Beteiligten ist schon jetzt klar: Ihr Aufeinandertreffen muss einem überaus glücklichen Zufall geschuldet sein.

Info: Eröffnungsfest des Ateliers Verdan und der totalsanierten Résidence Favorita am Samstag, 14. September, von 9 bis 17 Uhr. Seevorstadt 77/79, Biel.

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