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Meinung

Macht das «harte Los» etwas milder

Peter Hans Kneubühl ist für die Bevölkerung noch immer gefährlich. Die Wahrscheinlichkeit ist da, dass er, würde er in Freiheit entlassen, jemandem etwas antun würde.

Deborah Balmer. Bild: zvg

Deborah Balmer, 
Stv. Ressortleiterin Region

Bis heute hat man die Waffe, mit der er damals auf einen Polizisten schoss, nicht gefunden. Dass von Kneubühl noch eine Gefahr ausgeht, davon geht das Regionalgericht Berner Jura-Seeland aufgrund verschiedener psychiatrischer Gutachten aus. Es hat deshalb gestern eine ordentliche Verwahrung ausgesprochen. Das ist tragisch für den 76-Jährigen. Denn für ihn heisst das, dass er seinen Lebensabend wohl hinter verschlossenen Türen verbringen wird. Zwar wird der Beschluss regelmässig überprüft. Doch Psychiater sehen bei einer wahnhaften Störung wenig Chancen, dass ein Betroffener sich plötzlich doch noch auf eine Therapie einlässt. Denn in seinem Wahn ist nicht er krank, sondern alle anderen. Für Kneubühl gibt es also auch keinen Grund, an sich selber etwas zu ändern.

Auch wenn dies für Verwahrte hart ist: Es ist richtig, dass es möglich ist, jemanden wegzusperren, von dem eine grosse Gefahr ausgeht. So gibt es Fälle von Schwerstkriminellen, die nicht behandelbar sind, und bei denen das Rückfallrisiko hoch bleibt. Die also, wären sie auf freiem Fuss, erneut ein Verbrechen begehen würden. Bei einer Verwahrung geht es also nicht um Sühne, sondern um die Sicherheit der Allgemeinheit.

Trotzdem gibt ausgerechnet eines der reichsten Länder der Welt diesbezüglich ein schlechtes Bild ab: Denn in der Mehrzahl der Fälle bleiben Verwahrte in der Schweiz einfach im Strafvollzug, auch wenn sie ihre Strafe bereits verbüsst haben. Sie leben also weiterhin in einer Gefängniszelle, einfach mit dem Unterschied, dass man sie nun Verwahrte nennt. Sie leben vielleicht für immer neben Strafgefangenen, die eines Tages entlassen werden und deshalb eine andere Infrastruktur benötigen. Auch Juristen reden hier von einem klaren Missstand.

In Nachbarländern wie beispielsweise Deutschland wird die Sicherheitsverwahrung klar von der Freiheitsstrafe getrennt. Verwahrte werden zwar aus Sicherheitsgründen auch von der Bevölkerung ferngehalten, sie leben aber unter menschlicheren Bedingungen. In einem Gruppenvollzug etwa, indem sie miteinander kochen können, Arbeiten verrichten, einen Garten pflegen – einfach etwas mehr Freiheit und soziale Kontakte haben als in einer Gefängniszelle. Auch wenn dies etwas kostet und es keine Perspektive gibt, dass ein Verwahrter eines Tages wieder ungefährlich wird: Es geht um Menschenwürde. Und die darf in einem demokratischen Land etwas kosten.

Während es skandalös ist, wie Verwahrte in der Schweiz leben müssen, hat der Fall Kneubühl zusätzlich eine ganz eigene Tragik: Denn er wählte seine Isolation im Thuner Regionalgefängnis aus eigenem Antrieb. Als man ihn in die Strafanstalt Thorberg verlegen wollte, reagierte er mit einem Hungerstreik. 23 Stunden am Tag sitzt der Rentner alleine in seiner Zelle und beschäftigt sich von morgens bis abends mit seinem Fall. Doch gerade bei seiner Art der Erkrankung sei es nicht ratsam, jemanden unter Zwang zu verlegen, sagen Psychiater. Zudem sei es gut möglich, dass er froh sei, nicht unnötigen Reizen ausgesetzt zu sein. Auch er selber sagt: Er wolle es so.

Nach der Gerichtsverhandlung gestern hiess es vonseiten des Kantons, man werde ihn trotz Verwahrung auch jetzt nicht gegen seinen Willen an einen anderen Ort verlegen. Man wolle aber zumindest Alternativen prüfen. Und die würde es seit Kurzem in einem interessanten Pilotprojekt im Kanton Solothurn geben: Im Deitinger Schachen existiert innerhalb der Justizvollzugsanstalt ein Haus, in dem Verwahrte nach Verbüssung ihrer Strafe versuchsweise in einer Wohngruppe leben und so das harte Los etwas abmildern können. Auch wenn sich für Peter Hans Kneubühl höchstwahrscheinlich nicht darauf einlassen wird: Aus Sicht aller anderen Verwahrten ist dieses Pilotprojekt ein erster Schritt in die richtige Richtung. Damit die Schweiz nicht mehr gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstösst.

dbalmer@bielertagblatt.ch

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