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Biel

Manchmal wollen die Leute einfach nur mit ihm plaudern

Seine Schicht beginnt um 16 Uhr und endet dann, wenn niemand mehr ein Taxi braucht. Samy Abaidi kennt die Bieler Strassen und Menschen. Und er merkt, wenn jemand ein offenes Ohr braucht.

Der 39-jährige Samy Abaidi arbeitet seit zwei Jahren als Taxichauffeur, aktuell bei der Firma Centro-Taxi. Raphael Schaefer
  • Dossier
Aufgezeichnet: Hannah Frei
 
Es gibt Leute in Biel, die rufen mich an, weil sie einfach eine Runde drehen wollen. Ich hole sie dann ab, fahre 15 bis 20 Minuten mit ihnen durch die Stadt, rede mit ihnen und bringe sie wieder nach Hause. Das mache ich gerne. Aber eigentlich ist es traurig, dass es scheinbar Menschen gibt, die sich so einsam fühlen. Sie sind froh, wenn sie mit mir etwas plaudern können.
 
Doch nicht alle Passagiere möchten reden. Manche sagen «Hallo» und «Adieu», mehr nicht. Das ist für mich auch in Ordnung. Ich richte mich nach den Gästen. Aber wenn jemand etwas erzählen möchte, bin ich immer für ein Gespräch zu haben. Meine Freunde sagen, ich sei ein gesprächiger Typ. Und dass ich gut erzählen könne. Viele Kunden mögen es, wenn man mit ihnen spricht. Das macht die Fahrt etwas lockerer. Die Leute wollen immer wissen, woher ich ursprünglich stamme. Geboren und aufgewachsen bin ich in Tunesien. Diese Frage stört mich nicht. Oft bildet sie die Basis für ein Gespräch. Die Menschen wollen dann wissen, wie das Leben in Tunesien ist und wo genau ich gelebt habe.
 
Was uns Taxifahrern fehlt, ist Schutz, eine Versicherung. Wenn jemand einfach davonrennt, ohne zu zahlen, können wir nichts dagegen unternehmen. Auch die Polizei kann da meist nicht helfen, das gibt nur eine Anzeige gegen unbekannt. Und hinterherrennen oder die Menschen festhalten möchte ich auch nicht. Am Ende verletzen sie mich noch. Manchmal fehlen uns daher mehrere hundert Franken. Die bezahlt uns keiner. Mühsam wird es manchmal mit den Betrunkenen. Am Wochenende gibt es viele davon. Meistens sind sie anständig und nett. Aber es gibt ein paar, die extrem gestresst sind und schnell vorwärtskommen wollen. Für sie geht alles zu langsam. Und ich bin der Schuldige.
 
Taxi fahre ich seit etwas mehr als zwei Jahren. Der Start war schwierig: Es war Pandemie-Beginn. Bei Centro-Taxi bin ich seit rund einem Jahr. Da bin ich zwar immer noch selbstständig, aber man findet einfacher Kundinnen und Kunden.
Meine Schicht beginnt um 16 Uhr. Manchmal dauert sie bis 2 Uhr, manchmal bis 3 Uhr. Je nachdem, wie viele Kundinnen und Kunden es gibt. Am Wochenende wird es häufig deutlich später, manchmal arbeite ich da bis 5 Uhr morgens. Aber in solchen Fällen kann ich zwischendurch nach Hause gehen und mich ausruhen. Das ist sowieso ein grosser Vorteil an dieser Arbeit: Wenn ich eine Pause brauche, gebe ich den anderen im Team Bescheid, schalte mein Handy und das Funkgerät aus und gehe nach Hause zu meiner Familie. Das ist ein Grund, weshalb ich im Taxigeschäft eingestiegen bin. Zuvor arbeitete ich fünf Jahre bei den Bieler Verkehrsbetrieben als Buschauffeur. Diese Arbeit hat mir Spass gemacht, ich mag es, grosse Fahrzeuge zu lenken. Aber die Arbeit ist anstrengend, man trägt viel Verantwortung und hat wenig Kontakt mit Menschen, obwohl man sie herumfährt.
 
Mittwochs habe ich frei. Da nehme ich mir Zeit, um bei meiner Familie zu sein. Ein freier Tag ist nicht sehr viel, ich hätte gerne mehr Zeit. Vielleicht arbeite ich künftig weniger. Aber zurzeit brauche ich das Geld. Und ich beginne ja erst um 16 Uhr mit der Arbeit, schlafe meist bis am Mittag. Danach habe ich auch noch Zeit, um meine Familie zu sehen.
 
Meine Leidenschaft ist der Fussball. Wir spielen jeweils am Sonntagnachmittag in einer Halle, organisiert von Centro-Taxi. Da trifft sich die ganze Equipe zum Match. Das tut gut. Schon nur, weil ich mich bewegen kann. Als Taxifahrer bewegt man sich ja kaum.
 
Wenn wir nicht gerade unterwegs sind, warten wir am Bahnhof auf Kunden. Während des Lockdowns war das anders. Da hatten wir manchmal mehrere Stunden nichts zu tun. Und wir wurden daher auch für mehrere Stunden nicht bezahlt. Aber zum Glück hat es nun wieder etwas angezogen. Ich bin guter Dinge, dass es bald wieder wird wie vor der Pandemie.
 
Mir ist es eigentlich egal, wie die Leute bezahlen, ob Bar oder mit Twint oder mit Kreditkarte. Wenn jedoch jemand mit Karte bezahlt, geht ein Teil des Betrags an die Bank. Es ist aber nicht viel, nur ein paar Rappen oder Franken.
Die Kundinnen und Kunden geben ohnehin immer Trinkgeld. Meist nicht viel, aber immer etwas. Wenn dann jemand kommt, dem ein paar Franken fehlen, fahre ich sie trotzdem nach Hause. Ich habe auch schon eine junge Frau gratis nach Hause gebracht, weil sie kein Geld bei sich hatte. Sie bezahlte dann beim nächsten Mal.
Stichwörter: Mein Montag, Taxi, Taxifahrer

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